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Gericht / Entscheidungsdatum: LG Münster, Beschl. v. 21.06.2013 - 7 Qs 14/13
Leitsatz: Dem nach § 68b StPO beigeordneten Zeugenbeistand steht kein eigenes Akteneinsichtsrecht zu. Wird ihm dennoch Akteneinsicht gewährt, sind ggf. gefertigte Kopien aus der Akte nicht erstattungsfähig.
In der Strafsache pp. hat die 7. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts auf die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tecklenburg vorn 14.02.2012 - Az: 10 Ds 216/11 -Wh. am 21.06.2013 beschlossen:
Der Beschluss des Amtsgerichts Tecklenburg vom 14. Februar 2012 wird auf die Beschwerde teilweise aufgehoben und unter Verwerfung der Beschwerde als unbegründet im Übrigen wie folgt neu gefasst:
Die dem Rechtsanwalt W. zu erstattenden Gebühren und Auslagen werden auf auf 276,08 festgesetzt. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe: Auf Antrag. vom 17. Juni 2011 (BI. 212. d.A.) wurde, der Beschwerdeführer mit Beschluss des Amtsgerichts Steinfurt vom 12. Juli 2011 in dem Verfahren 10 Ds 45 Js 52/11 216 -11 gem. § 68b StPO der Zeugin für die Dauer deren Vernehmung als Zeugenbeistand beigeordnet. Nach Abschluss des Verfahrens beantragte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 21. De-zember 2011, Gebühren. und Auslagen in Höhe von insgesamt 682,88 festzusetzen. Mit Be-schluss vorn 14. Februar 2012, an den Beschwerdeführer ohne Zustellungsnachweis abverfügt am.15. Februar 2012, wurde die Vergütung auf 223,72 festgesetzt. Hiergegen richtet sich die bei Gericht am 27. Februar 2012 eingegangene Beschwerde, der mit Beschluss des Amtsge-richts vorn 21. Mai 2013 nicht abgeholfen wurde.
Die nach § 56 II 1 iVm. § 33 III 1 RVG statthafte Beschwerde ist zulässig und zu einem gerin-gen Teil begründet:
1. Die Kammer folgt der Rechtsprechung des OLG Hamm im Beschluss vorn 14. Juli 2009,2 Ws 159/09, nach der die Tätigkeit des beigeordneten Zeugenbeistandes nach Teil 4 Abschnitt RVG-W als Einzeltätigkeit gem. 4301 VV RVG (168,00 ) festzusetzen ist. Diese Rechtsauffas-sung ist im vorgenannten Beschluss sowie im Beschluss des OLG Hamm vom 28. Mai 2008, 4 Ws 91/08 jeweils mit umfangreichen Nachweisen auch auf die Gegenauffassung einge-hend begründet worden. Die hiergegen gerichteten Einwände des Beschwerdeführers hält die Kammer nicht für durchgreifend. Im Einzelnen:
a) Soweit der Beschwerdeführer auf die gesetzgeberisch gewollte Gleichstellung von Zeugen-beistand und Verteidiger verweist, so bezieht sich dies nach Auffassung der Kammer nur auf den gewählten Zeugenbeistand, nicht aber auf den nach § 68b II StPO beigeordneten Rechts-anwalt (siehe eingehend OLG Hamm vom 28. Mai 2008, 4 Ws 91/08 juris Rn. 13 ff). Eine solche Interpretation steht sowohl mit der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache. 15/1971 S. 220) als auch mit der Vorbemerkung zu 4 I VV-RVG in Einklang (OLG Hamm vom 28. Mai 2008, 4 Ws 91/08 juris Rn. 11 f.).
b) Eine anderweitige Auslegung ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht gebo-ten. Während der gewählte Zeugenbeistand den Zeugen in jeder Hinsicht berät und unterstützt, seine Tätigkeit sich also über die Dauer der einzelnen Vernehmung heraus erstreckt, wird der in § 68b II StPO genannte Rechtsanwalt dem Zeugen nur für die Dauer der konkreten Verneh-mung beigeordnet. Der Umfang der Beiordnung bestimmt zugleich den Rahmen für die erstat-tungsfähige Vergütung (siehe OLG Hamm vom 28. Mai 2008,4 Ws 91/08 juris Rn. 15).
Dieser auf einer typisierenden Betrachtung beruhende verschieden große Aufgabenumfang rechtfertigt auch die gebührenrechtlich verschiedene Behandlung zwischen dem gewählten Zeugenbeistand und dem in § 68b StPO angesprochenen Vernehmungsbeistand" (Art. 3 I GG). Die Kammer geht dabei mit dem Gesetz (§ 68b II StPO) davon aus, dass die Beiordnung für die Dauer der Vernehmung notwendig, aber auch ausreichend ist, um dem Schutzbedürfnis des Zeugen Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 38, 105/117). Soweit der nach § 68b StPO beigeordnete Vernehmungsbeistand" darüber hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, geht dies über den einfach-gesetzlich und verfassungsrechtlich gebotenen Umfang der Beiordnung hinaus und kann damit auch keinen weitergehenden Vergütungsanspruch gegen die Landeskasse begründen (OLG Hamm vom 28. Mai 2008, 4 Ws 91/08 juris Rn. 22 f.).
c) Dass dabei die gesetzliche Vergütung im Einzelfall nicht auskömmlich sein mag, ist hin-zunehmen. Die gesetzlichen Gebühren erheben nicht den Anspruch, das konkrete Mandat adä-quat oder auch nur kostendeckend zu vergüten. Ihnen liegt vielmehr eine Konzeption zugrunde, nach der erst das Gebührenaufkommen des Rechtsanwalts in der Gesamtheit geeignet sein muss, sowohl seinen Kostenaufwand als auch seinen Lebensunterhalt abzudecken. Dies soll durch eine Mischkalkulation, also eine Quersubventionierung der weniger lukrativen durch ge-winnträchtige Mandate, sichergestellt werden (BVerfG. Beschluss vom 15. Juni 2009, 1 BvR 1342/07 juris Rn, 17).
2. Dem Beschwerdeführer steht auch keine Vergütung für die Herstellung von Ablichtungen gem. Nr. 7000 I VV RVG zu:
Nach Nr. 7000 I VV RVG ist die Herstellung von Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten zu vergüten, soweit die Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten" war. Insoweit besteht ein Ermessen des Rechtsanwalts, dem allerdings jedenfalls durch das Gesetz äußere Grenzen gezogen sind. Vorliegend markiert der Zweck der Beiordnung nach § 68b II StPO die Grenzen dieses Ermessens:
a) An der Gebotenheit fehlt es, soweit der Beschwerdeführer Akteneinsicht aus eigenem Recht beantragt, zunächst schon deswegen, als dem Zeugenbeistand anders als dem Ver-teidiger ein Akteneinsichtsrecht nicht zusteht (BGH, Beschluss vom 4. März 2010, StB 46/09 juris Rn. 8). Insoweit ist zu beachten, dass die Gewährung von Akteneinsicht einen Eingriff in das Grundrecht des Angeklagten auf informationelle Selbstbestimmung bedeutet, der einer ge-setzlichen Grundlage bedarf. Das Fehlen einer solchen gesetzlichen Grundlage kann auch nicht durch Zweckmäßigkeitserwägungen überspielt werden ((vgl. BVerfGE, Beschluss vom 18. März 2009 Az.: 2 BvR 8/08 Rn. 15). Ist aber dem Zeugenbeistand die Akteneinsicht aus eigenem Recht versagt, so kann sie und auch die Anfertigung von Ablichtungen aus der Akte nicht zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten" sein.
Dem steht auch nicht entgegen, dass vorliegend das Amtsgericht die Akteneinsicht gewährt hat und damit bei dem Beschwerdeführer Vertrauen auf die Vergütungsfähigkeit der Herstellung von Ablichtungen geweckt haben mag. Denn nicht auf Vertrauens-, sondern auf Vergütungstat-bestände stellt das RVG ab. Entsprechende Kosten können damit jedenfalls nicht im Kosten-festsetzungsverfahren geltend gemacht werden.
b) Zwar ist der Zeugenbeistand auch befugt, die Rechte des Zeugen geltend zu machen (BGH, Beschluss vorn 4. März 2010, StB 46/09 juris Rn. 8), der sofern er Verletzter ist ein Akteneinsichtsrecht aus § 406e StPO hat. Dabei kommt durchaus in Betracht, dass die Zeugin vorliegend auch ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht iSd. § 406e 11 StPO hatte, da sie objektiv auch der Prüfung der Frage diente, ob und in welchem Umfang die Zeugin Ersatzansprüche gegen die Angeklagte durchsetzen konnte (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl. 2011, § 406e Rn. 3). Dieses Interesse hat der Beschwerdeführer bereits mit der Strafan-zeige vom 2. Dezember 2010 (BI. 117 d.A,) angesprochen (S. 4 der Strafanzeige, BI. 120 d.A.). Jedenfalls aber stünden die insoweit entstandenen Kosten nicht in innerem Zusammenhang mit dem Aufgabenkreis des Zeugenbeistandes iSd. § 6.8b II StPO. Diesem kommt es lediglich zu, die Befugnisse des Zeugen bei der Vernehmung wahrzunehmen, nicht aber die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen des Zeugen vorzubereiten.
c) Die Kammer verkennt bei all dem nicht, dass hier die Gewährung von Akteneinsicht zur Vor-bereitung der Zeugenvernehmung zweckmäßig gewesen sein mag. Insbesondere mag vorlie-gend der Grund für den Ausschluss des Akteneinsichtsrechts, nämlich den Schutz des Beweis-wertes der Zeugenaussage (BGH, Beschluss vom 4. März 2013, Az.: StB 46/09 juris Rn. 8), nicht durchgegriffen haben. Vielmehr spricht umgekehrt vieles dafür, dass die Begleitung der Zeugenaussage durch den Beschwerdeführer in Kenntnis des Akteninhalts eine geordnete Aussage der Zeugin aufgrund deren intellektuellen Konstitution überhaupt erst ermöglicht, je-denfalls aber dem erkennenden Gericht die Vernehmung erheblich erleichtert hat. All dies än-dert aber nichts daran, dass es für die Entscheidung, dem Zeugenbeistand als solchem die be-antragte Akteneinsicht zu gewähren, keine Rechtsgrundlage gab. Für Zweckmäßigkeitserwä-gungen bleibt dann aber (s.o.) kein Raum.
3. Dem Beschwerdeführer stehen allerdings Fahrtkosen (Nr. 7003 VV RVG) sowie Tage- und Abwesenheitsgeld (Nr, 7005 VV RVG) in Höhe von 44,00 zu. Die Fahrtkosten sind nach der Wegstrecke vom Kanzleisitz .bis zum Amtsgericht Tecklenburg gerechtfertigt, Gleiches gilt für das in Ansatz gebrachte Tage- und Abwesenheitsgeld. Da das Amtsgericht die Zeugen nicht gestaffelt geladen hatte, war die Anwesenheit des Beschwerdeführers von Beginn des Termins (10:30 Uhr) bis zum Abschluss der Vernehmung der Zeugin (13:55 Uhr), dies sind 3 Stunden und 25 Minuten, erforderlich. Wird hierzu nun noch die Fahrtzeit, die pro Weg mindestens 20 Minuten beträgt, addiert, errechnet. sich bereits eine Abwesenheitszeit von 4 Stunden und 5 Minuten, wobei weitere Wegezeiten sowie ein Sicherheitszuschlag für die Hinfahrt noch hinzu-zurechnen wären.
4. Insgesamt ergibt sich damit folgender Vergütungsanspruch:
Einzeltätigkeit gem. Nr. 4301 VV RVG Auslagenpauschale gem. Nr. 7002W RVG Fahrtkosten gem. Nr. 7003 VV RVG Tage- und Abwesenheitsgeld gem. Nr. 70.05 VV RVG 168,00 20,00 9,00 35,00
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