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Gericht / Entscheidungsdatum: AG Lemgo; Beschl. v. 16.04.2012 - 25 Ds - 41 Js 1894/08 - 542/09
Leitsatz: Die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG (Befriedungsgebühr) fällt nicht doppelt an, wenn das Ermittlungsverfahren zunächst nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, dann wiederaufgenommen und angeklagt wird, vom Gericht dann aber die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird.
In pp. Die Erinnerung vom 27.10.2011 wird zurückgewiesen. Gründe: I. Die Angeschuldigte war wegen fahrlässiger Körperverletzung bei einem Verkehrsunfall angeklagt. Am 02.09.2008 wurde das Verfahren gegen die Anschuldigte nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil kein Strafantrag gestellt war und ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung nicht ersichtlich war. Nachdem sich der Verletzte als Nebenkläger am 10.09.2008 meldete und ein Unfallrekonstruktionsgutachten in Auftrag gegeben wurde, wurden die Ermittlungen am 09.10.2008 wieder aufgenommen. Unter dem 22.09.2009 klagte die Staatsanwaltschaft Detmold die Angeschuldigte dann vor dem Amtsgericht Lemgo - Strafrichter - an. Mit Beschluss vom 23.11.2010 wurde die Eröffnung der Hauptverhandlung abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt. Mit Schriftsatz vom 29.07.2011 machte der Verteidiger einen (korrigierten) Kostenfestsetzungsanspruch von 1.397,23 geltend. Hierin waren zwei Befriedungsgebühren nach Nr. 4141 VV RVG enthalten. Am 25.10.2011 erging ein Kostenfestsetzungsbeschluss über 1.230,63 . Die Befriedungsgebühr wurde nur einmal in Ansatz gebracht. Hiergegen wandte sich der Verteidiger mit seiner Erinnerung vom 27.10.2011. Er trägt vor, es seien 140,- zzgl. 26,60 USt zu wenig angesetzt worden. Der Verteidiger ist der Ansicht, die Befriedungsgebühr sei zweimal angefallen. Nämlich einmal für die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO (Nr. 4141 (1) Nr. 1 VV RVG) und einmal für die Nichteröffnung des Hauptverfahrens (Nr. 4141 (1) Nr. 2 VV RVG). II. Der Rechtsbehelf des Verteidigers vom 27.10.2011 ist als Erinnerung nach § 11 RPflG zulässig. Zwar ist die Erinnerung ist gem. § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG gegenüber den ordentlichen Rechtsbehelfen subsidiär. Jedoch ist eine sofortige Beschwerde nach den §§ 464b S. 3, 304 Abs. 3, 311 StPO i. V. m. § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO hier unzulässig, da die Mindestbeschwer von 200,- nicht überschritten ist. In diesem Fall ist die Erinnerung nach § 11 RPflG statthaft (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.02.2009, Az.: I-24 W 81/08, 24 W 81/08; LG Berlin, Beschluss vom 08.02.1999, 82 T 81/99). Die Erinnerung ist jedoch unbegründet. Denn die Befriedungsgebühr für die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO (Nr. 4141 (1) Nr. 1 VV RVG) ist nicht entstanden. Nach Nr. 4141 VV RVG entsteht eine zusätzliche Gebühr, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung [ ] die Hauptverhandlung entbehrlich. In der Anmerkung (1) zu der Nummer 4141 werden dann die Fälle aufgeführt, in denen die Gebühr entsteht. Aus dem Wortlaut der Nr. 4141 VV RVG folgt, dass die Nichteröffnung Folge der anwaltlichen Tätigkeit sein muss. Es wird vom Gesetzgeber als ein konkreter Erfolg - nämlich die Entbehrlichkeit der Hauptverhandlung - als Anspruchsvoraussetzung angesehen (LG Bad Kreuznach, Beschluss vom 02.09.2010, Az.: 2 Qs 72/10, zitiert nach juris, Rn. 39). In der Gesetzesbegründung heißt es wörtlich (BT-Drucks. 15/1971, 227 f.): Diese Zusatzgebühr wird - wie schon in der Vergangenheit - den Anreiz, Verfahren ohne Hauptverhandlung zu erledigen, erhöhen und somit zu weniger Hauptverhandlungen führen. Die Vermeidung von Hauptverhandlungen zur Entlastung der Gerichte und die Honorierung der anwaltlichen Tätigkeit, die dazu führte, war also ein Leitmotiv des Gesetzgebers (BGH, Urteil vom 05.11.2009, Az.: IX ZR 237/08, zitiert nach juris, Rn. 10). Dieser Erfolg ist hier nicht eingetreten. Denn die Ermittlungen wurden nach der Einstellung wieder aufgenommen. Die Hauptverhandlung wurde dadurch entbehrlich, dass das Gericht die Eröffnung ablehnte. Hierfür ist dann die Gebühr nach Nr. 4141 (1) Nr. 2 VV RVG entstanden und auch im Beschluss vom 25.10.2011 festgesetzt worden. Der teilweise vertretenen Ansicht, dass die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG mehrfach entstehen kann (LG Offenburg, Beschluss vom 13.10.1998, Az.: Qs 62/98; AG Düsseldorf, Urteil vom 09.02.2010, Az.: 36 C 2114/09), kann nicht gefolgt werden. Denn geht man von der Intention aus, dass Nr. 4141 VV RVG Hauptverhandlungen verhindern soll, so kann dieses Ziel nur einmal pro Verfahren und Instanz erreicht werden. Entweder es findet eine Hauptverhandlung statt oder nicht. Nur im zweiten Falle entsteht die Gebühr. Wollte man an andere Kriterien, wie etwa an Zwischeneinstellungen, anknüpfen, so unterläge die Befriedungsgebühr Kausalitätsspekulationen und Zufällen. Der vorliegende Fall macht dies deutlich. Am 02.09.2011 wurde das Verfahren mangels Strafantrages und öffentlichem Interesse eingestellt. Mit Schreiben vom gleichen Tage (welches am 10.09.2008 bei der Staatsanwaltschaft einging) meldet sich der Nebenkläger. Wäre dieses Schreiben am Tag der Absendung zugegangen, so wäre die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO nicht erfolgt. Auch § 15 Abs. 2 RVG spricht gegen die Möglichkeit einer mehrfachen Gebührenentstehung nach Nr. 4141 VV RVG. Nach § 15 Abs. 2 RVG kann eine Gebühr in derselben Angelegenheit nur einmal gefordert werden. Hier handelte es sich um ein Verfahren, dass unter demselben Aktenzeichen, wegen desselben Lebenssachverhaltes gegen dieselbe Angeschuldigte geführt wurde. Mithin um eine Angelegenheit. Nr. 4141 VV RVG beinhaltet auch eine einheitliche Gebühr. Es handelt sich in den drei Varianten der Anmerkung (1) nicht um verschiedene Gebühren. Denn die Anmerkung (1) ist nur Erläuterung zum Gebührentatbestand. Dass sowohl die Einstellung im Vorverfahren als auch die Nichteröffnung der Hauptverhandlung in Nr. 4141 VV RVG geregelt sind zeigt, dass diese Gebühr sowohl im Vor- als auch im Zwischenverfahren entstehen kann. Aus § 15 Abs. 2 RVG folgt, dass sie nur einmal gefordert werden kann. Die wiederholte Einstellung des Verfahrens macht dieses nicht zu zwei verschiedenen Angelegenheiten im Sinne des RVG (AG Osnabrück, JurBüro 2008, 588). Auch aus der Formulierung nicht nur vorläufig eingestellt der Anmerkung (1) Nr. 1 kann nicht gelesen werden, dass ein endgültiger Einstellungserfolg nicht erforderlich sei (so aber Schneider, DAR 2011, 488 (494)). So spricht etwa die Kommentierung von Kroiß in Mayer/Kroiß, RVG, 5. A., Nr. 4141-4147 VV, Rn. 3 f. durchgängig von einer endgültigen Einstellung. Aus den o.b. Gründen ist dies auch systemkonform und im Einklang mit der oben zitierten BGH-Entscheidung. Auch der BGH ist davon ausgegangen, dass im Hinblick auf die fortdauernde Inanspruchnahme staatlicher Einrichtungen es der Normzweck gebietet, dass eine Befriedungsgebühr nur bei abschließender Verfahrensbeendigung anfällt (Fischer, NJW 2012, 265 (266) zur dortigen Rn. 16).
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