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Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Braunschweig, Beschl. v. 26.05.2014 - 1 Ws 144/14 u. 1 Ws 146/14
Leitsatz: Der Anspruch eines teilweise Freigesprochenen auf Ersatz seiner notwendigen Auslagen (Wahlverteidigergebühren) ist trotz des Teilfreispruchs um die gesamte, von der Staatskasse ausgezahlte Pflichtverteidigergebühr zu kürzen.
In pp. Die sofortigen Beschwerden des Verteidigers gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Landgerichts Braunschweig vom 27. Februar 2014 werden auf seine Kosten als unbegründet verworfen. Gründe I. Der Beschwerdeführer begehrt nach einem Teilfreispruch aus abgetretenem Recht die Festsetzung der notwendigen Auslagen seines Mandanten.
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat dem Mandanten des Beschwerdeführer mit Anklageschrift vom 19. Juli 2011 vorgeworfen, durch zwei Straftaten jeweils tateinheitlich ein Verbrechen des versuchten Totschlags (§§ 212, 22 StGB) und ein Vergehen der gefährlichen Körperverletzung (§§ 223, 224 StGB) begangen zu haben (12 KLs 33/11, Bd. III Bl. 186 ff.).
Außerdem hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig dem Mandanten des Beschwerdeführers durch Anklageschrift vom 28. August 2011 eine Straftat der räuberischen Erpressung gemäß §§ 255, 253, 249 StGB sowie eine solche der Körperverletzung (§ 223 StGB) zur Last gelegt (12 KLs 42/11, Bl. 37 ff.).
Schließlich hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen den Mandanten des Beschwerdeführers am 7. September 2011 Anklage wegen eines Verbrechens der räuberischen Erpressung (§§ 255, 253, 249 StGB) erhoben (12 KLs 41/11, Bl. 28 ff.).
Die Anklageschriften waren jeweils an die Jugendkammer gerichtet, weil der Mandant des Beschwerdeführers zur Tatzeit noch nicht volljährig war. Durch Beschluss vom 13. Oktober 2011 (12 KLs 33/11, Bd. IV Bl. 52) hat die Jugendkammer die Verfahren 12 KLs 41/11 und 12 KLs 42/11 zu dem Verfahren 12 KLs 33/11 verbunden.
Die Jugendkammer des Landgerichts Braunschweig hat den Mandanten des Beschwerdeführers wegen der in der Anklageschrift vom 28. August 2011 erhobenen Vorwürfe, die nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung die Straftatbestände der Nötigung und der vorsätzlichen Körperverletzung erfüllten, am 10. Februar 2012 verurteilt und ihn unter Einbeziehung eines vorangegangenen Urteils mit einem Dauerarrest von 2 Wochen belegt. Im Übrigen hat die Jugendkammer den Mandanten des Beschwerdeführers durch das genannte Urteil freigesprochen (12 KLs 33/11, Bd. IV Bl. 223 ff.).
Der Beschwerdeführer hat bezüglich des Verfahrens 12 KLs 33/11 mit Schriftsatz vom 29. Juni 2012 (12 KLs 33/11, Bd. V Bl. 13 ff.) beantragt, notwendige Auslagen in Höhe von 12.485,84 festzusetzen. Durch den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. Februar 2014 (12 KLs 33/11, Bd. V, Bl. 68 ff.) hat das Landgericht Braunschweig die zu erstattenden notwendigen Auslagen indes auf lediglich 1.232,70 festgesetzt. Dabei hat die zuständige Rechtspflegerin die beantragten Gebühren nach Ziffern 4101 (Grundgebühr mit Zuschlag), 4103 (Terminsgebühr für die Teilnahme an der Haftbefehlsverkündung) und 4105 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (Gebühr für das vorbereitende Verfahren mit Zuschlag), die allein die Anklageschrift vom 19. Juli 2011 betreffen, zu 100 % angesetzt und lediglich um die insoweit ausgezahlten Pflichtverteidigergebühren gekürzt. Bei den übrigen Kosten hat das Landgericht die Schreibauslagen (2.864 Kopien) um die Hälfte gekürzt und außerdem angesichts der Verfahrensverbindung angenommen, dass 75 % der Verfahrenskosten auf den freisprechenden Teil entfallen. Die Pflichtverteidigervergütung, die der Beschwerdeführer insoweit vereinnahmt hat, hat das Landgericht dennoch ungekürzt angerechnet. Im Verfahren 12 KLs 42/11 hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2013 (12 KLs 42/11, Bl. 61f.) beantragt, notwendige Auslagen in Höhe von 773,86 festzusetzen. Durch den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. Februar 2014 (12 KLs 42/11, Bl. 72 f.) hat das Landgericht Braunschweig den Antrag jedoch abgelehnt, weil der Mandant des Beschwerdeführers wegen dieser Vorwürfe verurteilt sei.
Der Beschwerdeführer hat - nach Zustellung der Kostenfestsetzungsbeschlüsse am 7. März 2014 - jeweils am 13. März 2014 gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 27. Februar 2014 sofortige Beschwerde eingelegt, diese jedoch nicht begründet. II.
Soweit es den im Verfahren 12 KLs 42/11 mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2013 gestellten Kostenfestsetzungsantrag betrifft, folgt die Unbegründetheit des Rechtsmittels bereits daraus, dass der Mandant des Beschwerdeführers wegen jener Vorwürfe nach der im Urteil vom 10. Februar 2012 getroffenen Kostengrundentscheidung keinen Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse hat. Denn er ist wegen dieser Taten verurteilt worden. Auch in der Sache 12 KLs 33/11 entspricht die Berechnung der Rechtspflegerin der Rechtslage:
So ist es zunächst nicht zu beanstanden, dass die Rechtspflegerin, soweit es den Zeitraum nach der Verfahrensverbindung betrifft, abweichend von der Differenzmethode eine Quote gebildet hat, um die Höhe der anteilig von der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen zu ermitteln. § 464 d StPO gestattet diese Vorgehensweise und wendet sich nicht nur an den Tatrichter, sondern berechtigt auch den mit der Kostenfestsetzung befassten Rechtspfleger, eine Verteilung der Kosten nach Bruchteilen vorzunehmen (KG, Beschluss vom 05.12.2008, 1 Ws 283/08, juris, Rn. 2; OLG Rostock, Beschluss vom 08.11.2010, I Ws 260/10, juris, Rn. 13). Die konkrete Quote erscheint angemessen und wird mit der Beschwerde nicht angegriffen.
Die Kürzung der Kosten für die Anfertigung von Fotokopien auf insgesamt 1.432 Ablichtungen ist ebenfalls rechtsfehlerfrei erfolgt. Die Zahl von 2.864 Fotokopien, deren Erstattung der Beschwerdeführer begehrt, ist hier schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Ermittlungsakten zum Zeitpunkt des Akteneinsichtsgesuchs vom 25.10.2011 (12 KLs 33/11, Bd. IV Bl. 122) auf lediglich 863 Seiten (125 + 206 + 249 + 121 + 13 [Inhaltsverzeichnisse]+ 149 [Sonderheft Haftbeschwerde]) zuzüglich etwaiger Doppelseiten angewachsen waren. Es kommt noch hinzu, dass der Beschwerdeführer seinem Mandanten kein vollständiges Aktendoppel überlassen durfte. Es ist vielmehr Aufgabe des Verteidigers, vor Überlassung der Kopien eine Vorauswahl zu treffen und dabei mit Hilfe seines beruflichen Sachverstandes Schwerpunkte zu setzen (OLG Koblenz, Beschluss vom 16.11.2009, 2 Ws 526/09, juris, Rn. 10; KG, Beschluss vom 20.06.2005, 3 Ws 20/05, juris, Rn. 7; OLG Braunschweig, Beschluss vom 06.12.2011, Ws 344/11); daran fehlt es. Hier sind offenbar nicht einmal erkennbar belanglose Aktenteile (z. B. Zustellurkunden, vgl. Bd. IV Bl. 57 - 113 d.A.) ausgesondert worden.
Es begegnet schließlich keinen Bedenken, dass das Landgericht trotz des Teilfreispruchs auf den abgetretenen Erstattungsanspruch die gesamte Pflichtverteidigervergütung in Höhe von 7.038,38 (zzgl. Umsatzsteuer) angerechnet hat. Dieses Ergebnis folgt aus § 52 Abs. 1 S. 2 RVG. Dem Mandanten des Beschwerdeführers sind nach dieser Vorschrift keine Auslagen entstanden, soweit die Staatskasse Gebühren an den Pflichtverteidiger gezahlt hat (Thüringer OLG, Beschluss vom 28.02.2014, 1 Ws 403/13, juris, Rn. 17; OLG Köln, Beschluss vom 04.01.2013, III-2 Ws 837/12, juris, Rn. 12). Der Gegenauffassung (OLG Celle, Beschluss vom 05.04.2004, 2 Ws 93/04, juris, Rn. 7 ff.; OLG Oldenburg, Beschluss vom 25.01.2007, 1 Ws 573/06, juris, Rn. 10) ist nicht zu folgen. Das Argument jener Auffassung, der Erstattungsanspruch berücksichtige bei voller Anrechnung der Pflichtverteidigergebühren den Teilfreispruch nicht hinreichend, verkennt, dass der (teilweise) Freigesprochene wegen der Anrechnung zugleich von den Pflichtverteidigergebühren entlastet wird, die er ansonsten der Staatskasse gemäß Nr. 9007 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) schuldete (OLG Köln, a. a. O., Rn. 12; Thüringer OLG, a. a. O., Rn. 17). III.
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