Von Ursula Weigel, Syndikusanwältin, aus DAR 2020, 299
"Der Rechtsanwalt und RiOLG a. D. Detlef Burhoff sowie der Dipl. Verwaltungswirt und öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Geschwindigkeits- und Abstandsmessungen Hans-Peter Grün geben in der aktualisierten 5. Auflage des Werkes "Messungen im Straßenverkehr" einen praxis-nahen Überblick über Fehlerquellen bei Geschwindigkeits- und Abstandsmessungen, Rotlichtüberwachung, Bildidentifikationen, Atemalkoholmessungen und den gewerblichen Personen- und Güterverkehr. Verstärkt wird das Autorenteam durch Herrn RiLG Dr. Holger Niehaus, Düsseldorf, der die einschlägige Rechtsprechung beigesteuert hat.
In Ergänzung zu den vier Vorauflagen wird in der 5. Auflage ein weiteres Augenmerk auf die technischen Voraussetzungen einer korrekten Messung gelegt. Insbesondere wegen der Weigerung der Gerätehersteller, die genaue Funktionsweise des Gerätes offenzulegen, beschäftigen sich die Autoren auch mit der Frage der Offenlegungspflicht der Rohmessdaten.
Aufgebaut ist das Werk in gewohnt übersichtlicher Art.
Zunächst werden in Teil 1 allgemeine Ausführungen zur Verwendung von technischen Messgeräten gemacht, wobei die für alle Geräte vorgeschriebene Zulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt bis zum 31. 12. 2014, die Eichung nach diesen Vorschriften sowie die Instandsetzung dargelegt werden. Auch zur "Lebensakte" und den neuen Vorgaben seit dem 1. 1. 2015 nach dem neuen MessEG und MessEV sind wichtige Ausführungen zu finden.
Problematisiert werden die technischen Fragen bezogen auf Wechselverkehrszeichenanlagen so-wie die Abstandsmessverfahren. Ein eigenes Kapitel widmen die Autoren der Integrität, Authentizität und dem Datenschutz bei digitalen Messverfahren, wobei das besondere Augenmerk auf die Erfassung von Rohmessdaten als Grundlage jeder Messung gelegt wird. Die ist aktueller denn je durch die Rechtsprechung des Saarländischen Verfassungsgerichtshofes (DAR 2019, 500 ff. m. Anm. Gratz) und gibt dem Anwalt Argumentationshilfen.
Sodann schließt sich in ebenfalls bewährter Manier der technische Teil des Werkes an.
Anhand von zahlreichen Bildern und Tabellen wird auch dem technischen Laien Material an die Handgegeben, um evtl. Messfehler zuordnen zu können. Neben den klassischen Geschwindigkeitsmessungen - auch der Messung durch Nachfahren - werden Ausführungen zur Rotlichtüberwachung und dem gewerblichen Personen- und Güterverkehr mit Schwerpunkt Wägung und Ladungssicherung gemacht.
Ein eigenes Kapitel beschäftigt sich mit zu beachtenden Besonderheiten des Messortes, was dem Verteidiger evtl. ebenfalls die Möglichkeit gibt, Zweifel an der Richtigkeit der Messung zu wecken.
Im 2. Teil des Buches werden medizinische Aspekte bei morphologischen Bildgutachten und Atemalkoholmessungen beleuchtet.
Diese Ausführungen machen das Werk auch für mit diesen Sachen befasste Richter wertvoll, da die technischen Voraussetzungen und Möglichkeiten bei allen Themen verständlich und anhand von Bildmaterial nachvollziehbar gemacht werden. Das kann eine große Hilfe bei der Darstellung der Urteils-gründe beispielsweise bei der Fahreridentifikation anhand eines Radarfotos sein.
Teil 3 widmet sich sodann den juristischen Aspekten.
Zunächst werden allgemeine Ausführungen zur Verteidigung in OWi-Sachen gemacht, bevor schwerpunktmäßig die Rechtsprechung des BVerfG zu Videomessungen im Straßenverkehr aufgeschlüsselt wird. Es werden die rechtlichen Standpunkte zu Geschwindigkeitsmessungen erörtert, so allgemeine Fragen, der Begriff des standardisierten Messverfahrens, Entfernung der Messung zum Tempolimit, Messungen durch Nachfahren sowie Fragen der Rechtfertigung einer Geschwindigkeitsübertretung und der Abgrenzung von Fahrlässigkeit und Vorsatz.
Die Autoren geben Überblicke über die juristischen Problemkreise bei der Abstandsmessung, beim Rotlichtverstoß und im Rahmen einer Trunkenheitsfahrt. Abschließend erörtern die Autoren noch ausgesuchte Verfahrensfragen, die den Anwalt in seiner täglichen Praxis beschäftigen, nämlich Fragen der Akteneinsicht, Identifizierungsprobleme bei Radarfotos, die Beweisaufnahme im OWi-Verfahren und die Möglichkeiten der Rechtsbeschwerde. Im Anschluss an diese Ausführungen mit all ihren praxisrelevanten Fallstricken widmen die Autoren ein eigenes Kapitel der Auswertung der Bußgeldakte. Anhand einer Checkliste werden die zentralen Punkte aufgelistet, was dem Praktiker eine schnelle Hilfe sein kann. Hinzugefügt ist sodann eine Rechtsprechungsübersicht zu den Fragen des Akteneinsichtsrechts und dessen Umfang auf Grundlage der Entscheidung des saarländischen Verfassungsgerichtshofes. Den Autoren gelingt es auch in dieser Ausgabe wieder, eine praxisnahe Verknüpfung zwischen den theoretischen Erwägungen des Verteidigers und der einschlägigen Rechtsprechung herzustellen. Umfangreiche Rechtsprechungszitate zu den jeweiligen Problemgebieten machen das Buch zu einer wert-vollen Argumentationshilfe für den Rechtsanwalt im Ordnungswidrigkeitenprozess.
Ein wesentlicher Teil ist Teil 4 des Werkes, welches dem Praktiker eine Übersicht der Regelungen in den einzelnen Bundesländern zur Erfassung von Verkehrsverstößen an die Hand gibt.
Da diese nicht immer veröffentlicht und nur sehr aufwendig zu recherchieren sind, hält der Rechtsanwalt mit diesem Buch ein Werk in der Hand, das neben den klassischen juristischen Prozessthemen auch die verwaltungsrechtlichen Grundlagen sowie das notwendige technische Know-How mitliefert.
Den Autoren ist damit eine Arbeitshilfe für den Praktiker
gelungen, die sowohl dem Rechtsanwalt als auch dem Richter in
Ordnungswidrigkeitenverfahren umfangreiches Wissen auf den für diese
Verfahren notwendigen unterschiedlichen Ebenen verschafft und somit für
die tägliche Arbeit eine echte Bereicherung darstellt.
" von RAin und FAin für Straf- und Verkehrsrecht, zert. Mediatorin/Coach Gesine Reisert, Berlin, aus ZAP-Buchreport, Heft 8/2020
Das bereits in 5. Auflage erscheinende Standardwerk zu Messungen im Straßenverkehr will der Anwaltschaft technische Kenntnisse für die Argumentation bei Geschwindigkeits-, Abstands- und Rotlichtmessungen vermitteln. Dies gilt insb. deshalb, weil die Messverfahren mit Beispielsfällen unterlegt sind, sodass der Zugang zu der technisch komplexen Materie nachvollziehbar wird. Das ist aus Verteidigersicht auch dringend notwendig, denn Hersteller, Anwender und die PTB lassen trotz der allseits bekannten und natürlich eingearbeiteten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs Saarland (Lv 1/18 und Lv 7/17) zur Überlassung der Rohmessdaten und der entsprechenden Einsicht in die Unterlagen nicht erkennen, dass dieser Rechtsprechung (vgl. auch Übersicht § 3 Rn 196 ff.) gefolgt werden soll. Hier wird wohl nur das Bundesverfassungsgericht die erforderliche Durchschlagskraft garantieren können. Daneben erfordert der technische Fortschritt natürlich auch die Anpassung der Messsysteme (ES 8.0 und ES. 3.0; Poliscan FM 1 und Traffistar S 350 von Jenoptik), die gleichsam in die Neuauflage Eingang gefunden haben. Schon deshalb ist in der Praxis der Verteidigung das aktualisierte Werk vonnöten.
Das Buch ist gegliedert in Messverfahren, medizinische Aspekte, Rechtsfragen im Zusammenhang mit Geschwindigkeitsüberschreitungen, Abstandsmessungen, Rotlichtverstößen und Trunkenheitsfahrten und hat in der Anlage noch diverse Arbeitshilfen, insb. die Richtlinien für die Geschwindigkeitsüberwachung der einzelnen Bundesländer. Letztere sind besonders deswegen von Interesse, weil sie vorgeben, unter welchen Umständen bzw. unter welchen Voraussetzungen die Überwachung erfolgen soll. Besonders hilfreich ist auch die aktualisierte Rechtsprechung zum Maß der Überschreitung bzw. zur relativen Geschwindigkeitsüberschreitung, die den Gerichten ermöglicht, auf das Vorliegen eines Vorsatzes zu schließen (§ 3 Rn 89 ff.) zur Vermeidung von Verteidigungsfehlern. Von besonderem Interesse sind die Hinweise zur Besichtigung der Messörtlichkeiten (§ 1 Rn 1755 ff.), weil sie nämlich für die örtlichen Besonderheiten sensibilisieren und mithilfe der Beispielsfälle anschaulich dargestellt sind. Gleiches gilt für den grundlegenden Aufbau eines Gutachtens (§ 2 Rn 51 ff.) gerade bei den immer wieder in der Kritik stehenden morphologischen Gutachten. Auch das Prüfschema für den Rechtsanwalt ist aktualisiert. Ebenso wird das Messen durch Nachfahren wie die Problematik von "illegalen Straßenrennen" und Dashcams behandelt.
Ergänzend fiel der Rezensentin lediglich auf, dass
Buchfäden zur Markierung eine dankenswerte Unterstützung wären,
ebenso wie das Stichwortregister noch ausführlicher sein könnte.
Kurz: Der/die anwaltliche Verteidiger/-in kann dieser umfassenden Hilfestellung
nur dankbar sein!
" Von RiAG Dr. Benjamin Krenberger auf Die Rezensenten.
Im angenehmen Rhythmus von drei Jahren erscheint das Handbuch (hier der Link zur Vorauflage) von Burhoff und Grün zu den Messverfahren und ergänzt so die weiteren Handbücher zum Straf- und Verkehrsrecht. Nunmehr ist die fünfte Auflage erschienen und wartet mit bald 1100 Seiten auf. Der Großteil der Seiten ist dabei den inhaltlichen Ausführungen vorbehalten, welchen anschließend noch ein Teil mit Arbeitshilfen folgt, die fast 200 Seiten umfassen. Enthalten sind dort die Richtlinien für die Geschwindigkeitsüberwachung in den Bundesländern.
Im Hauptteil findet der Leser drei große Abschnitte vor, wovon der erste (§ 1) den Messverfahren gewidmet ist, der zweite (§ 2) medizinische Aspekte umfasst und der dritte (§ 3) typische Rechtsfragen in Zusammenhang mit gemessenen Verkehrsverstößen beinhaltet.
In den Arbeitshilfen ist das bisher enthaltene Lexikon der Rechtsbegriffe weggefallen. Bei den noch vorhandenen Richtlinien wären ein oder zwei Verbesserungen redaktioneller Art sinnvoll: zum einen sollte im zum Kapitel zugehörigen Inhaltsverzeichnis nicht mit Randnummern, sondern wie in der Inhaltsübersicht ganz vorne mit Seitenzahlen gearbeitet werden, wenn - wie hier - sich eine Randnummer über zahlreiche Seiten erstreckt und jeweils eine Richtlinie umfasst. Zum anderen könnten redaktionelle Hinweise erfolgen, wenn spezifische Rechtsprechung zu einer Richtlinie ergangen ist (z.B. für Baden-Württemberg: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08.01.2018 - 2 Rb 9 Ss 794/17, zfs 2018, 353). Auch könnte ein redaktioneller Hinweis dazu erfolgen, ob die in Richtlinien enthaltenen Abstandsvorgaben zwischen Verkehrszeichen und Messstelle auch "nach hinten" gelten, also zum nächsten Verkehrszeichen. Ebenfalls sinnvoll wäre zusätzlich die Aufnahme von spezifischen Landesrichtlinien und -vorgaben zum Einsatz und zur Aufstellung der hoch umstrittenen Enforcement Trailer sowie zu stationären Anlagen. Vielleicht wird die sechste Auflage da Abhilfe schaffen.
Sodann zum eigentlichen Inhalt. Im ersten Teil findet man ganz klassisch Unterkapitel zum Abstandsmessverfahren und zu den verschiedenen Messsystemen für die Geschwindigkeit, dazu zur Rotlichtüberwachung und zum gewerblichen Personen- und Güterverkehr: insbesondere das kurze Kapitel zu den Wiegungen ist eine sehr empfehlenswerte Lektüre, da es zu diesem Problemkreis nahezu keine ausführliche Literatur gibt. Die einzelnen Kapitel beschreiben verschiedene Messsysteme, Anforderungen und Problempunkte. Flankiert werden die Ausführungen in § 1 aber weiterhin von bedenklichen Ausführungen der (technischen) Autoren zu allerlei rechtlichen Fragen (Bewertung der Rechtsfigur des standardisierten Messverfahrens; Bejubelung der Entscheidung des Saarl. VerfGH vom 5.7.2019 ohne Nennung einer einzigen Entscheidung, die sich dagegen ausgesprochen hat, Stand des Buchs ist November 2019; prominente Nennung der verfehlten Empfehlung des 54. VGT 2016 zum standardisierten Messverfahren u.a.). Dies ist zum einen angesichts von § 3 des Buches weder erforderlich, noch sind die Behauptungen vollständig belastbar. Darüber hinaus hat es einen argen Beigeschmack, wenn sich die Autoren der VUT selbst dafür beweihräuchern, dass bspw. ihre Arbeit angeblich aufzeige, dass die PTB ihre eigenen Vorgaben nicht umsetze (S. 14). Dazu sei nur anzumerken, dass es in der einschlägigen und maßgebenden instanzgerichtlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung positiv gesagt Entscheidungen allenfalls in überschaubarer Anzahl gibt, die diesen behaupteten Zusammenhang ebenfalls so sehen. Ein bisschen weniger Eigenwerbung wäre in einem solchen Handbuch doch angebracht (vgl. auch das "VUT-Prüfschema", S. 21).
Das Kapitel zu den medizinischen Aspekten gefällt mir nach wie vor am besten, da hier sehr schön der morphologische Bildvergleich beschrieben wird und so der Befürchtung Einhalt geboten wird, es würde sich hier um eine Art Kaffeesatzlese, nur mit Pixeln, handeln. Insbesondere der wichtige Hinweis darauf, dass diese Art der Begutachtung gerade keine Merkmalshäufigkeiten liefern kann (und diese aufgrund des Gutachtenstyps auch gar keine Rolle spielen können), sollte Pflichtlektüre für alle Juristen sein, die sich mit Ordnungswidrigkeiten befassen. Bei der Frage der notwendigen Einhaltung von Warte- und Kontrollzeit bei der Atemalkoholmessung sollte, nachdem in § 3 Rn. 158 auf § 2 Rn. 119 verwiesen wird, auch (endlich) umgekehrt der Binnenverweis auf die Darstellung der Rechtsprechung erfolgen. Auch die neuere Rechtsprechung zur Hypoventilation (z.B. OLG Zweibrücken zfs 2019, 290) dürfte gerne in beiden Kapiteln aufgenommen werden .
Die rechtlichen Ausführungen in § 3 werden von Burhoff und nun neu von Niehaus gewohnt souverän mit der bekannten hohen Nachweisdichte geführt. Wie immer würde ich an der einen oder anderen Stelle etwas anders schreiben oder differenzierter behaupten, aber das sind Kleinigkeiten oder Darstellungsvorlieben, die nichts an der hohen Qualität der Ausführungen ändern. Nur ein Beispiel: Niehaus legt vorbildlich ab S. 804 dar, wie der Streit um die Reichweite des Akteneinsichtsrechts bei standardisierten Messverfahren zu entscheiden sein sollte. Allerdings liefert auch er (noch) keine genaue Begründung dafür, warum der Betroffene auch Einsicht in die gesamte Messreihe erhalten sollte. Hier hätten gerne einige Sätze zu den klassischen Einwänden (Datenschutz, Verhältnismäßigkeit) erfolgen können, dazu auch einige technische Ausführungen dazu, was denn der Sachverständige mit der gesamten Messreihe anstellen könnte, wenn es sich nicht um ein einen aufmerksamen Messbetrieb erforderndes Gerät handelt: welche Erkenntnisse kann er gewinnen, die sich dann auch auf die konkrete Einzelfallmessung auswirken würden? Denn zu solchen Details habe ich auch in § 1 nichts gefunden, was ich sofort in eine diese Einsicht bejahende Entscheidung hätte übernehmen können.
Das Handbuch gehört trotz der genannten Kritikpunkte zu den Büchern, mit denen man sich als Bußgeldrechtler auseinander setzen muss. Dass einige Aspekte einseitig dargestellt werden, ist zu verschmerzen, denn auch in zivilrechtlichen Kommentaren fällt die Ausarbeitung des § 249 BGB je nach Autor für und gegen die Haftpflichtversicherungen aus - man muss es eben wissen und für sich gewichten. Die gebotenen technischen Details sind erfreulich vielfältig, die flankierenden rechtlichen Ausführungen nützlich. Die kombinierte Nutzung mit dem OWi-Handbuch von Burhoff wird durch viele interne Verweise sinnvoll gefördert.
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