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Leitsatz: Bei dem Beschwerdeverfahren in Strafvollstreckungssachen handelt es sich um eine besondere Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG. Die Postentgeltpauschale der Nr. 7002 VV RVG kann deshalb im Beschwerdeverfahren noch einmal verlangt werden (ebenso OLG Braunschweig StraFo 2009, 348; vgl. Hartung, RVG, 2. Aufl., 7001, 7002 VV RVG Rdnr. 10; Burhoff RVGreport 2009, 311; Burhoff RVGreport 2006, 153).
In pp. Die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht .... gegen den Kostenbeschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts .... vom 8. Januar 2013 wird als unbegründet verworfen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
1. Der Verteidiger des Betroffenen hat im vorliegenden Verfahren eine Kostenbeschwerde erhoben. Dem liegt folgender Verfahrensgang zu Grunde:
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts .... hat mit Beschluss vom 13. Januar 2011 (20 StVK 207/10) festgestellt, dass die von Gesetzes wegen eingetretene Führungsaufsicht des Verurteilten nicht entfällt, die Dauer der Führungsaufsicht auf 5 Jahre festgesetzt sowie Auflagen und Weisungen für die Dauer der Führungsaufsicht erteilt. Mit Schriftsatz vom 28. Januar 2011 hat der Verurteilte Beschwerde gem. §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2, 304 StPO eingelegt, da er die eine erteilte Weisung (Fortsetzung der ambulanten Behandlung in der Sozialtherapeutischen Abteilung der Justiz Vollzugsanstalt ...) als unzulässig erachtete. Nachdem die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg mit Stellungnahme vom 16. März 2011 beantragt hatte, der Beschwerde des Verurteilten und Betroffenen stattzugeben, die angefochtene Weisung aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts .... zurückzugeben, hat die Vorsitzende des 1. Strafsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts als dem in der Sache zuständige Beschwerdesenat unter dem Datum des 31. März 2011 dem Verurteilten Rechtsanwalt .... als Pflichtverteidiger gem. § 140 Abs. 2 StPO beigeordnet. Mit Beschluss vom 11. April 2011 (1 Ws 53/11) hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts .... vom 13. Januar 2011 als unbegründet verworfen.
Mit Anwaltschriftsatz vom 19. April 2011 hat der Pflichtverteidiger des Betroffenen bei dem Landgericht .... beantragt, seine Kosten für das Beschwerdeverfahren mit 309,40 festzusetzen, die sich wie folgt zusammen setzen: 132,00 Grundgebühr, 108,00 Verfahrensgebühr für sonstige Verfahren in der Strafvollstreckung, 20,00 Post- und TK-Pauschale, 49,40 Umsatzsteuer. Die Kostenbeamtin des Landgerichts .... hat unter dem 23. Juni 2011 die erstattungsfähigen Kosten auf 128,52 festgesetzt, dabei vom Kostenantrag des Verteidigers 132,00 Grundgebühr sowie die Auslagenpauschale von 20,00 in Abzug gebracht, da diese im Strafvollstreckungsverfahren (Grundgebühr) bzw. im Beschwerdeverfahren (Post- und TK-Pauschale) nicht (noch einmal) entstanden seien. Der festgesetzte Betrag errechnet sich somit aus 108,00 Verfahrensgebühr für sonstige Verfahren in der Strafvollstreckung gem. Nr. 4204 VV RVG sowie 20,52 Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG.
Mit Anwaltschriftsatz vom 4. Juli 2011 hat der Verteidiger des Betroffenen gegen die Kostenfestsetzung vom 23. Juni 2011 Erinnerung eingelegt und diese auf die Versagung der Erstattung der Post- und TK-Pauschale nebst Umsatzsteuer (20,00 und 3,80 ) beschränkt. Der Verteidiger des Betroffenen vertritt die Auffassung, dass auch im Beschwerdeverfahren die Post- und TK-Pauschale angefallen sei.
Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht .... hat in seiner Stellungnahme vom 24. August 2011 beantragt, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen, da die Postentgeltpauschale im erstinstanzlichen Strafvollstreckungsverfahren und im strafvollstreckungsrechtlichen Beschwerdeverfahren nur einmal entstehen.
Unter dem Datum des 29. August 2011 hat die Kostenbeamtin des Landgerichts .... der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts .... zur Entscheidung vorgelegt.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts .... hat mit Beschluss vom 8. Januar 2013 auf die Erinnerung des Verteidigers des Betroffenen "die Kostenfestsetzung vom 23. Juni 2011 insoweit aufgehoben, als die Festsetzung einer Pauschale für Post- und Telekommunikationsleistungen abgesehen worden ist." Die Kammer hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle angewiesen, "auf den zugrunde liegenden Vergütungsantrag des Verteidigers [vom 19. April 2011] bei der erneuten Festsetzung der genannten Pauschale auch für das Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen und den zusätzlichen Betrag nebst darauf entfallender Mehrwertsteuer zur Auszahlung anzuweisen."
Die Strafvollstreckungskammer hat in ihrem Beschluss vom 8. Januar 2013 wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Rechtsfrage die Beschwerde gem. § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG zugelassen. Der Beschluss ist nicht förmlich zugestellt worden.
Mit Schreiben vom 5. Februar 2013 hat der Bezirksrevisor gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts .... vom 8. Januar 2013 Beschwerde eingelegt, der die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 21. Februar 2013 nicht abgeholfen hat.
Der Einzelrichter hat mit Beschluss vom heutigen Tag die Sache wegen der grundsätzlichen Bedeutung gem. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG auf den Senat übertragen.
2. Die Beschwerde ist gem. den §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 2 und 3 RVG zulässig; sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Gem. § 15 Abs. 2 S. 2 RVG kann der Rechtsanwalt im Grundsatz "die Gebühren" in jedem Rechtszug fordern (vgl. auch § 17 Nr. 9 RVG). Damit korrespondiert die Vorbemerkung 4.2 (Abschnitt 2: Gebühren in der Strafvollstreckung) der Anlage 1 zum RVG, wonach im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung in der Hauptsache "die Gebühren" besonders entstehen. Soweit ersichtlich wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung zu diesen Gebühren auch die Auslagenpauschale gerechnet (vgl. OLG Braunschweig StraFo 2009, 348 [OLG Karlsruhe 06.04.2009 - 2 Ws 119/09]; OLG Schleswig AGS 2005, 444).
Zwar spricht gegen diese Auslegung § 1 Abs. 1 Satz 1 RVG, wonach sich die anwaltliche Vergütung aus den "Gebühren" und den "Auslagen" zusammensetzt, so dass zu den "Gebühren" an sich nicht die "Auslagen" gehören, damit auch nicht die Postentgeltpauschale. Andererseits bestimmt Nr. 7002 Anlage 1 zum RVG, dass die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen "in jeder Angelegenheit" anstelle der tatsächlichen Auslagen nach Nr. 7001 gefordert werden können. Damit besteht ein Widerspruch zwischen § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG, nach der der Rechtsanwalt nur "Gebühren" in jedem Rechtszug fordern kann, hingegen Nr. 7002 Anlage 1 RVG dieses auch für "Auslagen" ermöglicht. Entsprechend drängt sich die Frage auf, ob die einfachgesetzliche Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG der Anmerkung zu Nr. 7002 VV RVG vorgeht. Dies kann letztlich jedoch dahin gestellt bleiben, da die Vorschrift des § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG entgegen dem Wortlaut und der Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 1 RVG dahingehend auszulegen ist, dass jedenfalls neben Gebühren auch Auslagen erfasst sind. Hierfür spricht die historische Auslegung. Denn in den Gesetzesmaterialien (BTDrucks 15/1971, Entwurf Kostenrechtsmodernisierungsgesetz, S. 229) wird für die Beschwerdegebühren des vorliegend einschlägigen Abschnitts 2 hervorgehoben, dass die insoweit gesondert anfallenden Gebühren nicht wie nach der Vorbemerkung 4.1 (zu Abschnitt 1) durch die Gebühren im Ausgangsverfahren mit abgegolten sein sollen. Zugleich werden in diesen Materialien die Tragweite der in der Beschwerdeinstanz zu treffenden Entscheidung sowie der in der Beschwerdeinstanz zu erbringende erhebliche Zeitaufwand hervorgehoben. Es war ein besonderes Anliegen des Gesetzgebers, durch die neuen Vorschriften im Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG für eine ordnungsgemäße Verteidigung auch im Bereich der Strafvollstreckung zu sorgen. Dem Rechtsanwalt sollte es ermöglicht werden, im Strafvollstreckungsverfahren die Interessen des Mandanten auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vertreten zu können. Deshalb ist beispielsweise auch die besondere Verfahrensgebühr im Beschwerdeverfahren eingeführt worden, die der im Regelfall besonderen Bedeutung der Beschwerde im Vollstreckungsverfahren Rechnung trägt. Da es sich bei dem Beschwerdeverfahren um eine "besondere Angelegenheit" im Sinne des § 15 RVG handelt, entsteht nach hiesiger Auslegung die Postentgeltpauschale der Nr. 7002 VV RVG im Beschwerdeverfahren noch einmal (ebenso OLG Braunschweig StraFo 2009, 348; vgl. Hartung, RVG, 2. Aufl., 7001, 7002 VV RVG Rdnr. 10; Burhoff RVGreport 2009, 311; Burhoff RVGreport 2006, 153).
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