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RVG Entscheidungen

Vorbem. 4 Abs. 1 VV

Terminsvertreter, Grundgebühr, Verfahrensgebühr

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Saarbrücken, Beschl. v. 30.06.2014 - 2 KLs 2/13

Eigener Leitsatz: 1. Die Vertretung eines Pflichtverteidigers durch einen anderen Verteidiger ist rechtlich zulässig, zumindest dann, wenn der andere Verteidiger dem Angeklagten vorübergehend beigeordnet wird.
2. Ob eine Bestellung zum Vertreter oder zum weiteren Verteidiger vorliegt, richtet sich in erster Linie nach dem Wortlaut des Beschlusses.
3. Gebührenrechtlich hat die Beiordnung eines anderen Verteidigers als bloßer Vertreter des verhinderten Pflichtverteidigers zur Folge, dass nur ein Pflichtverteidigermandat abzurechnen ist. Deshalb kann auch der Vertreter keine höhere Vergütung beanspruchen als in der Person des vertretenen Pflichtverteidigers anfallen würde.


In pp.
wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges u.a.
hier Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss

hat die 2. Große Strafkammer — Wirtschaftsstrafkammer — des Landgerichts in Saarbrücken am 30.06.2014 beschlossen:

1.Die Erinnerung von Rechtsanwalt T. gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 15.05.2014 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
3. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Dem Angeklagten war in dem unter dem Aktenzeichen 2 KLs 2/13 vor dem Landgericht Saarbrücken geführten Strafverfahren durch Beschluss der Vorsitzenden vom 26.06.2013 Rechtsanwalt R als Pflichtverteidiger beigeordnet worden.

Dieser war an der Wahrnehmung des Hauptverhandlungstermins vom 09.04.2014 verhindert. In Absprache mit Rechtsanwalt R. wurde an dessen Stelle Rechtsanwalt T. dem Angeklagten nach dessen Anhörung zur Bestellung von Rechtsanwalt T als Vertreter des beigeordneten Verteidigers R. für den Termin am 09.04.2014 beigeordnet.

Mit Schriftsatz vom 23.04.2014 beantragte Rechtsanwalt T. die Festsetzung von Pflichtverteidigergebühren in Höhe eines Betrages von 718,76 €, der sich aus folgenden Gebührentatbeständen und Rechnungsposten zusammensetzt:

Grundgebühr gern. Nr. 4100 VV RVG: 160,00€
Terminsgebühr gem. Nr. 4120 VV RVG: 424,00 €
Auslagenpauschale gern. Nr. 7002 VV RVG: 20,00 €
Nettobetrag: 604,00 €
19 (3/0 Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG: 114,76€
Gesamtbetrag: 718,76€

Mit Beschluss vom 15.05.2014 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Kosten auf lediglich 504,56 € fest. Abweichend von dem Kostenfestsetzungsantrag wurden die geltend gemachte Grundgebühr und die geltend gemachte Auslagenpauschale sowie der anteilige Umsatzsteuerbetrag unter Hinweis darauf, dass nach der einschlägigen Rechtsprechung des Saarländischen Oberlandesgerichts ein Terminsvertreter lediglich die Gebühren erhalte, die auch der vertretene Rechtsanwalt bei der Wahrnehmung des Termins hätte verdienen können, in Absatz gebracht.

Hiergegen wendet sich Rechtsanwalt T mittels am 20.05.2014 eingelegter Erinnerung, der nicht abgeholfen worden ist.

II.
1.
Die Erinnerung ist gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

2.
Sie verbleibt jedoch ohne Erfolg Die Absetzung der geltend gemachten Grundgebühr und der Auslagenpauschale durch den angefochtenen Beschluss ist ausgehend von der Einordnung der Tätigkeit des Erinnerungsführers als Terminsvertreter [nachstehend unter a)] und deren rechtlicher Zulässigkeit sowie deren vergütungsrechtlicher Beurteilung [nachstehend unter b)] zu Recht erfolgt. Weder der Vortrag des Erinnerungsführers, der im Übrigen in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend ist, soweit behauptet wird, es habe sich um eine „Haftsache" gehandelt, noch die sonst ersichtlichen Umstände rechtfertigen die Bewilligung der geltend gemachten Gebühren gern. Nr. 4100 und 7002 VV RVG. Daraus folgt, dass keine über den festgesetzten Betrag von 504,56 € hinausgehenden Gebühren festzusetzen sind und der angefochtene Beschluss Bestand hat.

a) Der im Hauptverhandlungstermin vom 09.04.2014 gefasste Beschluss der Vorsitzenden zielte nicht auf eine Beiordnung als weiterer Verteidiger, sondern auf eine solche als Vertreter des an der Wahrnehmung des Hauptverhandlungstermins verhinderten beigeordneten Verteidigers ab, die nach überwiegender, von der Kammer geteilter Auffassung rechtlich zulässig ist [vgl. dazu nachstehend unter b)].

aa) Ob eine Bestellung zum Vertreter oder zum weiteren Verteidiger vorliegt, richtet sich in erster Linie nach dem Wortlaut des Beschlusses (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 03.02.2011 - 4 Ws 195/10, juris). Sofern der Beschluss einer eindeutigen Auslegung nicht zugänglich ist, sind die sonstigen Umstände heranzuziehen (vgl. OLG Rostock, Beschl. v. 15.09.2011 — I Ws 201/11, juris).

bb) Ausgehenden von diesen Maßstäben erfolgte die Bestellung des Erinnerungsführers als bloßer Terminsvertreter des beigeordneten Verteidigers R. Der die Beiordnung treffende Beschluss bringt einen Willen zur bloßen „Vertreterbeiordnung" hinreichend zum Ausdruck, indem es heißt: „Dem Angeklagten wird für den heutigen Termin anstelle von Rechtsanwalt RRechtsanwalt T beigeordnet."
Dies findet zudem in der protokollierten Erklärung des Angeklagten Bestätigung, der — nach seinem Einverständnis in die Vertretung durch Rechtsanwalt T. befragt — erklärte: „Ich bin damit einverstanden, dass ich im heutigen Termin anstelle von
Rechtsanwalt R von Herrn Rechtsanwalt T vertreten werde."

cc) Soweit teilweise vertreten wird, die Entscheidung darüber, ob eine (zeitlich befristete) Bestellung zu einem weiteren Verteidiger oder eine auf einen Sitzungstag beschränkte Bestellung zum Vertreter vorliegt, von dem individuellen Umfang der tatsächlich durch den Terminsvertreter entfalteten Tätigkeit einschließlich etwaiger Vor- und Nachbereitungen abhängig zu machen (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 03.02.2011 — 4 Ws 195/10, juris; OLG Rostock, Beschl. v. 15.09.2011 — I Ws 201/11, juris), bedarf dies — wenngleich die Kammer nicht nur an der Praktikabilität (vgl. dazu auch OLG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2012 — 2 Ws 759/12, juris), sondern auch an der Gesetzeskonformität einer solchen Differenzierung Zweifel hegt, keiner Entscheidung. Art und Umfang der Tätigkeit sprechen nicht gegen eine Stellung als bloßer Terminsvertreter.

Denn die seitens des Erinnerungsführers entfaltete Tätigkeit erstreckte sich ausweislich des Protokolls zur Hauptverhandlung auf die Wahrnehmung eines Hauptverhandlungstermins von fünfundvierzigminütiger Dauer einschließlich einer fünfzehnminütigen Unterbrechung. Inhaltlich beschränkte sich die Tätigkeit des Erinnerungsführers dabei — wie im Vorfeld des Termins absehbar — auf die Erklärung, dass der Angeklagte der im vorangegangenen Hauptverhandlungstermin unter Beteiligung des beigeordneten Verteidigers R in Aussicht gestellten, inhaltlich protokollierten und bereits die Zustimmung der Staatsanwalt gefundenen Verständigung zustimme. Dies wird durch das Erinnerungsvorbringen nicht in Zweifel gezogen. Die Einlassung des Angeklagten wurde auf Anregung des Erinnerungsführers dem darauffolgenden Hauptverhandlungstermin unter Wahrnehmung durch den beigeordneten Verteidiger R vorbehalten.

b) Anders als im Fall einer Bestellung eines weiteren Verteidigers, der kraft Beiordnung zur Inanspruchnahme der vollen Vergütung nach Abschnitt 1 Teil 4 VV RVG berechtigt ist, wird die Frage, wie die Tätigkeit des wegen Abwesenheit des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin beigeordneten Verteidigers zu vergüten ist, in der obergerichtlichen Judikatur kontrovers beurteilt (zusammenfassend zum Meinungsstand vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.07.2008 — 3 Ws 281/08, juris).

aa) In Teilen wird vertreten, dass auch dem ausschließlich wegen Abwesenheit des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin beigeordneten Verteidiger die volle Vergütung nach Abschnitt 1 Teil 4 VV RVG zustehe, er mithin über eine Terminsgebühr hinausgehend zumindest eine Grundgebühr sowie eine Kostenpauschale geltend machen könne (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.07.2008 — 3 Ws 281/08, juris; OLG München, Beschl. v. 23.10.2008 — 4 Ws 140/08, NStZ-RR 2009, 32; OLG Köln, Beschl. v. 26.03.2010 — 2 Ws 129/10, juris; OLG Jena, Beschl. v. 08.12.2010 — 1 Ws 318/10, juris; OLG Bamberg, Beschl. v. 21.12.2010 — 1 Ws 700/10, juris; vgl. auch Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, VV 4100 Rn. 8, VV 4106 Rn. 6, der ferner eine Verfahrensgebühr zubilligt).

bb) Nach gegenteiliger Auffassung einer Reihe von Obergerichten soll für die Tätigkeit des vertretenden Verteidigers als bloßer sog. Terminsvertreter nur eine Terminsgebühr anfallen, weil sich die Beiordnung auf die Tätigkeit als Vertreter des die Verteidigung insgesamt führenden Pflichtverteidigers beschränke und der Vertreter für die Wahrnehmung des Hauptverhandlungstermins keine höhere Vergütung beanspruchen könne als in der Person des vertretenen Pflichtverteidigers anfallen würde (vgl. KG Berlin, Beschl. vom 13.03.2008 — 1 Ws 77/08, juris; OLG Gelle, Beschl. v. 10.10.2006 — 2 Ws 258/06, juris; OLG Celle, Beschl. v. 19.12.2008 — 2 Ws 365/08, juris; OLG Hamm, Beschl. v. 28. 11.2006 — 3 Ws 569/06, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschl. v. 25.08.2009 — 2 Ws 111/09, juris).

cc) Die Kammer schließt sich der zuletzt angeführten Rechtsauffassung an mit der Folge, dass der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss zu Recht die seitens des Erinnerungsführers in Ansatz gebrachte Grundgebühr gem. Nr. 4100 VV RVG und die Kostenpauschale gern. Nr. 7002 VV RVG in Absatz gebracht hat und der Erinnerung demnach der Erfolg zu versagen ist.

(a) Die Vertretung eines Pflichtverteidigers durch einen anderen Verteidiger ist rechtlich zulässig, zumindest dann, wenn der andere Verteidiger dem Angeklagten vorübergehend beigeordnet wird (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 19.12.2008 — 2 Ws 365/08, juris; KG, NStZ-RR 2005, 327; Meyer-Goßner, StPO, § 142, Rn. 15). Die in Teilen einer solchen Zulässigkeit entgegengebrachten Argumente und Bedenken teilt die Kammer nicht.

(aa) Soweit angeführt wird, eine Beiordnung lediglich als Vertreter des bereits bestellten Pflichtverteidigers dergestalt, dass der Beigeordnete gleichsam als Hilfsperson des eigentlichen Pflichtverteidigers in dessen Beiordnungsverhältnis miteinbezogen wird, sei der Strafprozessordnung nicht bekannt, vermag dies die Kammer nicht davon zu überzeugen, dem ersatzweise beigeordneten Rechtsanwalt einen über die Gewährung einer Terminsgebühr hinausgehenden Vergütungs- bzw. Festsetzungsanspruch zuzusprechen.

Richtig ist, dass der Gesetzgeber die Vertretung des Pflichtverteidigers außerhalb des § 53 BRAO nicht ausdrücklich geregelt hat. Gleiches gilt allerdings auch für die Bestellung eines weiteren Pflichtverteidigers. Das Oberlandesgericht Rostock hat in nach Auffassung der Kammer zutreffender Weise darauf verwiesen, dass eine sog. Vertreterlösung dem gesetzlichen Leitbild für Fälle der Verhinderung des Pflichtverteidigers entspreche, was sich daran zeige, dass für die typischen Fälle der Verhinderung eines Rechtsanwalts durch Urlaub, Krankheit, auswärtige Tätigkeiten o.ä. in § 53 BRAO durch die Bestellung eines allgemeinen Vertreters eine Vertretungslösung institutionalisiert worden sei (vgl. OLG Rostock, Beschl. v. 1.09.2011 — I Ws 201/11, juris). Dabei ist anerkannt, dass der allgemein bestellte Vertreter insbesondere auch befugt ist, für den Vertretenen sämtliche Aufgaben einer diesem übertragenen Pflichtverteidigung wahrzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 02.09.1975, 1 StR 380/75, NJVV 1975, 2351; Meyer-Goßner, StPO, § 142 Rn. 17).

Für das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Interesse des Angeklagten an einer wirksamen Verteidigung macht es, darauf hat das Oberlandesgericht Rostock nach Auffassung der Kammer zutreffend verwiesen, keinen Unterschied, ob anstelle eines Pflichtverteidigers an einem Verhandlungstag ein allgemein bestellter Vertreter auftritt oder ein nur für den konkreten Verhandlungstag bestellter sog. Terminsvertreter (vgl. OLG Rostock, Beschl. v. 15.09.2011 — I Ws 201/11, juris).

(bb) Aufgrund des durch die Beiordnung begründeten öffentlich-rechtlichen Charakters der Stellung des Pflichtverteidigers kann dieser allerdings außerhalb des Anwendungsbereichs des § 53 BRAO nicht einseitig den Eintritt eines Terrninsvertreters bestimmen, sondern es bedarf einer Mitwirkung des Gerichts durch Bestellung des als Vertreter benannten Rechtsanwalts. Die seitens des Oberlandesgerichts Rostock unter Anwendung des argumentum a maiore ad minus angeführte Argumentationskette, wonach das Pflichtverteidigerverhältnis betreffende, inhaltsändernde Anordnungen in der gleichen Form erfolgen sollten, wie die Begründung des Pflichtverteidigerverhältnisses, macht sich die Kammer dabei insoweit zu eigen, dass aus dem argumentum a maiore ad minus bereits auf vorgelagerter Stufe die Zulässigkeit einer das Pflichtverteidigerverhältnis betreffenden Vertreterbestellung folgt.

(cc) Zugleich besteht nicht bloß aus pragmatischen Überlegungen heraus sondern auch aus rechtlichen Gründen eine Notwendigkeit, in Abstimmung mit dem verhinderten Pflichtverteidiger einen bloßen Terminsvertreter und nicht einen weiteren Verteidiger zu bestellen. Eine dem entgegentretende Ansicht würde die besonderen, restriktiven Voraussetzungen der Beiordnung eines weiteren Verteidigers missachten.

Eine Beiordnung als weiterer Verteidiger ist zulässig und geboten, wenn aufgrund des Umfangs und der Schwierigkeit des Verfahrens ein unabweisbares Bedürfnis dafür besteht, um eine ausreichende Verteidigung zu gewährleisten oder um bei langer Verfahrensdauer ein Weiterverhandeln auch bei vorübergehender Verhinderung eines Verteidigers sicherzustellen (vgl. OLG Frankfurt am Main, StV 1993, 348, 349; Meyer-Goßner, StPO, § 141 Rn. 2).

Zwar ist eine zeitlich beschränkte Beiordnung als weiterer Verteidiger nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Aufgabe eines zweiten Pflichtverteidigers kann allerdings nicht allein auf die Verfahrenssicherung beschränkt werden; sie muss vielmehr in gleicher Weise die sachgerechte Verteidigung des Angeklagten gewährleisten (vgl. OLG Celle, StV 1988, 379, 380; OLG Frankfurt/Main, StV 1995, 68, 69; HansOLG Hamburg, StV 2000, 409).

Ist hei Verhinderung des ersten Pflichtverteidigers die Verteidigung allein von dem zweiten Verteidiger vorzunehmen, so ist im Hinblick auf den grundgesetzlich geschützten Anspruch des Angeklagten auf ein faires Verfahren eine sachgerechte Wahrung seiner Rechte nur dann gewährleistet, wenn auch der zweite Pflichtverteidiger Gelegenheit hat, den gesamten Prozessverlauf zu verfolgen und sich kontinuierlich in den Prozessstoff einzuarbeiten (vgl. OLG Celle, StV 1988, 379, 380).

Die Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers allein zu dem Zweck, eine gegenseitige Vertretung der beiden Verteidiger in der Hauptverhandlung zu ermöglichen, ist deshalb nicht gerechtfertigt. Der bestellte Pflichtverteidiger kann sich lediglich bei einer nur vorübergehenden Verhinderung mit Genehmigung des Gerichts durch einen anderen Rechtsanwalt vertreten lassen (OLG Hamm, Beschl. vom 26.10.2010 — 5 Ws 374/10, 111-5 Ws 374/10, juris).

(b) Ist demzufolge bereits aus Rechtsgründen die Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers ausschließlich zum Zwecke der Vertretung nicht möglich, zugleich das praktische Bedürfnis der Vertretung eines verhinderten Pflichtverteidigers jedoch rechtlich anerkannt, so muss zwischen der Beiordnung eines weiteren Verteidigers und der (temporär beschränkten) Beiordnung eines Vertreters des bestellten Verteidigers unterschieden werden. Im Verhältnis zueinander handelt es sich jeweils um ein aliud mit der Konsequenz differierender gebührenrechtlicher Rechtsfolgen.

(aa) Gebührenrechtlich hat die Beiordnung eines anderen Verteidigers als bloßer Vertreter des verhinderten Pflichtverteidigers zur Folge, dass nur ein Pflichtverteidigermandat abzurechnen ist. Sämtliche Gebühren entstehen daher nur einmal. Nach § 5 RVG entstehen die Vergütungsansprüche in der Person des Vertretenen, welcher sie grundsätzlich im eigenen Namen geltend zu machen hat.

Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen kann er die im Termin durch die Tätigkeit des Terminsvertreters verdienten Ansprüche an diesen abtreten oder ihn ermächtigen, die Ansprüche im eigenen Namen geltend zu machen (Einziehungsermächtigung, §§ 185, 362 Abs. 2 BGB).

Die abweichende Ansicht, welche aus der Beiordnung ableitet, dass der Terminsvertreter auch einen unmittelbar in seiner Person entstehenden Gebührenanspruch erwirbt (vgl. KG aaO), berücksichtigt nicht, dass durch die Beiordnung als Terminsvertreter neben dem bestehenden Beiordnungsverhältnis des weiterhin bestellten Pflichtverteidiger kein weiteres selbständiges Beiordnungsverhältnis begründet wird, sondern der Terminsvertreter in das bestehende Beiordnungsverhältnis einbezogen wird. Es ist nicht erkennbar, warum hier etwas anderes gelten soll, als bei dem allgemein bestellten Vertreter. Die Vorschrift des § 5 RVG, die die Vertretung von Rechtsanwälten gebührenrechtlich regelt, nimmt die Vertretung eines Pflichtverteidigers gerade nicht aus ihrem Regelungsbereich aus, obschon dem Gesetzgeber bei Einführung des RVG bekannt war, dass die Rechtsprechung eine Vertretung auch des Pflichtverteidigers bis dato einhellig für zulässig erachtet hatte (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 19.12.2008 — 2 Ws 365/08, juris; zur Anwendbarkeit von § 5 RVG im Falle der Pflichtverteidigung vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, § 5 Rn. 12 u. 22)

(bb) Dies steht letztlich auch in Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers. Zwar führt die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts zu Teil 4 Abschnitt 1 an, dass jeder Rechtsanwalt, der in dem Verfahren tätig wird, die Gebühr gern. Nr. 4100 VV RVG nur einmal erhalten soll (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 221). Daraus einen Gebührenanspruch des Rechtsanwalts herzuleiten, der als bloßer Vertreter des beigeordneten Verteidigers auftritt, geht nach Auffassung der Kammer fehl. Dass der Gesetzgeber mit der Bezeichnung „jeder Rechtsanwalt" nur einen originären Verteidiger und gerade nicht dessen bloßen Terminsvertreter vor Augen hatte, kommt hinreichend darin zum Ausdruck, dass durch die einführenden Worte der Begründung zu Teil 4 Abschnitt 1 Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts ausdrücklich klargestellt wird, dass in diesem Abschnitt die Gebühren des Verteidigers, Beistandes oder Vertreters im gerichtlichen Verfahren geregelt werden sollen (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 221).

cc) Soweit die Einbeziehung des als Vertrete beigeordneten Rechtsanwalts als Hilfsperson des eigentlichen Pflichtverteidigers in dessen Beiordnungsverhältns entgegengebracht wird, dass der als Vertreter des verhinderten Pflichtverteidigers beigeordnete Verteidiger gegenüber sämtlichen Verfahrensbeteiligten alle strafprozessualen Rechte und Pflichten eines Verteidigers habe(n müsse), ist dies zwar zutreffend, vermag jedoch den Schluss, dem Vertreter sei aufgrund eines eigenen Beiordnungsverhältnisses ein umfassender Gebührenfestsetzungsanspruch gern. Abschnitt 1 Teil 4 VV RVG zu gewähren, nicht zu rechtfertigen. Aus der Inhaberschaft umfassender strafprozessualer Rechte und Pflichten auf ein zwingend originäres Beiordnungsverhältnis und daraus abzuleitende eigene Gebührenansprüche abzuleiten, widerspricht bereits der Regelung des § 53 Abs. 7, Abs. 9 und Abs. 10 S. 2 BRAO. Danach handelt auch der allgemein bestellte Vertreter frei von Weisungen des Vertretenen unter eigenverantwortlicher Wahrnehmung sämtlicher strafprozessualer Rechte, jedoch auf Rechnung des Vertretenen, mithin ohne eigene Gebührenansprüche gegen Mandant oder Staatskasse zu erwerben (zur weisungsfreien Stellung des allgemein bestellten Vertreters vgl. auch Böhnlein, in: Feuerich/VVeyland, BRAO, § 53 Rn. 43 u. 56).

(dd) Die Bestellung eines Terminsvertreters begründet auch keinen Verstoß gegen die Personengebundenheit der Pflichtverteidigung.

Die Beiordnung begründet zwar eine öffentlich-rechtliche Pflicht des beigeordneten Pflichtverteidigers, die Verteidigung selbst eigenverantwortlich zu führen (vgl. MeyerGoßner, StPO, § 142 Rn. 14 f.). Die Bestellung eines Vertreters stellt jedoch gerade keine Übertragung der Beiordnung dar. Der Vertretene bleibt Pflichtverteidiger. Das ist für den allgemein bestellten Vertreter anerkannt und es ist nicht erkennbar, warum für den Vertreter, welcher nur für einen Verhandlungstag in einem konkreten Verfahren bestellt wird, etwas anderes gelten soll (vgl. OLG Rostock, Beschl. v. 15.09.2011 — I Ws 201/11, juris).

(c) Dieses Ergebnis findet letztlich auch in der Überlegung Bestätigung, dass anderenfalls ein Pflichtverteidiger, der sich an verschiedenen Sitzungstagen durch verschiedene Verteidiger vertreten lässt, entweder zulasten des Angeklagten, der bei einer Verurteilung nach Nr. 9007 KV GKG die Verteidigergebühren zu leisten hat, oder zum Nachteil der Staatskasse, die die Pflichtverteidigergebühren verauslagt, zahlreiche Gebührentatbestände entstehen lassen könnte, ohne dass dafür ein sachglicher Grund bestünde (vgl. dazu auch AG Sinzig, Beschl. v. 11.07.2012 — 2090 Js 71483/10 jug - 3 Ds, juris; OLG Celle, Beschl. v. 10.10.2006 — 2 Ws 258/06, juris). Entsprechend hat das Saarländische Oberlandesgericht im Fall eines ersatzweise bestellten Nebenklagevertreters bereits entschieden, dass diesem nur die Gebühren zustehen, die der originär bestellte Nebenklagevertreter geltend machen könnte, sofern er die Tätigkeit selbst ausgeübt hätte (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht, Beschl. v. 29.07.2010 — 1 Ws 82/10). Umstände, die eine davon abweichende Beurteilung im Falle der Beiordnung eines den verhinderten Pflichtverteidiger vertretenden Rechtsanwalts rechtfertigen könnten, vermag die Kammer nicht zu erkennen, zumal in beiden Fällen die identischen Vorschriften und Gebührentatbestände des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes Anwendung finden.

(d) Für die Kostenfestsetzung des Erinnerungsführers bedeutet dies, dass ihm — wie erfolgt — lediglich eine Terminsgebühr gern. Nr. 4120 VV RVG nebst anteiliger Umsatzsteuer zuzusprechen ist, nicht jedoch die weitergehend geltend gemachten Gebühren. Diese hatte der beigeordnete Verteidiger bereits durch seine Tätigkeiten verdient, so dass sie durch die Tätigkeit des Erinnerungsführers als Vertreter nicht ein weiteres Mal entstehen konnten. Hinsichtlich der Aktivlegitimation des Erinnerungsführers ging die Kammer dabei in Anbetracht des Umstandes, dass der beigeordnete und vertretene Verteidiger im Rahmen seines Kostenfestsetzungsantrags auf die Geltendmachung der Terminsgebühr für den durch den Erinnerungsführer wahrgenommenen Termin verzichtet hat, von einer nach § 185, 362 Abs. 2 BGB zulässigen Einziehungsermächtigung für den Vertreter aus (vgl. OLG Rostock, Beschl. v. 15.09.2011 —1 Ws 201/11, juris; OLG Celle aa0).

3.
Die Entscheidung über die Gebührenfreiheit und das Ausbleiben einer Kostenerstattung folgt aus § 56 Abs. 2 S. 2 und S. 3 RVG.


Einsender: Dipl.Rechtspfleger M. Stoll, Saarbrücken

Anmerkung:


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