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RVG Entscheidungen

§ 14 – Strafverfahren

Rahmengebühr, Bemessung, angemessene Gebühr, Erstattung Gebühren, Rücknahme Berufung, StA

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Hannover, Beschl. v. 14.06.2011 - 96 Qs 70/11

Leitsatz: 1. Zur angemessenen Bemessung der anwaltlichen Rahmengebühren.
2. Zur Erstattungsfähigkeit/Festsetzung der Verfahrensgebühr für die Berufung (Nr 4124 VV RVG), wenn die Staatsanwaltschaft ihr zu Ungunsten des Angeklagten eingelegtes Rechtsmittel noch vor dessen Begründung zurücknimmt, der Verteidiger aber schon für den Angeklagten tätig geworden ist.


Landgericht Hannover
Hannover, den 14.06.2011
96 Qs 70/11
5261 Js 11586/09 StA Hannover
Beschluss
In der Strafsache
gegen pp.
Verteidiger: Rechtsanwalt Malpricht, Hannover,
wegen Betruges
hat die 19. Strafkammer des Landgerichts Hannover auf die sofortige Beschwerde des Freige-sprochenen gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Hannover vom 20.01.2011 (212 Ds 5261 Js 11586/09) nach Anhörung des Bezirksrevisors bei dem Amtsgericht Hannover am 14.06.2011 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

Gründe:
Die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses rechtfertigen die Entscheidung des Amtsgerichts, und zwar auch unter Berücksichtigung des Beschwerclevorbringens.

Der Bezirksrevisor bei dem Amtsgericht Hannover hat in seiner Stellungnahme vom 04.05.2011 zu der sofortigen Beschwerde Folgendes ausgeführt:

"Für die Bedeutung der Angelegenheit ist dieses Verfahren mit anderen zu vergleichen, die mit demselben Gebührenrahmen abzugelten sind. Die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und die Ver-fahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG gelten für alle Strafverfahren, somit auch für Schwurge-richtsverfahren, in denen lebenslange Haft droht und deren Akten regelmäßig sehr umfangreich sind. Die Gebühren Nr. 4106 und 4108 VV RVG gelten auch für Strafverfahren, in denen Strafen bis zu 4 Jahren Freiheitsstrafe ohne Bewährung drohen. Im Vergleich zu diesen Verfahren war die Bedeutung wegen des Betrugsvorwurfs unterdurchschnittlich bezogen auf die Gebühren Nr. 4100 VV RVG und 4104 VV RVG bzw. knapp durchschnittlich bezogen auf die Gebühren Nr. 4106 VV RVG und 4108 VV RVG; da im Falle einer Verurteilung mit der Verhängung einer Geldstrafe zu rechnen war. Mit der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung war nicht zu rechnen, einschlägige Vorverurteilungen bestehen nicht.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sind als unterdurchschnittlich einzuordnen. Da der vormals Angeklagte persönlich haftender Gesellschafter der in Insolvenz befindlichen Ge-sellschaft ist, haftet dieser mit seinem Einkommen und Vermögen bis auf die pfändungsfreien Beträge für die Verbindlichkeiten der Insolvenzschuldnenn. Nach Einschätzung des Insol-venzverwalters werden die Gläubiger trotz Inanspruchnahme dieser Haftung mit einem Teil der Forderungen Ausfall erleiden (vgl. Bericht des Insolvenzverwalters w. v., Lit. F.I Zi. 4, BI. 63).

Bei der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist zu berücksichtigen, ob es s ich um einen rechtlich einfachen überschaubaren Sachverhalt handelt oder ob erhebliche im Normalfall nicht auftretende Probleme auftauchen, möglicherweise auf entlegenen Spezialgebieten (Gerold Schmidt u.a., 19. Auflage RVG, § 14 Rn 16). Zwar war im vorliegenden Fall die Kenntnis des laufenden Insolvenzverfahrens erforderlich, da der Verteidiger den Mandanten bereit vor Auf-nahme der Tätigkeit zum Strafverfahren im Insolvenzverfahren vertreten hat (vgl. Bericht des Verwalters vom 27.02.09, Lit. B. I, BI. 56 Sonderheft), ist nicht nachvollziehbar, dass sich die aus Anlass des Strafverfahrens notwendige Einarbeitung in dieses noch als besonders schwierig dargestellt hat. Für die Tätigkeit im Insolvenzverfahren hat der Verteidiger einen gesonderten Vergütungsanspruch. Unter Berücksichtigung dieser Zusammenhänge ist im Strafverfahren von durchschnittlicher Schwierigkeit auszugehen.

Die außergerichtliche Tätigkeit des Verteidigers wird hier mit drei Gebühren abgegolten, nämlich der Grundgebühr, der Verfahrensgebühr für die Tätigkeiten im vorgerichtlichen Verfahren und der Verfahrensgebühr vor dem Amtsgericht. Der Verteidiger nahm Akteneinsicht, als der Akteninhalt 77 Blatt betrug (BI. 75). Diese Tätigkeit ist der Grundgebühr zuzu-rechnen, da diese nach der Gesetzesbegründung zu Nr. 4100 VV RVG das erste Gespräch mit dem Mandanten und die Beschaffung der erforderlichen Informationen einschließlich der Akteneinsicht umfasst. Durch die im gesondert abzurechnenden Insolvenzverfahren erfolgte Tätigkeit hat sich die Einarbeitung in das Strafverfahren mit insolvenzrechtlichem Hintergrund nicht als besonders umfangreich dargestellt, denn die Sichtung und Prüfung der aus anderem Auftrag bereits bekannten Unterlagen und Zusammenhänge kann nicht als deutlich vergütu9ngserhöhend berücksichtigt werden. Weitere Akteneinsichten erfolgten nicht, eine Einlassung zur Sache wurde nicht abgegeben. Letzteres ist nach der ständigen Rechtsprechung Bestandteil einer durchschnittlich umfangreichen Tätigkeit. Mit der Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG ist folglich im Wesentlichen noch die Terminsvorbereilung abzugelten. Im Vergleich zu anderen Verfahren ist der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit hinsichtlich Grund- und Verfahrensgebühren als leicht unterdurchschnittlich anzusehen.

Die Hauptverhandlung am 07.07.10 ist mit der Dauer von 32 Minuten und ohne Vernehmung von Zeugen als deutlich unterdurchschnittlich schwierig und umfangreich anzusehen. Die Dauer entscheidet zwar nicht allein über die Gebührenhöhe, sie kann jedoch bei der Gebührenbemessung nicht außer Acht gelassen werden, da der Gebührenrahmen Nr. 4108 VV RVG auch für Verhandlungen gilt, die den ganzen Tag dauern und in denen zahlreiche Zeugen und Sachverständige gehört werden. Nach ständiger Rechtsprechung des LG Hannover sind Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit in der Hauptverhandlung als durchschnittlich anzusehen, wenn diese 1 bis 1 1/2 Stunden dauert und 3 - 4 Zeugen ver-nommen werden (LG Hannover vom 17.05.05, Nds. Rpfl. 2005, 327). Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit in der Hauptverhandlung sind im Vergleich zu anderen Verfahren demnach als deutlich unterdurchschnittlich einzuordnen.

Die Gebühren sind nach den Kriterien des § 14 RVG zu bemessen. Bei unterdurchschnittlicher bzw. knapp durchschnittlicher Bedeutung, unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermö-gensverhältnissen, leicht unterdurchschnittlichem Umfang und durchschnittlicher Schwie-rigkeit (Gebühren Nr. 4100, 4104 und 4106VV RVG) bzw. deutlich unterdurch-schnittlicher Schwierigkeit (Gebühr Nr. 4108 VV RVG) kommen nur maßvoll unterdurch-schnittliche bzw. deutlich unterdurchschnittliche Gebühren in Betracht. Diesen Erwägungen wird der angefochtene Beschluss gerecht. Wollte man bereits hier die Mittelgebühren zubilligen, könnten umfangreiche und rechtlich schwierige Verfahren mit zahlreichen Zeugen und Sachverständigen nicht mehr in den gesetzlichen Gebührenrahmen eingeordnet werden.

Der Gesetzgeber hat für den Wahlverteidiger ausdrücklich weit niedrigere Gebühren zugelassen als für den Pflichtverteidiger, um den Umständen des Einzelfalles gerecht zu werden. Eine Verpflichtung zur Festsetzung der Gebühren i. H. v. Pflichtverteidigergebühren ist nicht Bestandteil des RVG. Ein Vergleich mit den Pflichtverteidigergebühren scheidet schon deshalb aus, weil die Beiordnung gern. § 141 Abs. 1 i. V. m. § 140 Abs. 1, 2 StPO an bestimmte Voraus-setzungen gebunden ist, welche hier nicht erfüllt sind.

Der Antrag auf Erstattung einer Gebühr Nr. 4124 VV RVG ist als zurückgenommen anzusehen. Soweit hieran Zweifel bestehen sollten, so soll lediglich rein vorsorglich insoweit ausgeführt werden, dass, da die Berufung der Staatsanwaltschaft vor Verfassung der Berufsbegründung zurückgenommen wurde, eine Gebühr Nr. 4124 VV RVG nicht als erstattungsfähig anzusehen ist. Hierbei kann dahinstehen, ob die entsprechende Gebühr im vorliegenden Fall entstanden ist oder nicht, auf den Beschluss des LG Bochum vom 10.05.06 (JurBüro 07, 38) wird in diesem Zusammenhang jedoch hingewiesen. Da Tätigkeiten, die zur Entstehung geführt haben können, im vorliegenden Fall nicht notwendig waren und damit nicht erstattungsfähig sind, ist eine Erstattung auch im Falle des Entstehens der Gebühr ausgeschlossen. Erstattungsfähig sind in jedem Fall nur die notwendigen Auslagen, da nur diese von der Auslagenentscheidung erfasst werden. Auslagen für eine zwar zulässige aber nicht notwendige Tätigkeit des gewählten Verteidigers sind im Rahmen eines Freispruches durch die Landeskasse nicht erstattungsfä-hig. Die Befassung mit der unbegründeten Berufung kann lediglich ausschließlich abstrakt erfolgt sein. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Rechtsmittel war in Unkenntnis der Berufungsgründe nicht möglich. Ebenso dürften zuverlässige Prognosen zur Erfolgsaussicht nicht möglich gewesen sein. Die Berufung durch die Staatsanwaltschaft wird - wie hier - häufig zunächst lediglich zum Zwecke der Fristwahrung eingelegt, wobei nach Übersendung der schriftlichen Urteilsbegründung über eine Rücknahme entschieden wird. Bis zur Begründung ist jedwede Tätigkeit des Verteidigers mithin nicht erforderlich. Eine Befassung mit der unbegründeten Berufung ist zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht notwendig, da das zweckentsprechende Interesse des Mandanten darauf gerichtet ist, den Freispruch aufrechtzuerhalten. Durch eine zum Zwecke der Fristwahrung eingelegte, unbegründete Berufung steht zunächst jedoch nicht ernstlich zu befürchten, dass der Freispruch keinen Bestand haben werde. Dem Mandanten können diese Umstände auf Nachfrage mitgeteilt werden, ohne dass hierdurch eine Gebühr ausgelöst würde. Dem vormals Angeklagten steht es frei, seinen Rechtsanwalt dennoch zu weiteren Tätigkeiten oder Erläuterungen aufzufordern, wenn er dabei jedoch nicht notwendige Mehrkosten verursacht, trägt er diese allein."

Dem schließt sich die Kammer nach eigener Sachprüfung in vollem Umfang an.

Nach alledem war die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


Gegen diesen Beschluss ist eine weitere Beschwerde nicht zulässig (§ 310 Abs. 2 StPO).

Einsender: RA Malpricht, Hannover

Anmerkung:


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