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Gericht / Entscheidungsdatum: AG Riesa, Beschl. v. 27.06.2012 - 002 UR II 00885110
Leitsatz: Ein Rechtsanwalt, der seinen Mandanten berät um die Reaktion in einem Strafverfahren zu be-sprechen, benötigt dazu Ablichtungen aus der Ermittlungsakte. Deshalb besteht auch in Bera-tungshilfesachen Anspruch auf Erstattung der von dem Rechtsanwalt gefertigten Fotokopien aus der Staatskasse.
Geschäftszeichen: Amtsgericht Riesa Beratungshilfe 002 UR II 00885110
Beschluss vom 27.06.2012
In der Beratungshilfesache
XX -Antragstellerin- mit der Beteiligten: Rechtsanwalt Dr. jur. Kay Achtelik, Freiherr- von Stein - Promenade 05, 04758 Oschatz AZ.: 13317/10 Mi/H Auf die Erinnerung vom 20.12.2011 wird die Vergütung von Rechtsanwalt Dr. jur. Kay Achtelik auf 93,65 EUR festgesetzt. Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Außergerichtlicher Kosten werden nicht erstattet. Grün-de: I. Mit Antrag vom 08.12.2010 ersuchte die Antragstellerin um Bewilligung von Beratungshilfe hin-sichtlich des Vorwurfes einer fahrlässigen Körperverletzung. Am 15.04.2011 wurde der Antragstel-lerin Beratungshilfe für die Angelegenheit Vorwurf fahrlässige Körperverletzung/ Strafrecht" durch das Amtsgericht Riesa bewilligt und ein entsprechender Berechtigungsschein erteilt. Das Amtsge-richt wies daraufhin, dass sich die Beratungshilfe in Straf- und Busgeldsachen auf die Beratungstä-tigkeit des Anwaltes beschränkt. Die Antragstellerin hat den Erinnerungsführer mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt. Der Erinnerungsführer beantragte am 27.09.2011 die Festsetzung über eine Vergütung in Höhe von 93,65 EUR. Darin enthalten war eine Dokumentenpauschale für 88 Kopien in Höhe von 30,70 EUR. Mit Beschluss des Amtsgerichtes Riesa vom 14.11.2011 wurde die dem Erinnerungsführer zuzahlende Vergütung auf 57,12 EUR festgesetzt. Begründet wurde dies damit, dass die Bera-tungshilfe in Strafsachen auf Beratung beschränkt sei, § 2 Abs.2 Satz 2 BerHG. Die Anforderung der Strafakte sei als gerechtfertigt anzusehen. Der Verteidigung oder Vertretung über Beratungshilfe nicht abgedeckt sein, könne das Kopieren von 88 Seiten nicht nachvollzogen werden. Es hätte durchaus genügt, nach Durchsicht der Akte wesentliche Punkte zu notieren und daraufhin der Rechtssuchenden einen Rat hinsichtlich ihrer Verteidigung zu geben.
Die Bezirksrevisorin beim Landgericht Dresden wurde vor dem Erlass des Beschlusses des Amts-gerichtes Riesa vom 14. 11. 2011 angehört.
Mit Schreiben vom 15.12.2011 legte der Erinnerungsführer Erinnerung ein. Darin machte der Erin-nerungsführer geltend, dass zur ordnungsgemäßen Beratung des Rechtssuchenden die Ablichtung des Inhaltes der Akten notwendig gewesen sei. Es könne von dem Rechtsanwalt insbesondere nicht verlangt werden, sich in die versandte Akte einzuarbeiten und anschließend ein Gesprächs-termin bei vorliegender Akte mit den Rechtssuchenden zu vereinbaren, um ansonsten notwendige Kopierkosten zu vermeiden. Damit würde das Gericht die Terminsplanung des Rechtsanwalts be-stimmen. Zudem müsste der Rechtsanwalt sodann bei einer späteren Nachfrage die Akte erneut anfordern. Ein weiteres Argument ergebe sich daraus, dass der Rechtsanwalt eine Handakte ge-mäß § 50 BRAO anzulegen habe, die ein geordnetes Bild über die von ihm entfaltete Tätigkeit ge-ben müsse.
Am 25.04.2012 erging durch das Amtsgericht Riesa ein Nichtabhilfebeschluss.
II. Die gemäß § 56 RVG in Verbindung mit § 11 Abs.2 RVG zulässige Erinnerung ist begründet.
Der Anspruch auf Festsetzung der Kopierkosten erfolgt aus § 1 RVG in Verbindung mit Nr. 7000 VV RVG. Gemäß Nr. 7000 Nr.la VV RVG sind Kosten für Ablichtungen aus Behörden- und Ge-richtsakten zu ersetzen, soweit deren Herstellung zur sachgerechten Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Dass unter dem Gesichtspunkt der Rechtswahrnehmungsgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten auch bei der Beratungshilfe grundsätzlich Kopierkosten zu ersetzen sind ergibt sich daraus, dass Bemittelte und Unbemittelte auch bei der Beratungshilfe grundsätzlich gleich zu behandeln sind (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14.0ktober 2008, AZ. 1 BvIZ 2310/06- juris, Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11.05.2009, AZ. 1 13vR 1517/09-juris.). Ein Rechtsanwalt, der seinen Mandanten berät um die Reaktion in einem Strafverfahren zu be-sprechen, benötigt dazu Ablichtungen aus der Ermittlungsakte. Zwar bestünde auch die Möglich-keit, dass der Rechtsanwalt seinen Mandanten zu dem Zeitpunkt in sein Büro bestellt, zu dem die Akte sich bei ihm befindet. Dies würde jedoch dazu führen, dass die Aktenführende Stelle durch die Setzung der Akteneinsichtsfrist über die Möglichkeit einer sachgerechten Beratung entscheiden würde. Das daraus eine Schlechterstellung des unbemittelten Rechtssuchenden entsteht, ergibt sich daraus, dass der Rechtsanwalt gegenüber dem Mandanten Ladungen nicht zwangsweise durchsetzen kann und die aktenführende Stelle in der Regel keine Kenntnis von den terminlichen Verpflichtungen des Mandanten hat, und auf die Kenntnis dieser in diesem Verfahrensabschnitt auch kein Anspruch besteht. Verdeutlicht wird dieses Dilemma, an folgendem Beispiel: Würde die aktenführende Stelle dem Rechtsanwalt Akteneinsicht von drei Tagen gewähren, befände sich der Mandant jedoch im Urlaub, im Krankenhaus oder wäre er aus anderen Gründen nicht erreichbar, wäre eine spätere Beratung nur noch auf Grund von Notizen möglich (vgl. AG Halle, Beschluss vom 08.02.2010 AZ. 103 II 3103/09-juris.).
Weiterhin ist nicht auszuschließen, dass auf Grund der Mandantenbesprechung, der Akteninhalt noch einmal unter einen erneuten Blickwinkel betrachtet werden muss. Auch daraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass dem Rechtsanwalt Kopien der Akte zur Verfügung stehen müssen (vgl. AG Kassel, Beschluss vom 11.11.1987 AZ. 3 AR 138/1987-juris.).
Ein weiterer Grund für das Erfordernis der Aktenkopie ist, dass der Rechtsanwalt gemäß § 50 Abs.1 BRAO durch Handakten ein geordnetes Bild über die von ihm entfaltete Tätigkeit geben können muss.
Letztlich darf auch nicht verkannt werden, dass der Rechtsanwalt gemäß § 1 BRAO ein unabhän-giges Organ der Rechtspflege ist, und es aus diesem Grund nicht Sache der aktenführenden Stelle sein darf, dem Rechtsanwalt durch Bemessung der Akteneinsichtsfrist die Terminierung der rechtsanwaltlichen Geschäfte zu determinieren (vgl. AG Halle, Beschluss vom 08.02.2010 AZ. 103 II 3103/09-juris.).
In der Beratung in einem Strafverfahren ist es auch grundsätzlich erforderlich, dass die gesamte Verfahrensakte kopiert wird. Dies ergibt sich aus den oben stehenden Erwägungen, insbesondere daraus, dass nach der Mandantenbesprechung noch Fragen bestehen bzw. neu auftauchen kön-nen. Dem Rechtsanwalt steht eine Einschätzungsprärogative zu, ob auf einzelne Blätter der Akte ausnahmsweise verzichtet werden kann (vgl. AG Kassel, Beschluss vom 11.11.1987 AZ. 3 AR 138/1987-juris.). Zudem ist zu berücksichtigen, dass in die Akte regelmäßig nur relevante Tatsa-chen aufzunehmen sind.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 56 Abs.2 Satz 2, Satz 3 RVG gebührenfrei. Für eine Erstattung außergerichtlicher Kosten besteht keine Rechtsgrundlage.
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