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Gericht / Entscheidungsdatum: LG Karlsruhe, Beschl. v. 26.02.2013 - 3 Qs 6/13 Ko
Leitsatz: Im selbständigen Verfallsverfahren entstehen im Bußgeldverfahren für den Vertreter des Verfallsbeteiligten die Gebühren wie die eines Verteidigers des Betroffenen Es entsteht nicht nur die Gebühr Nr. 5116 VV RVG.
Geschäftsnummer: 3 Qs 6/13 KO Landgericht Karlsruhe Strafkammer 3 Beschluss vom 26. Februar 2013 Bußgeldverfahren gegen Verteidiger: RA Volker Benzinger, 74321 Bietigheim-Bissingen wegen Ordnungswidrigkeit hier: sofortige Beschwerde gegen Kostenfestsetzungsbeschluss Auf die sofortige Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 7. Januar 2013 aufgehoben, 2. Die Sache wird zur neuen Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer an das Amtsgericht Karlsruhe zurückverwiesen.
Gründ I. Am 09 11.2009 erging gegen die Firma X. GmbH & Co KG eine Verfallsanordnung des Regierungspräsidiums Karlsruhe, da ihre Verantwortlichen ohne die erforderlichen Erlaubnisse Fahrten mit Arbeitsmaschinen durchgeführt und hierdurch andernfalls angefallene Gebühren erspart hätten.
Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer der Komplementärin der Verfallsbeteiligten wurde durch Verfügung der Staatsanwaltschaft Heilbronn vom 10.03.2010 gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Nachdem gegen die Verfallsanordnung Einspruch eingelegt worden war, wurde gegen die Firma X GmbH & Co, KG durch Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 21 09.2010 ein Verfallsbetrag von 3 500,00 EUR festgesetzte Auf die Rechtsbeschwerde der Verfallsbeteiligten wurde das Verfahren durch Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 30.06.2011 wegen Verfolgungsverjährung eingestellt.
Die Verfallsbeteiligte, die im Verwaltungs-, Gerichts- und Rechtsbeschwerdeverfahren von Rechtsanwalt Volker Benzinger aus Bietigheim-Bissingen vertreten worden war, machte mit Antrag vom 30 10,2010 Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühren sowie Auslagenpauschalen, Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder von insgesamt 1.976,45 EUR geltend.. Mit Schreiben vom 17,12.2012 machte sie zudem zwei Gebühren nach Nr. 5116 VV RVG für das erstinstanzliche Verfahren und für das Rechtsbeschwerdeverfahren geltend.
Unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der Bezirksrevisorin billigte das Amtsgericht Karlsruhe im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07.01,2013 der Verfallsbeteiligten lediglich diese beiden Gebühren nach Nr. 5116 VV RVG sowie die Terminsreisekosten des Verteidigers im Gesamtwert von 724,45 EUR zu.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Verfallsbeteiligten vom 10.01 2013.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
Die Verfallsbeteiligte hat nicht nur einen Anspruch auf Erstattung der zusätzlichen Verfahrensgebühr bei Einziehung und verwandten Maßnahmen nach Nr. 5116 VV RVG für das erstinstanzliche und für das Rechtsbeschwerdeverfahren, sondern auch auf Erstattung weiterer Gebühren, die dem Verteidiger eines wegen einer Ordnungswidrigkeit Verfolgten in diesem Verfahren zu erstatten wären. Dies ergibt sich aus Wortlaut und Systematik der einschlägigen Gebührentatbestände.
Teil 5 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz enthält die Gebührentatbestände für Bußgeldsachen. Die Gebühren des Verteidigers bestehen danach aus der Grundgebühr nach Nr. 5100 VV RVG, einer Verfahrensgebühr für das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und von Terminsgebühren je nach der Anzahl der Tage, an dem ein Termin im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde statt-findet, nach Nr. 5101-5106 VV RVG, einer Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren im ersten Rechtszug und Terminsgebühren je nach der Anzahl der Haupt-verhandlungstage im gerichtlichen Verfahren im ersten Rechtszug nach den Nr, 5107-5112 VV RVG, einer Verfahrensgebühr für das Verfahren über die Rechtsbeschwerde nach Nr.. 5113 W RVG, Terminsgebühren je nach der Anzahl der Haupt-verhandlungstage im Verfahren über die Rechtsbeschwerde nach Nr, 5114 VV RVG sowie aus zusätzlichen Gebühren, von denen im vorliegenden Zusammenhang ledig-lich die Verfahrensgebühr bei Einziehung und verwandten Maßnahmen nach Nr. 5116 VV RVG in Betracht kommt. Diese systematische Ordnung zeigt bereits, dass es sich bei der Verfahrensgebühr bei Einziehung und verwandten Maßnahmen nach Nr. 5116 W RVG nicht um die einzige im selbständigen Einziehungs- und Verfalls- verfahren anfallende Sondergebühr, sondern um eine zusätzliche Gebühr handelt, die neben den Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühren anfallen kann. Bestätigt wird dies zum einen durch die Überschrift Zusätzliche Gebühren" zum die Gebühren Nr. 5115, 5116 und 5200 VV RVG enthaltenden Unterabschnitt 5 aus dem Abschnitt über die Gebühren des Verteidigers, dem vier Unterabschnitte vorangestellt sind, in denen die Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühren geregelt sind Des Weiteren enthält Absatz 1 der amtlichen Vorbemerkung 5 zum Bußgeldverfahren die recht eindeutige Regelung, dass für die Tätigkeit als Beistand oder Vertreter eines Einziehungs- oder Nebenbeteiligten, eines Zeugen oder eines Sachverständigen im Bußgeldverfahren die gleichen Gebühren wie für einen Verteidiger in diesem Verfahren entstehen. Mit dieser Bestimmung würde es sich auch nicht vertragen, wenn der Beistand oder Vertreter eines Einziehungs- oder Nebenbeteiligten lediglich die Verfahrensgebühr bei Einziehung und verwandten Maßnahmen nach Nr. 5116 VV RVG erhielte, der Beistand oder Vertreter eines Zeugen oder Sachverständigen hingegen, für den im Teil 5 des Vergütungsverzeichnisses keine Sonder- oder Zusatzgebühren enthalten sind, wie selbstverständlich die allgemeinen Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühren geltend machen könnte.
Auch der Zweck der zusätzlichen Verfahrensgebühr nach Nr. 5116 VV RVG spricht dafür, sie nicht anstatt, sondern zusätzlich zu den im Teil 5 des Vergütungsverzeichnisses im Allgemeinen vorgesehenen Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühren zuzubilligen. Mit der zusätzlichen Gebühr Nr. 5116 VV RVG wollte der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass die Abschöpfung von Vermögenswerten oder die Einbehaltung von Gegenständen in der Regel erhebliche wirtschaftliche Bedeutung für den Betroffenen hat, womit eine bessere Honorierung der anwaltlichen Tätigkeit in diesem Bereich einhergehen sollte Die Bedeutung dieser Verfahren wird dadurch verstärkt, dass im Bereich der Wirtschaftskriminalität einschließlich entsprechender Ordnungswidrigkeiten der individuelle Nachweis der Schuld der Verantwortlichen von Unternehmen häufig auf Schwierigkeiten stößt und die Verfolgungsbehörden daher vielfach dazu übergegangen sind, die Unternehmen durch Maßnahmen der Einziehung und des Verfalls wirtschaftlich zu treffen und hierdurch den Strafzwecken zum Durchbruch zu verhelfen. Wie in anderen Wirtschaftsstrafsachen handelt es sich hierbei um durchaus umfangreiche und schwierige Verfahren, die zur Anordnung eines Verfallsbetrages auch des Nachweises eines objektiven und subjektiven tatbestandlichen Fehlverhaltens bedürfen, so dass Umfang und Schwierigkeit der Sach-, Beweis- und Rechtslage in gleicher Weise auftreten können.. Die in einem solchen Verfahren vom Anfang bis zum Ende mit der Vertretung des Verfallsbeteiligten beauftragten anwaltlichen Vertreter auf die Geltendmachung der zusätzlichen Verfahrensgebühr nach § 5116 VV RVG zu beschränken und ihnen die Geltendmachung der allgemeinen Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühren zu versagen, verfehlte den erwähnten Zweck, auch-Wenn die Kammer nicht verkennt, dass die nach § 13 Abs. 1 RVG zu bestimmende Höhe der Wertgebühr nach Nr, 5116 VV RVG vergleichsweise hoch ausfällt So könnte der auf diese Gebühr beschränkte Vertreter nicht wie der Verteidiger insbesondere die Terminsgebühren nach Nr. 5101 bis 5114 VV RVG je nach Anzahl der Termine mehrfach geltend machen, obgleich er durch die Teilnahme an zahlreichen Terminen einen gleich hohen Zeitaufwand hätte.
Der hier vertretenen Auffassung steht nicht entgegen, dass als Anknüpfungspunkt für die Höhe der Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühren eine bestimmte festgesetzte Geldbuße naturgemäß nicht zur Verfügung steht Nach Abs.. 2 S. 2 der amtlichen Vorbemerkung 5 1.. richtet sich in einem solchen Fall die Höhe der Gebühren im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde nach dem mittleren Betrag der in der Bußgeldvorschrift angedrohten Geldbuße oder nach dem in einer Rechtsvorschrift bestimmten Regelsatz.
Der Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 30.06.2011 war daher aufzuheben.
Die Kammer hat sich daran gehindert gesehen, nach § 309 StPO auf die sofortige Beschwerde der Verfallsbeteiligten eine eigene Sachentscheidung zu treffen und hat die Sache daher an das Amtsgericht Karlsruhe zurückverwiesen. Da das Amtsgericht unter dem Gesichtspunkt der ausschließlichen Anwendbarkeit der Nr 5116 VV RVG eine Kostenfestsetzung im übrigen aus rein formalen Gründen abgelehnt und eine den Sachverhalt ausschöpfende erstinstanzliche Entscheidung zur Sache selbst, insbesondere zur Angemessenheit der von der Verfallsbeteiligten geltend gemachten Höhe der Gebühren, gänzlich fehlt, ist die Zurückverweisung als zulässig anzusehen (vgl nur OLG Frankfurt, NStZ 1983, 426).
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