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RVG Entscheidungen

§ 51

Pauschgebühr, Bemessung, Schwierigkeit, Umfang

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Rostock, Beschl. v. 07.01.203 - I Ws 308/12 (RVG)

Leitsatz: Zur Bemessung einer Pauschgebühr für den Pflichtverteidiger


Oberlandesgericht Rostock
- Strafsenat -
Geschäftsnummer Ausfertigung

I Ws 308/12 (RVG)
In der Strafsache

BESCHLUSS
gegen pp.
Pflichtverteidiger Rechtsanwalt Henry Euba in Stralsund
hier: Antrag des Pflichtverteidigers auf Festsetzung einer Pauschvergütung
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht
nach Anhörung des Vertreters der Staatskasse und des Antragstellers
am 7. Januar 2013 beschlossen:

Dem Pflichtverteidiger wird für seine Tätigkeit in dieser Sache eine Pauschvergütung in Höhe von 1.000,00 € (eintausend Euro) bewilligt.

Gründe:
Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist in Strafsachen dem gerichtlich bestellten Verteidiger für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte auf Antrag eine Pauschvergütung zu gewähren, die über die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis hinausgeht, wenn die - hier - in Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar sind. So ist es - entgegen der Ansicht des Vertreters der Staatskasse - hier.

Der Antragsteller war für den Beschuldigten vom Tag seiner Festnahme an (07.05.2009) zunächst als Wahl- und mit seiner Bestellung am 05.06.2009 bis zu Eröffnung des Hauptverfahrens am 09.10.2009 als Pflichtverteidiger tätig.

Das Verfahren hatte einen besonderen Umfang. Der Antragsteller hatte sich in der Zeit seiner Beiordnung nicht nur in die aus zwei Bänden mit etwas mehr als 300 Blatt bestehenden Akten des ursprünglich getrennt gegen seinen Mandanten geführten Ermittlungsverfahrens, sondern auch in die ihm auf Antrag überlassenen umfangreichen Sachakten der Verfahren gegen die späteren Mitangeklagten X. und Y. einzuarbeiten, die bis zur Anklageerhebung aus sechs Bänden mit insgesamt 833 Blatt (X.) bzw. aus drei Bänden mit 380 Blatt (Y.) bestanden. Darin befanden sich weitere Anklageschriften gegen mehrere gesondert verfolgte Beschuldigte aus demselben Tatkomplex, die wegen des Vorwurfs der bandenmäßigen Begehungsweise ebenfalls in die Bearbeitung und Bewertung der Sache einbezogen werden mussten. Insgesamt war damit vom Antragsteller ein überdurchschnittlich umfangreiches Aktenkonvolut zu sichten und auszuwerten, um auf dieser Grundlage die weitere Verteidigung vorzubereiten und mit dem inhaftierten Mandanten besprechen zu können

Das Verfahren wies auch besondere Schwierigkeiten auf; weil die Hauptbeschuldigten des Gesamtkomplexes, darunter auch der Mandant, sich nicht zur Sache eingelassen und die Beweisführung vornehmlich auf den Angaben verschiedener Abnehmer und Weiterverkäufer der Betäubungsmittel beruhten, gegen die ihrerseits in verschiedenen Verfahren ermittelt und verhandelt worden war. Die Ergebnisse dieser Verfahren mussten ebenfalls zusammengeführt werden. Hinzu kamen umfangreiche Protokolle aus TKÜ-Maßnahmen.

Bereits dies rechtfertigt vorliegend die Bewilligung der Pauschvergütung, die in der tenorierten Höhe angesichts dessen, dass der Verteidiger bereits vor Beginn der Hauptverhandlung entpflichtet und er zuvor keine Einlassung zur Anklage oder sonst zur Sache abgegeben hatte, auch unter dem Aspekt der "Zumutbarkeit" als angemessen und ausreichend erscheint.

Keine Berücksichtigung bei der Festsetzung der Höhe der Pauschvergütung konnten hingegen die Teilnahme des Antragstellers am Termin zur Eröffnung des Haftbefehls gegen seinen Mandanten sowie die Anzahl und Dauer der Besuche in den Haftanstalten einschließlich Reisezeiten finden. Insoweit ist die Tätigkeit durch die dafür vorgesehenen gesetzlichen Gebühren und die Reise- und Abwesenheitspauschalen angemessen ausgeglichen. Diese sind auch nicht unzumutbar niedrig. Die vom Antragsteller in seiner Erwiderung vom 12.12.2012 zitierte Rechtsprechung geht überwiegend auf Zeiten vor Inkrafttreten des RVG mit seinen im Vergleich zur BRAGO deutlich erhöhten Gebühren und Auslagenpauschalen zurück und kann deshalb - anders als früher unter der Geltung von § 99 BRAGO - bei der Bemessung der Pauschvergütung grundsätzlich nicht mehr als Argumentationshilfe herangezogen werden (vgl. Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl. § 51 Rdz. 1 m.w.N.). Gleiches gilt für die umfangreichen Ausführungen des Antragstellers zur durchschnittlichen Kosten- und Einkommenssituation der Anwaltschaft (vgl. Burhoff a.a.O. Rdz. 2, 32 ff. m.w.N.). Die Pauschvergütung hat nicht den Zweck, dem Rechtsanwalt ein bestimmtes Einkommen (Gewinn) zu sichern, sondern soll lediglich verhindern, dass er ein "Sonderopfer" (Verlust) erleidet.

Soweit die Tätigkeit des Antragstellers auch darin bestanden hat, "Kontakt zu den Eltern des damaligen Angeklagten" zu halten und deren Besuche sowie die weiterer Verwandter "zu organisieren", fällt dies nicht in den originären Aufgabenbereich des Pflichtverteidigers und muss deshalb auch bei der Prüfung der Angemessenheit der Regelvergütung außer Ansatz bleiben.

Auch die Beschwerde gegen die Rückverlegung des Mandanten von der JVA Neustrelitz in die JVA Neubrandenburg kann keine Berücksichtigung finden. Insoweit ist - was die zuständige Kostenbeamtin des LG Stralsund seinerzeit bei der Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag übersehen hat - nicht einmal die geltend gemachte Gebühr nach Nr. 4302 VV RVG angefallen (vgl. Vorb. 4.3 Abs. 1 VV RVG), weil der Antragsteller bereits als "Vollverteidiger" bestellt bzw. mandatiert worden war. Gleiches gilt für die spätere Beschwerde gegen die Entpflichtung.

Soweit zur Begründung des Pauschvergütungsantrags auch diverse Auslagen aufgeführt werden, können diese ohnehin nicht Gegenstand der Entscheidung sein, weil die Pauschvergütung ausschließlich an die Stelle der gesetzlichen Gebühren tritt, während über die Auslagen und die Mehrwertsteuer gesondert zu entscheiden ist.

Die Pauschvergütung tritt an die Stelle der Regelgebühren. Über Auslagen und Mehrwertsteuer ist im ordentlichen Festsetzungsverfahren zu entscheiden. Bereits erstattete Beträge sind anzurechnen.


Einsender: RA H.Euba, Stralsund

Anmerkung:


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