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RVG Entscheidungen

Nr. 7006 VV

Flugreisekosten, Übernachtungskosten, Erstattungsfähigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamburg, Beschl. v. 03.03.2010 - 4 Ws 249/09

Fundstellen:

Leitsatz: 1. Flugreisekosten nach Nr. 7004 VV RVG sind - soweit eine Flugreise grundsätzlich angemessen ist - nach § 91 Abs. 1 ZPO nur in Höhe der Kosten für einen Flug in einer Kategorie der Economy-Class mit Umbuchungsmöglichkeit erstattungsfähig.

2. Die Angemessenheit von Übernachtungskosten (Nr. 7006 VV RVG) orientiert sich dem Grunde nach allein an der Frage der Zumutbarkeit eines Reisebeginns zur Nachtzeit. Ein Reiseantritt vor 6.00 Uhr morgens ist in der Regel nicht zumutbar. Die Partei und ihr Rechtsanwalt sind nicht gehalten, angemessene Flugkosten im Falle zusätzlich notwendig werdender Kosten einer Unterbringung durch besondere Anstrengungen - etwa einer deutlich längeren Bahnfahrt - wieder zu reduzieren.


In dem Rechtsstreit
- Klägerin und Beschwerdeführerin -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
- Beklagte und Beschwerdegegnerin -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 4. Zivilsenat, am 3. März 2010

durch die Richter

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 14. Juli 2009 abgeändert.

Die von der Klägerin an die Beklagte nach dem gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbaren Urteil des Landgerichts vom 12.05.2009 zu erstattenden Kosten werden auf € 2.382,85 festgesetzt.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Klägerin 4/5 und die Beklagte 1/5 nach einem Beschwerdewert von € 590,95 zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe
Die nach §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat teilweise Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet und zurückzuweisen.

Mit der Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Festsetzung von Kosten einer Flugreise in der Business Class sowie die zusätzliche Festsetzung von Kosten der Übernachtung zuzüglich anteiliger Taxikosten.

Die im angegriffenen Beschluss mit € 2.504,30 festgesetzten Kosten sind wie aus dem Tenor ersichtlich um € 121,45 zu reduzieren, denn der Beklagten steht gegen die Klägerin wegen der Reise ihres Prozessbevollmächtigten von Düsseldorf nach Hamburg und zurück lediglich ein Anspruch auf Erstattung von Flugreisekosten zu, die bei der Inanspruchnahme eines Fluges im Tarif Economy Flex angefallen wären (€ 465,55 netto). Ein Anspruch auf Erstattung von Flugreisekosten in der Business Class (hier € 587,00) besteht nicht. An seiner davon abweichenden Auffassung (vgl. die von der Rechtspflegerin angeführte Entscheidung des Senats vom 23.04.2008 - 8 W 43/08) hält der Senat nach Beratung nicht fest (unten 1.).

Die Klägerin hat der Beklagten daneben aber in der festgesetzten Höhe auch die Kosten der Unterbringung des Rechtsanwalts der Beklagten zu erstatten, die durch die Anreise des Rechtsanwalts am Vortag bedingt sind, sowie die insgesamt angefallenen Taxikosten. Soweit der Senat in anderer Sache (Beschluss v. 05.11.2009 - 4 W 290/09) eine abweichende Auffassung vertreten hat, wonach im Falle der Anreise des Rechtsanwalts am Tag vor dem Gerichtstermin in jedem Fall allein die Kosten einer Bahnreise zu erstatten sind, wird daran nicht festgehalten (unten 2.).

1. Mit der etwa vom OLG Frankfurt (AGS 2008, 409 f.) vertretenen Auffassung ist der Senat der Ansicht, dass Flugreisekosten, die bei Nutzung der Business Class anfielen, nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten stehen, die auf eine Anreise mit der Bahn entfielen, denn die Partei ist - soweit es um die Bemessung erstattungsfähiger Reisekosten geht - gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigere auszuwählen, so dass die Kosten einer Flugreise nur dann erstattungsfähig sind, wenn sie nicht außer Verhältnis zu den Kosten der Benutzung der Bahn (1. Klasse) stehen (BGH RPfleger 2008, 279 ff.). Angesichts der auch im vorliegenden Fall deutlichen Differenz der von der Beklagten geltend gemachten Flugreisekosten (€ 587,00 netto) zu den für die Benutzung der Bahn anzusetzenden Kosten (€ 200,00 netto) folgt aus dem Gebot, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste Maßnahme zu wählen jedenfalls, dass unter mehreren verfügbaren Flugreisetarifen der den Umständen nach günstigere Flugtarif zu wählen ist, der die Beförderung in gleicher Weise wie die Bahn gewährleistet, ohne den Reisenden unverhältnismäßigen Belastungen und/oder Risiken auszusetzen.

a) Das erfordert regelmäßig, einen Flug in der Economy Class statt in der Business Class zu wählen, denn die durch die Wahl der Economy Class gegenüber der teureren Business Class entstehenden Belastungen bzw. Nachteile stehen in keinem Verhältnis zu den in der Business Class anfallenden höheren Kosten. Der Reisekomfort ist in gleicher Weise hinreichend gegeben. Auf besondere Serviceleistungen besteht kein Anspruch. Das gilt auch für die in der Business Class verbesserte Sitzplatzsituation. Sie rechtfertigt die Inanspruchnahme der teureren Klasse nicht. Der Senat misst insbesondere der Möglichkeit zum ungestörten Aktenstudium keine Bedeutung zu.

Zum einen ist beim Studium von Akten oder sonstigen Unterlagen mit - unterstelltermaßen - vertraulichem Inhalt im Flugzeug unter keinen Umständen die Vertraulichkeit gewahrt, denn es ist angesichts der in einem Flugzeug gerichtsbekannt herrschenden Enge auch in der Business Class weder gewährleistet, dass ein anderer Fluggast, der vom Leser durch einen zusätzlichen Sitz getrennt ist, keinen Blick in aufgeschlagene Unterlagen werfen kann, noch kann verhindert werden, dass der hinter dem Leser sitzende Fluggast Einblick in die Unterlagen nimmt.

Zudem ist nach Auffassung des Senats die Reisezeit keine solche, die dem Prozessbevollmächtigten einer Partei auf Kosten der Gegenpartei die Bearbeitung von Akten ermöglichen soll.

In der Sache, in der der Rechtsanwalt die Reise unternimmt, kann er sich vor Antritt der Reise die notwendigen Informationen verschaffen. Soweit dadurch Kosten entstehen, die die Gegenseite zu erstatten hat, sind diese auf andere Weise - etwa durch die anfallenden Gebühren - abgegolten. Dem Rechtsanwalt erst durch eine kostenintensivere besondere Gestaltung der Reise eine zusätzliche Arbeitsmöglichkeit zu verschaffen, würde zu der Erhebung von zusätzlichen Auslagen gerade für seine in anderer Weise abgegoltene Tätigkeit führen, für die eine Grundlage nicht ersichtlich ist. Davon abgesehen ist die bei Inlandsflügen maximal anfallende Flugzeit von ca. 1 Stunde nicht so lang, dass die Zeit für eine Vorbereitung auf anstehende Gerichtstermine unabdingbar genutzt werden müsste.

Soweit der Rechtsanwalt es im Flugzeug unternimmt in anderer Sache zu arbeiten, sich also nicht mit der Sache befasst, in der die Erstattung der Flugkosten begehrt wird, erscheint es von vornherein ausgeschlossen, dass der Prozessgegner solche Kosten erstatten muss, die dem Rechtsanwalt jene Arbeit erst ermöglichen sollen, indem sie ihm eine entsprechend komfortable Reisesituation verschaffen. Solche zusätzlichen Kosten können auf der Hand liegend unter keinen Umständen als im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Kosten in der abgerechneten Sache angesehen werden.

Nach allem steht in der Regel allenfalls die Wahl eines Economy-Fluges im angemessenen Verhältnis zu den Kosten einer Bahnreise. Ob davon in bestimmten Situationen, in denen etwa zu einem kurzfristig angesetzten Termin nur ein Flug in der Business Class zur Verfügung steht, abgewichen werden kann, muss nicht entschieden werden.

b) Die Partei kann indessen nicht mit Erfolg darauf verwiesen werden, ihr Rechtsanwalt hätte zur Kostenreduzierung einen in der Economy Class zumeist angebotenen Basistarif, der eine Umbuchungsmöglichkeit nicht vorsieht, wählen müssen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats müssen die Partei und ihr Rechtsanwalt stets mit einer - auch kurzfristigen - Verlegung eines Gerichtstermins rechnen, weshalb allein ein Flugpreistarif gewählt werden muss und angemessen ist, der die Möglichkeit zur kurzfristigen Umbuchung des Fluges gewährleistet (vgl. den Beschluss des Senats vom 19.09.2008, 4 W 120/08). Das entspricht auch der Möglichkeit zur erst kurzfristigen Beschaffung einer Fahrkarte für die 1. Klasse der deutschen Bahn. Auch hier ist der Rechtsanwalt nicht gehalten, die Reisekosten durch eine langfristige Festlegung auf einen bestimmten Zug zu reduzieren.

Im Streitfall stehen die so berechneten Kosten eines Fluges im Tarif Economy Flex auch im angemessenen Verhältnis zu den Kosten einer Bahnreise 1. Klasse. Die Bedeutung des Rechtsstreits steht mit Blick auf den Streitgegenstand und den festgesetzten Streitwert erkennbar nicht außer Verhältnis zu den Reisekosten. Ein Bagatellfall (siehe BGH aaO.) liegt nicht vor. Die Differenz zwischen den Kosten der Bahnreise und den so ermittelten Kosten der Flugreise ist durch die infolge der Nutzung des Flugzeugs ersparte Reisezeit noch gerechtfertigt.

Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats ist bei der in Kostenfestsetzungsfragen gebotenen typisierten Betrachtungsweise (BGH NJW-RR 2008, 1378 f., [BGH 11.12.2007 - X ZB 21/07] Rz. 8) die Zeitersparnis, die sich für die Strecke von Düsseldorf nach Hamburg und zurück durch die Benutzung des Flugzeuges gegenüber der Benutzung der Bahn erzielen lässt, so erheblich, dass die entstehenden Mehrkosten gerechtfertigt sind. Unter Beachtung der Bedeutung der jeweiligen Sache, in der die Reisekosten entstehen und geltend gemacht werden, kann die Partei und ihr Rechtsanwalt für sich in Anspruch nehmen, nicht mehr Zeit für die notwendige Reise zum Gerichtsort aufbringen zu müssen als nach den Umständen unter Beachtung der Pflicht zum Maßhalten geboten. Mehrkosten für ein schnelleres Reisemittel sind daher nicht von vornherein von der Erstattung ausgeschlossen, wenn die Zusatzkosten in vertretbarem Verhältnis zu dem ersparten Zeitaufwand stehen. So liegt der Fall hier.

2. Die Beklagte kann neben den Kosten der Flugreise mit Erfolg auch die Kosten der Unterbringung erstattet verlangen. Sie sind mit Blick auf den unstreitigen Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten am Tag des Gerichtstermin allein einen Flug um 07.10 Uhr hätte wählen können, um noch hinreichend sicher zum Termin in Hamburg erscheinen zu können, und angesichts der Tatsache, dass die Reise unter diesem Umständen in Düsseldorf noch deutlich vor 06.00 Uhr morgens hätte angetreten werden müssen, notwendig gewesen. Ein derart früher Reisebeginn ist nicht zumutbar (OLG Karlsruhe, NJW-RR 2003, 1654 f. [OLG Karlsruhe 24.07.2003 - 21 W 12/03] unter Hinweis auf § 758a Abs. 4 ZPO). Eine Anreise am Vortag war daher erforderlich. Das bedingt die Kosten der Übernachtung, die nur dem Grunde, zu Recht nicht aber der Höhe nach im Streit stehen. Jene Kosten der Unterbringung sind allein durch den frühen Termin und die daraus folgende Notwendigkeit zur Anreise am Vortag bedingt und stehen in keinen rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhang mit der Frage nach der Angemessenheit der Kosten der Flugreise im Verhältnis zu denen einer Bahnreise. Letztere sind an den oben angeführten Kriterien und Umständen zu bemessen. Die Notwendigkeit der Übernachtungskosten orientiert sich dagegen an der Frage der Zumutbarkeit eines Reisebeginns zur Nachtzeit. Die Partei und ihr Rechtsanwalt sind nicht gehalten, die für notwendig erachteten höheren Flugkosten im Falle zusätzlich notwendig werdender Kosten einer Unterbringung durch besondere Anstrengungen, die dem Rechtsanwalt durch die deutlich längere Bahnfahrt auferlegt würden, wieder zu reduzieren.

3. Dass auf dieser Grundlage auch die Taxikosten in vollem Umfang zu erstatten sind, weil sie zum angemessenen Erreichen des Hotels und des Gerichts erforderlich waren, kann nicht zweifelhaft sein.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt nach § 574 Abs. 1 Nr. 4 ZPO im Hinblick auf die Entscheidungen des KGRVG Report 2006, 113; Saarländisches OLG - 5 W 58/09, Beschl. v. 02.04.2009 (zitiert nach juris).


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