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RVG Entscheidungen

§ 10

Berechnung, Vergütung, verstorbener Rechtsanwalt

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Schleswig, Urt. v. 19.04.2012 - 11 U 63/11

Leitsatz: Die von dem Prozessbevollmächtigten des Alleinerben einer verstorbenen Rechtsanwältin unterzeichnete Gebührenrechnung genügt den formalen Anforderungen, wenn sich der wesentliche Inhalt der Gebührenrechnung jedenfalls aus einem zur Erläuterung übersandten Vermerk ergibt.


In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 27.03.2012 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:




Tenor:
Die Berufung der Beklagten vom 15.04.2011 gegen das Urteil des Landgerichts Flensburg, Az. 4 O 5/10, vom 17.03.2011 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszugs trägt die Beklagte.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für den zweiten Rechtszug wird auf 12.042,18 € festgesetzt.

Gründe
I. Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die Feststellungen des Landgerichts gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung eines Rechtsanwaltshonorars in Höhe von 12.042,18 € verurteilt und dem Klagantrag damit weitgehend entsprochen. Der Kläger sei als Alleinerbe der verstorbenen Rechtsanwältin Dr. G. aktivlegitimiert. Einer erneuten Bestellung eines Abwicklers für die Rechtsanwaltspraxis der verstorbenen Rechtsanwältin habe es nicht bedurft. Die von den Klägervertretern unterzeichnete Abrechnung vom 24.10.2008 erweise sich als hinreichende Kostenrechnung. Dies gelte jedenfalls dann, wenn der liquidierende Rechtsanwalt nicht mehr in seinem Beruf tätig sei. Die Verantwortung für die inhaltliche Richtigkeit der erstellten Honorarabrechnung könne der Prozessbevollmächtigte ebenso übernehmen wie ein bestellter Abwickler.

Für das steuerrechtliche Einspruchsverfahren vom 20.12.2002 sei von einem Gegenstandswert von 911.097,00 € auszugehen. Es müssten die Werte der verschiedenen Einsprüche gegen die Einkommenssteuerbescheide und Vermögenssteuerbescheide von 1987 bis 1996 addiert werden. Es handele sich gebührenmäßig um eine einheitliche Angelegenheit im Sinne von § 13 Abs. 2 BRAGO. Nebenforderungen hätten außer Ansatz zu bleiben. Der Wert der Nebenforderungen, nämlich der Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten, sei bei der Bemessung des Gegenstandswertes nicht zu berücksichtigen. Der Wert des Einspruchsverfahrens vom 12./19.09.2005 betrage 48.175,01 €. Beide Einspruchsverfahren seien als gesonderte Verfahren zu beurteilen. Dass sich das Einspruchsverfahren vom 12./19.09.2005 auf die Neufestsetzungen des Finanzamts bezogen habe, die auf das Einspruchsverfahren vom 12.12.2002 erfolgt sei, ändere daran nichts. Es handele sich um neue Bescheide, die abermals mit einem Einspruch hätten angegriffen werden müssen. Es liege nicht eine bloße Änderung eines bestehenden Verwaltungsaktes vor.

Die Honorarforderung sei auch nicht verjährt. Die Vergütung des Rechtsanwalts werde fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendigt sei. In Bezug auf den Einspruch gegen die Steuerbescheide für die Jahre 1987 bis 1996, die als einheitliche Angelegenheiten zu behandeln seien, könne eine Erledigung erst mit Erlass der Neufestsetzungen am 17.01.2007 angenommen werden. Gegen diese Bescheide habe die Beklagte keinen neuen Einspruch einlegen lassen. Insoweit sei zu diesem Zeitpunkt die Fälligkeit der Honoraransprüche eingetreten. Einer Honorarabrechnung habe es zur Herbeiführung der Fälligkeit nicht bedurft. Eine Kostenrechnung sei lediglich Voraussetzung für das Einfordern des Honorars, nicht aber für dessen Fälligkeit. Durch die Zustellung des Mahnbescheids am 16.01.2009 sei es zwar nicht zu einer Unterbrechung des Laufs der Verjährung gemäß § 696 Abs. 3 ZPO gekommen. Der Kläger habe nämlich nicht dafür Sorge getragen, dass die Streitsache alsbald nach Erhebung des Widerspruchs durch die Beklagte an das Streitgericht abgegeben worden sei. Die Hemmung des Laufs der Verjährungsfrist habe er aber gerade noch rechtzeitig durch die Anspruchsbegründung am 29.12.2009 beim Mahngericht in Schleswig erreicht, woraufhin die Abgabe an das Streitgericht erfolgt sei.

Die geltend gemachten Honoraransprüche seien auch nicht erfüllt worden. Zwar habe die Beklagte Vorschusszahlungen am 26.05.1999 und 07.06.2002 geleistet, doch ergäben sich aus der Aufstellung der Klägervertreter vom 21.04.2009 weitergehende Honoraransprüche der verstorbenen Rechtsanwältin Dr. G. gegen die Beklagte. Da eine Tilgungsbestimmung von der Beklagten bei Zahlung nicht getroffen worden sei, müssten die Vorschusszahlungen auf die seinerzeit noch bestehenden offenen älteren Forderungen verrechnet werden. Dass diese Forderungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgerechnet gewesen seien, stünde der Verrechnung nicht entgegen, da es für die Fälligkeit der Forderung auf die Erstellung einer Rechnung nicht ankomme.

Die Beklagte verfolgt die Abweisung der Klage auch in zweiter Instanz weiter. Sie wiederholt ihre bereits erstinstanzlich dargelegten Argumente gegen die Schlüssigkeit der Klage:

- Es fehle bereits an einer unterzeichneten Rechnung des Abwicklers für die Kanzlei der verstorbenen Rechtsanwältin Dr. G.. Die von den Klägervertretern unterzeichnete Abrechnung vom 24.10.2008 stelle keine hinreichende Kostenrechnung dar. Sie enthalte nicht alle gemäß § 18 BRAGO erforderlichen Elemente. Zudem reiche die Unterzeichnung durch ein Mitglied der Kanzlei K. nicht aus. Auf die Bestellung eines Abwicklers gemäß § 53 BRAO könne nicht verzichtet werden. Immerhin habe dieser gegenüber den Prozessbevollmächtigten einen relevanten Erkenntnisvorsprung, da ihm sämtliche Unterlagen aus der Rechtsanwaltspraxis bei der Prüfung zur Verfügung stünden.

- Die geltend gemachten Vergütungsansprüche seien verjährt. Zu Unrecht habe das Landgericht die Einspruchsverfahren zu den Einkommens- und Vermögenssteuerbescheiden von 1987 bis 1996 als eine einheitliche Angelegenheit behandelt, die mit der letzten Abhilfeentscheidung des Finanzamts Husum durch die neuen Einkommens- und Vermögenssteuerbescheide für die Jahre 1991, 1994 und 1995 am 17.01.2007 erledigt worden seien. Die gleichzeitige Anfechtung mehrerer Steuerbescheide führe gebührenmäßig nicht immer zu einer einheitlichen Angelegenheit. Die Entscheidung darüber, ob eine einheitliche Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne vorliege, hänge davon ab, ob zwischen den verschiedenen Gegenständen ein innerer Zusammenhang bestehe und der Prozessvertreter einen einheitlichen Tätigkeitsrahmen wahre. Dieser erforderliche innere Zusammenhang habe anders als in der vom Landgericht zitierten Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf vom 15.10.2009 (EFG 2010, 161) vorliegend gerade nicht bestanden. Jeder Steuerbescheid bilde vorliegend einen eigenen Sachverhalt. Jeder Steuerbescheid habe deshalb gesondert bearbeitet werden müssen. Ein innerer Zusammenhang sei von dem Kläger auch nicht dargetan worden. Infolgedessen seien sämtliche Gebührenansprüche des Klägers für die Behandlung der Bescheide, die unter dem 17.08.2005 ergangen und nicht mehr angegriffen worden seien, also zu diesem Zeitpunkt bereits abzurechnen gewesen wären, verjährt. Dies betreffe nicht nur die Steuerbescheide, auf die sich der Einspruch vom 12.09.2005 bezogen habe, nämlich Einkommenssteuerbescheide von 1991 und 1992 sowie 1994 und Vermögenssteuerbescheide vom 17.08.2005 für die Jahre 1993 und 1994. Dafür lägen ordnungsgemäße Abrechnungen aber nicht vor. Auch insoweit werde deshalb die Einrede der Verjährung erhoben.

- Die mit der Klage geltend gemachten Honoraransprüche seien durch die Vorschusszahlungen der Beklagten in Höhe von 9.860,00 DM und 6.090,00 € erfüllt. Eine Verrechnung sei vom Kläger nicht vorgenommen worden. Die Bezugnahme des Landgerichts auf die Aufstellung der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 21.04.2009 (Anlage K4) belege entgegen der Auffassung der ersten Instanz, dass eine Verrechnung von Seiten des Klägers gerade nicht stattgefunden habe. Diese angeblichen weiteren Honoraransprüche seien nicht ordnungsgemäß abgerechnet worden, sodass in keiner Weise nachvollziehbar sei, welche der beiden Vorschusszahlungen auf welche konkrete Abrechnung verrechnet werden solle. Allein der Hinweis auf etwaige weitergehende Honoraransprüche aus der Vergangenheit genüge nicht. Die Beklagte habe einen Anspruch auf eine ordnungsgemäße Abrechnung.

- Das Landgericht sei davon ausgegangen, das zwei Einspruchsverfahren abrechenbar seien. Dies treffe nicht zu. Auf das erstinstanzliche Vorbringen werde Bezug genommen. Im Übrigen könne es nur eine Gebühr aus VV 2301 geben, auch bei mehreren Einsprüchen. Demgegenüber mache der Kläger bei einem Gegenstandswert von 61.251,77 € jedoch eine Geschäftsgebühr von 2,5 geltend nach VV 2400. Dies sei fehlerhaft, weil er wohl nicht VV 2400, sondern VV 2300 meinen dürfe. VV 2300 finde auf den vorliegenden Sachverhalt jedoch gar keine Anwendung.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Flensburg zum Aktenzeichen 4 O 5/10 vom 17.03.2011 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil. Er führt ergänzend aus:

- Die Abrechnung entspreche den Vorgaben des § 118 BRAGO. Sie sei der Beklagten mit Schreiben vom 21.04.2009 (Anlage K4) übermittelt worden. Der Anlage K23 seien sämtliche auch von der Beklagten geforderten Berechnungsgrundlagen zu entnehmen.

- Der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Klägers seien sämtliche Prozessakten der verstorbenen Rechtsanwältin Dr. G. übergeben worden. Ein Abwickler könne in keine anderen Unterlagen ergänzend Einsicht nehmen.

- Die Forderung des Klägers sei auch nicht verjährt. Das Landgericht habe von seinem Beurteilungsspielraum Gebrauch gemacht und eine einheitliche gebührenrechtliche Angelegenheit angenommen. Die Beklagte habe keinerlei Anhaltspunkte dargelegt, weshalb das Landgericht seinen Beurteilungsspielraum verletzt haben könnte. Im Übrigen sei ein einheitlicher Vorgang gegeben. Es liege dem Einspruch ein einheitlicher Auftrag zugrunde. Zudem habe die verstorbene Rechtsanwältin Dr. G. übergeordnete und alle Bescheide betreffende Argumente formuliert.

- Die Bedenken der Beklagten gegen die Verrechnung der Vorschusszahlungen griffen nicht durch. Der Beklagten sei bereits mit anwaltlichem Schreiben vom 24.10.2008 mitgeteilt worden, in welcher Höhe sie Zahlungen geleistet habe und dass diese nicht ausreichen würden, um den gesamten Honoraranspruch der verstorbenen Rechtsanwältin abzudecken.

II. Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur Entrichtung des geforderten Honorars in der zugesprochenen Höhe verurteilt. Dem Kläger als Alleinerben der verstorbenen Rechtsanwältin Dr. G. steht dieser Betrag zu.

1. Die Gebührenforderung kann gegenüber der Beklagten aufgrund der erfolgten Abrechnung geltend gemacht werden.

a) Die als Anlage K1 (25 GA) vorgelegte Honorarabrechnung der Rechtsanwälte K. für den Kläger als Alleinerben der verstorbenen Rechtsanwältin Dr. G. genügt den Anforderungen der § 18 Abs. 2 BRAGO und § 10 Abs. 2 RVG zwar nicht. Doch sind die erforderlichen Angaben einem Vermerk der Prozessbevollmächtigten vom 21.04.2009 (Anlage K23, 267 GA), der der Beklagten mit Schreiben vom gleichen Tage übersandt wurde, zu entnehmen. In der Gesamtschau wird den Anforderungen des § 18 Abs. 2 BRAGO bzw. § 10 Abs. 2 RVG auf diese Weise genügt.

Nach § 18 Abs. 2 BRAGO bzw. § 10 Abs. 2 RVG sind in einer zur Geltendmachung eines Rechtsanwaltshonorars mitgeteilten Berechnung die Beträge der einzelnen Gebühren und Auslagen, Vorschüsse, eine kurze Bezeichnung des jeweiligen Gebührentatbestands, die Bezeichnung der Auslagen sowie die angewandten Kostenvorschriften und bei Gebühren, die nach dem Gegenstandswert berechnet sind, auch dieser anzugeben. Diesen Anforderungen wird das Schreiben vom 24.10.2008 nicht gerecht. Es mangelt bereits an der Bezeichnung der angewandten Kostenvorschriften. Diese Angaben ergeben sich jedoch aus dem Vermerk vom 21.04.2009.

Gegenstand des Rechtsstreits sind die für die Einsprüche im Veranlagungsverfahren geltend gemachten Honorarforderungen. Dem Schreiben vom 24.10.2008 ist u.a. zu entnehmen, dass eine Rechtsanwaltsvergütung für zwei Einsprüche im Veranlagungsverfahren abgerechnet wird. Für den Einspruch vom 20.12.2002 werden bezogen auf einen Gegenstandswert von 1.061.598,65 € eine Geschäfts- und eine Besprechungsgebühr sowie die Kostenpauschale nach BRAGO mit 9.759,08 €, nämlich 8.413,00 € zzgl. 16% USt i.H.v. 1.346,08 €, geltend gemacht. Ausweislich des Vermerks vom 24.04.2009 (Anlage K23, 275 GA) werden gemäß § 118 BRAGO eine 7,5/10 Besprechungs- und eine 10/10 Geschäftsgebühr sowie nach § 26 BRAGO eine Kostenpauschale von 20,00 € abgerechnet. Hinsichtlich des Einspruchs vom 12.09.2005 wird in der Abrechnung vom 24.10.2008 ein Rechtsanwaltshonorar von 2.125,25 € zuzgl. 16% USt, mithin 2.465,29 € incl. 140,00 € Auslagen für eine Taxifahrt geltend gemacht. Ausweislich des Vermerks vom 24.04.2009 handelt es sich hierbei um eine 10/10 Geschäfts- und eine 7,5/10 Besprechungsgebühr gemäß § 40 StBGebV i.V.m. § 35 RVG zuzüglich 20,00 € Kostenpausschale gemäß § 16 StBGebV i.V.m. § 35 RVG und Taxikosten für eine Fahrt der Rechtsanwältin Dr. G. zu einer Besprechung nach H. in Höhe von insgesamt 140,00 €.

Aufgrund der ergänzenden Angaben in dem Vermerk vom 24.04.2009 wird dem Regelungszweck der § 18 BRAGO und § 10 RVG genügt. Die Bestimmungen sollen lediglich eine Überprüfbarkeit der Rechnungen durch den zahlungspflichtigen Mandanten sicherstellen. Es ist jedenfalls bei der Inanspruchnahme der Klägerin, die selbst Rechtsanwältin ist, nicht zu beanstanden, dass sich die maßgebenden Detailinformationen erst aus dem zur Erläuterung übersandten Vermerk ergeben. Immerhin ist ein Rechtsanwalt auch berechtigt, eine unrichtige Berechnung nachträglich zu korrigieren (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert-Madert, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 15. Auflage 2002, § 18, Rz. 12). Hieraus folgt, dass er auch berechtigt ist, seine korrekte Gebührennote nachträglich zu erläutern. Überdies wird es im Schrifttum für ausreichend gehalten, wenn sich einzelne der erforderlichen Angaben aus einem Begleitschreiben ergeben (Schneider/Wolf-Schneider, Anwaltskommentar RVG, 6. Auflage 2012, § 10, Rz. 72). Die formalen Anforderungen an die Rechnungslegung durch Rechtsanwälte sind nicht zu überhöhen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es dem Kläger bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung möglich gewesen wäre, auf einen entsprechenden Hinweis eine Abrechnung vorzulegen, in der sämtliche erforderliche Angaben hätten zusammengefasst werden können. Die schlüssige Darlegung des Klageanspruchs kann während des Rechtsstreits nachgeholt werden (vgl. BGH NJW 1998, 3486 [BGH 02.07.1998 - IX ZR 63/97] [3488]). Entscheidend ist, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz der Anspruch einforderbar ist (BGH aaO.).

b) Die Abrechnung der rechtsanwaltlichen Tätigkeit der verstorbenen Rechtsanwältin Dr. G. vom 24.10.2008 (Anlage K1, 25 GA) ist von Rechtsanwalt K., einem Rechtsanwalt aus der Partnerschaft der Prozessbevollmächtigten des Klägers, unterzeichnet worden. Hiermit wird den Anforderungen der § 18 Abs. 1 BRAGO bzw. § 10 Abs. 1 RVG genügt.

Die vorstehend zitierten Regelungen fordern als zwingende Voraussetzung zur Geltendmachung einer Gebührenforderung die Unterschrift des Rechtsanwalts. Mit der Unterschrift übernimmt der Rechtsanwalt die strafrechtliche (§ 352 StGB), zivilrechtliche und auch berufsrechtliche Verantwortung für den Inhalt der Berechnung (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert-Madert, aaO., Rz. 6; Riedel/Sußbauer-Fraunholz, Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung, 8. Auflage 2000, § 18, Rz. 10; Schneider/Wolf-Schneider, aaO., Rz. 48; Schneider AnwBl. 2004, 510 [511]). Zu Recht wird die Unterzeichnung durch den Rechtsanwalt deshalb nicht als wertloser Formalakt aufgefasst (Riedel/Sußbauer-Fraunholz, aaO.). Gleichwohl sind in der Rechtsprechung verschiedene Konstellationen bereits behandelt worden, in denen die Anforderungen an eine eigenhändige Unterschrift durch den abrechnenden Rechtsanwalt aufgelockert wurden. Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 02.07.1998 zwar noch offen gelassen, ob eine § 18 BRAGO entsprechende Mitteilung der Berechnung vorgenommen worden ist, wenn die von einem anderen Rechtsanwalt unterzeichnete Klageschrift auf die beigefügte "vorläufige" Kostenrechnung Bezug nimmt (BGH vom 02.07.1998, IX ZR 63/97, Rz. 37 bei Juris), doch lässt sich aus anderen Entscheidungen entnehmen, dass die Unterzeichnung durch einen Prozessbevollmächtigten des Rechtsanwalts jedenfalls dann als ausreichend angesehen wird, wenn der Rechtsanwalt nicht mehr in seinem Beruf tätig werden darf (OLG Düsseldorf MDR 2000, 360, Rz. 20 bei Juris). Diese Rechtsprechung ist auf die vorliegende Fallkonstellation zu übertragen. Die seinerzeit tätige, inzwischen verstorbene, Rechtsanwältin Dr. G. ist ebenfalls nicht mehr in der Lage, die Gebührenrechnung zu unterzeichnen. Der Zweck der Unterzeichnung der Gebührenrechnung, nämlich die Übernahme der inhaltlichen Verantwortung, erfordert es nicht, dass nur zum Zwecke der Unterzeichnung der bereits erstellten Gebührenrechnung ein Abwickler für die bereits aufgelöste Rechtsanwaltskanzlei der verstorbenen Rechtsanwältin Dr. G. gemäß § 53 BRAO bestellt wird. Vielmehr reicht es zur Übernahme der strafrechtlichen, zivilrechtlichen und standesrechtlichen Verantwortung für die Rechnung aus, wenn der Prozessbevollmächtigte des Rechtsnachfolgers der verstorbenen Rechtsanwältin die Gebührenrechnung nicht nur erarbeitet, sondern auch unterschreibt.

Dem steht auch nicht entgegen, dass der Vermerk der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 21.04.2009, aus dem sich die maßgebenden Angaben im Sinne von § 18 Abs. 2 BRAGO/§ 10 Abs. 2 RVG ergeben, nicht von den Prozessbevollmächtigten unterschrieben wurde. Zwar geht die Kommentierung von Fraunholz (Riedel/Sußbauer, aaO., Rz. 10) davon aus, dass der von § 18 Abs. 2 BRAGO geforderte Inhalt der Berechnung durch die Unterschrift des Rechtsanwalts gedeckt sein müsse. Zur Sicherstellung der Übernahme der strafrechtlichen, zivilrechtlichen und standesrechtlichen Verantwortung reicht es jedoch aus, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers in ihrem die Abrechnung erläuternden von ihnen unterzeichneten Schreiben vom 21.04.2009 (Anlage K4, 30 GA) den Vermerk vom gleichen Tage ausdrücklich in Bezug nahmen sowie zudem sämtliche Unterlagen in dem anhängigen Rechtsstreit vorlegten und ebenfalls mit ihren unterzeichneten Schriftsätzen hierauf verwiesen. Bereits das Oberlandesgericht Hamburg hat es für ausreichend gehalten, wenn sich nicht aus der Gebührennote selbst, sondern aus einem vom Anwalt unterzeichneten Begleitschreiben ergibt, dass dieser die Verantwortung für die Kostenrechnung übernehmen will (OLG Hamburg AnwBl. 1970, 233 [234]). Entsprechend hat auch das OLG München in einem Fall entschieden, in dem ein Rechtsanwalt in seinem Begleitschreiben lediglich die Gebührenhöhe angab und im Übrigen auf ein von einem Fachmann zur BRAGO erstellten Gutachten Bezug nahm (OLG München MDR 1962, 63 [64]). Im Honorarprozess wird es darüber hinausgehend für ausreichend gehalten, wenn einem von dem Anwalt unterzeichneten Schriftsatz eine Kopie der Kostenrechnung als Anlage beigefügt wird und der Anwalt in seinem Schriftsatz auf diese Abrechnung Bezug nimmt, wenn der Beklagte eine unterzeichnete oder beglaubigte Ausfertigung des Schriftsatzes nebst Anlage erhält (OLG Brandenburg AnwBl 2001, 306; Schneider/Wolf-Schneider, aaO., Rz. 79). Das Oberlandesgericht Düsseldorf lässt überdies die einem Schriftsatz beigefügte Rechnungskopie ausreichen, wenn nicht der abrechnende Anwalt selbst seinen Honorarprozess führt, sondern er einen anderen Anwalt mit der Prozessführung beauftragt und dieser den Schriftsatz unterzeichnet (OLG Düsseldorf MDR 2000, 360, Rz. 20 bei Juris).

2. Die von der verstorbenen Rechtsanwältin Dr. G. für die Beklagte eingelegten Einsprüche vom 20.12.2002 und 12.09.2005 waren separat abzurechnen. Die auf den Einspruch vom 20.12.2002 erfolgten Änderungen der angegriffenen Bescheide sind entgegen der auf § 365 Abs. 3 AO gestützten Auffassung der Beklagten nicht lediglich an die Stelle der ursprünglichen Verwaltungsakte getreten, so dass der ursprüngliche Einspruch fortgewirkte und nur ein Einspruch abgerechnet werden durfte. Unabhängig von der Frage, ob § 365 Abs. 3 AO überhaupt eine Aussage zu der Abrechenbarkeit einer anwaltlichen Tätigkeit entnommen werden kann, folgt aus dieser Bestimmung nicht, dass die beiden Einspruchsverfahren vom 12.12.2002 und 12./19.09.2005 nicht als gesonderte Verfahren zu beurteilen und abzurechnen sind. Die Regelung des § 365 Abs. 3 S. 1 AO ist vielmehr auf die Fälle beschränkt, die in § 365 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 AO beschrieben sind, mithin ein neuer Verwaltungsakt an die Stelle eines unwirksamen Verwaltungsaktes tritt (Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler § 365 AO, Rz. 180). Demzufolge ist die Schlussfolgerung des Landgerichts aus der Kommentierung bei Klein-Brockmeyer zu § 365 AO nicht zu beanstanden. Auf die Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen. Ergänzend ist festzuhalten, dass dieses Verständnis dem Zweck der Regelung des § 365 Abs. 3 AO entspricht, wonach lediglich sichergestellt werden soll, dass der Einspruchsführer in der beschriebenen Fallkonstellation nicht aus dem Einspruchsverfahren hinaus gedrängt werden soll, der Steuerpflichtige gegen den neuen Verwaltungsakt mithin abermals Einspruch einlegen muss.

Die umfängliche Überprüfung des im Abhilfeverfahren mit entsprechender Rechtsbehelfsbelehrung ergangenen neuen Steuerbescheids durch den beauftragten Rechtsanwalt sowie die Einlegung eines Einspruchs gegen den neuen Steuerbescheid stellt demgegenüber eine neue abrechenbare Tätigkeit des Rechtsanwalts dar. Das ursprüngliche Einspruchsverfahren war abgeschlossen. Mit dem Einspruch vom 12.09.2005 begann ein neues hiervon losgelöstes Verwaltungsverfahren, das seinerseits in ein gerichtliches Verfahren münden konnte.

Aus dem gleichen Grunde kann der Kläger hinsichtlich der Tätigkeit der verstorbenen Rechtsanwältin Dr. G. in dem Einspruchsverfahren vom 12.09.2005 die Geschäftsgebühr nach VV Nr. 2300 geltend machen und nicht lediglich nach VV 2301 abrechnen. Es handelt sich nicht lediglich um die Fortführung des Einspruchsverfahrens vom 20.12.2002. Vielmehr ist ein neuer Verwaltungsakt ergangen, der erneut Gegenstand einer rechtsanwaltlichen Überprüfung wurde.

3. Die Forderung des Klägers ist durch die beiden Vorschusszahlungen der Beklagten auf die Vorschussrechnung vom 26.05.1999 (Anlage B1, 249 GA) und die als Abschlagszahlung bezeichnete Rechnung vom 07.06.2002 (Anlage B2, 250 GA) nicht durch Erfüllung erloschen. Die Zahlungen der Beklagten auf diese Rechnungen erfolgten im Juni 1999 bzw. Juni 2002. Die Tätigkeit der verstorbenen Rechtsanwältin Dr. G. hinsichtlich der gegenständlichen abgerechneten Einspruchsverfahren begann indes erst mit der Einspruchseinlegung gegen die im Zuge des Selbstanzeigeverfahrens erlassenen Verwaltungsakte im Dezember 2002. Die Zahlungen der Beklagten können mithin zu dem Gegenstand dieses Rechtsstreits keinen Bezug haben. Etwas anderes ergibt sich aus dem Sachvortrag der insoweit darlegungsbelasteten Beklagten nicht. Infolgedessen war es auch nicht erforderlich, dass der Kläger über die Vorschüsse in der Abrechnung vom 24.10.2008 (Anlage K1, 25 GA) gemäß § 18 Abs. 2 BRAGO bzw. § 10 Abs. 2 RVG abrechnete.

4. Die Forderung des Klägers ist auch nicht verjährt. Der Einspruch gegen die Einkommen- und Vermögenssteuerbescheide von 1987 bis 1996 ist eine Angelegenheit, die entsprechend abzurechnen war. Die entsprechenden Feststellung des Landgerichts binden den Senat gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der landgerichtlichen Feststellungen ist von der Beklagten nicht dargetan worden.

Die Zusammenfassung der verschiedenen Steuerbescheide als eine Angelegenheit war geboten, da die maßgebenden Angriffe gegen die entsprechenden Steuerfestsetzungen in allen Verfahren gleich waren. Anlass für die verschiedenen Neufestsetzungen durch die Finanzverwaltung war das Selbstanzeigeverfahren der Beklagten. Die in der Folge geänderten Steuerfestsetzungen basierten hierauf. Zu Recht hat das Landgericht den erforderlichen inneren Zusammenhang bejaht (vgl. FG Düsseldorf, EFG 2010, 161, Rz. 14 ff. bei juris). Die gebührenrechtliche Zusammenfassung der verschiedenen Steuerfestsetzungen als eine Angelegenheit entspricht im Übrigen auch dem Interesse der Beklagten. Hierdurch kommt ihr die Gebührenprogression zugute. Andernfalls wäre jeder Einspruch isoliert abzurechnen gewesen, wodurch in der Summe ein höherer Gebührenanfall zu verzeichnen gewesen wäre.

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Hiernach ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es war lediglich einzelfallbezogen zu entscheiden, ob die Beklagte die Tätigkeit der von ihr beauftragten Rechtanwältin Dr. G. zu vergüten hat und diese Tätigkeit ordnungsgemäß abgerechnet wurde. Hierzu ist der Senat nicht von der Rechtsprechung anderer Obergerichte abgewichen, so dass eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist.

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