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Leitsatz: Zur Erforderlichkeit des Ausdrucks digitalisierter Akten durch den Verteidiger
In dem Strafverfahren gegen pp. hier: Beschwerde des Verteidigers gegen die Versagung eines Auslagenvorschusses hat das Oberlandesgericht Rostock -Strafsenat- durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht am 04.08.2014 beschlossen:
1. Die Beschwerde des Verteidigers gegen den Beschluss des Landgerichts Rostock vom 04.06.2014 wird als unbegründet verworfen.
2. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I. Der Beschwerdeführer ist Pflichtverteidiger des wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung u. a. vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Rostock Angeschuldigten K. W. R. Der Umfang der dem Landgericht vorliegenden Akten einschließlich Sonderbände und Sonderhefte beläuft sich auf über 40.000 Blatt. Dem Verteidiger sind nach Anklageerhebung die Akten (nur) in digitalisierter Form als PDF-Dokumente komplett auf einem USB-Speicherstick zur Verfügung gestellt worden.
Mit Schreiben vom 13.09.2013 beantragte der Rechtsanwalt beim Landgericht u. a. die vorschussweise Erstattung der Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV RVG für die Herstellung von 44.198 Ablichtungen (gemeint: Ausdrucken) aus den Strafakten in Höhe von 7.045,70 (netto). Auf entsprechende Anforderung begründete er dies unter dem 11.10.2013 damit, ihm seien die Akten vom Gericht nur elektronisch zur Verfügung gestellt worden, weshalb er sie ausdrucken müsse, um effektiv, d. h. durch Anbringung von Anmerkungen und Markierungen damit arbeiten zu können, was anwaltlich versichert werde.
Dem widersprach die von der Kostenbeamtin eingeschaltete Bezirksrevisorin mit Stellungnahme vom 11.11.2013. Sie führt darin unter ausdrücklicher Ablehnung der gegenteiligen Auffassung des OLG Celle (Beschluss vom 28.11.2011 -1 Ws 451/11 u. a.; juris) im Wesentlichen aus, die Beweislast für die Notwendigkeit des Aktenausdrucks liege bei dem Rechtsanwalt, der die diesbezüglichen Auslagen geltend mache. Mit dem Ausbau der technischen Möglichkeiten hätten sich auch die Bearbeitungsweisen in der Berufswelt geändert. Hierzu gehöre, dass selbst große Textmengen am Bildschirm bearbeitet würden. Auch sei es inzwischen üblich, dass Verteidiger zur Hauptverhandlung einen Laptop mitbrächten, um so erforderlichenfalls auf alle Unterlagen zugreifen zu können. Ferner sei es mittlerweile möglich, mit handelsüblichen Programmen auch an Dokumenten in PDF-Dateien Lesezeichen, Anmerkungen und Hervorhebungen anzubringen.
Der Rechtsanwalt hat sich dazu mit Schreiben vom 28.11. und 17.12.2013 geäußert. Er trägt ergänzend vor, der Umgang mit Papierakten sei im Vergleich zu denjenigen nur in elektronischer Form einsehbaren Akten einfacher und zügiger und damit arbeits- und zeitsparender zu bewältigen. Das gelte in besonderem Maße für umfangreiche Akten, weil diese sich, wenn sie in Papierform vorliegen, schneller und einfacher von Hand sortieren ließen. Auch müsse es dem Beurteilungsermessen des Rechtsanwalts überlassen bleiben, in welcher Art und Weise er eine Akte bearbeite und wie sie ihm vorgelegt werden müsse, um auf diese Weise von ihm bearbeitet werden zu können. Zudem stelle es eine Benachteiligung des Verteidigers gegenüber dem Gericht und der Staatsanwaltschaft dar, wenn letztere die Möglichkeit haben, (auch) mit einer Papierakte zu arbeiten, er das jedoch nur mit einem digitalisierten Exemplar tun könne.
Daraufhin wies die Kostenbeamtin am 18.12.2013 unter Hinweis auf ein anhängiges Parallelverfahren, in dem es ebenfalls um die vorschussweise Erstattung der Dokumentenpauschale ging und dessen Ausgang deshalb abgewartet werden solle, im Einvernehmen mit dem Verteidiger zunächst nur die von diesem geltend gemachten Gebühren sowie die Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV-RVG in Höhe von insgesamt 495,04 (brutto) zur Zahlung an. Nach Abschluss des anderen Kostenfestsetzungsverfahrens, das - wenn auch aus anderen Gründen als hier in Rede stehend - zugunsten des dortigen Verteidigers ausging, wies die Kostenbeamtin am 11.03.2014 weitere 7.889,34 (brutto) und damit die gesamte beantragte Dokumentenpauschale zur Zahlung an den Verteidiger an und setzte diese mit Beschluss vom 26.03.2014 nachträglich auch förmlich fest, weil die Bezirksrevisorin angekündigt hatte, dagegen Einwendungen erheben zu wollen.
Das geschah mit Schreiben vom 07.04.2014. Darin führt die Bezirksrevisorin im Wesentlichen unter Wiederholung ihrer Stellungnahme vom 11.11.2013 sowie unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Köln vom 11.12.2009 - 2 Ws 496/09 - (juris) sinngemäß ergänzend aus, es sei nicht erkennbar, wieso einem Verteidiger nicht zumutbar sei, ihm in digitaler Form überlassene Akten am Bildschirm zu lesen und zu bearbeiten. Schließlich werde in absehbarer Zeit in der gesamten Justiz die elektronische Akte eingeführt. In Teilbereichen sei das bereits jetzt der Fall. Was den dortigen Mitarbeitern, die sich bislang auch nicht darüber beklagt hätten, bei der Führung und Bearbeitung einer elektronischen Akte möglich und zumutbar sei, müsse auch für einen Rechtsanwalt gelten.
Das Landgericht Rostock hat nach Übertragung der Sache wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung vom Einzelrichter auf die gesamte Kammer auf die Erinnerung der Bezirksrevisorin den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.03.2014 mit Beschluss vom 04.06.2014 aufgehoben und den Antrag des Rechtsanwalts auf vorschussweise Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen abgelehnt, soweit ihm nicht bereits durch den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.12.2013 entsprochen wurde. Im Ergebnis läuft dies auf die Versagung der geltend gemachten Kostenpauschale für das Ausdrucken der Akten hinaus.
Ergänzend zu den Ausführungen der Bezirksrevisorin, denen sich die Kammer angeschlossen hat, hat das Landgericht ausgeführt, die dem Verteidiger in digitalisierter Form zur Verfügung gestellten Akten seien auch in diesem Format in Sachbände, Sonderbände und Sonderhefte unterteilt, wobei in einem eigenen Unterordnerverzeichnis, aufgegliedert nach den einzelnen Angeschuldigten, deren bisherige Einlassungen sowie die konkret sie betreffenden Ermittlungsmaßnahmen dokumentiert seien. Ferner gebe es entsprechende Unterverzeichnisse zu Zeugenvernehmungen, Durchsuchungs- und TKÜ-Maßnahmen und weiteren Ermittlungsbereichen, die ihrerseits wieder nach einzelnen Personen oder Maßnahmen untergliedert seien. Diese Struktur ermögliche es, sich, ausgehend von der Anklageschrift, innerhalb weniger Wochen zumindest einen Überblick vom wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zu verschaffen. Auch dem Gericht sei es möglich gewesen, sich anhand der Anklageschrift mithilfe der elektronischen Doppelakte für jeden der Angeschuldigten die ihn betreffenden und für die Beurteilung des Tatvorwurfs bedeutsamen Dokumente zu erschließen. Der Verteidiger könne deshalb keinesfalls pauschal die Auslagen für den Ausdruck der gesamten Akten beanspruchen. Vielmehr sei es ihm zuzumuten, diese innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden Zeit zunächst am Bildschirm zu sichten und sodann eine Auswahl zu treffen, welche Aktenbestandteile er gegebenenfalls für seine weitere Tätigkeit (auch) auf Papier ausgedruckt benötige. Auf entsprechend begründeten Antrag seien dann allenfalls die für die Erstellung eines solchen papiernen Aktenauszugs anfallenden Auslagen zu erstatten.
Gegen diese Entscheidung hat der Rechtsanwalt mit am 13.06.2014 beim Landgericht eingegangenen Schreiben vom 11.06.2014 Beschwerde eingelegt, die er mit weiterem Schreiben vom 30.06.2014 näher begründet hat. Er wiederholt und vertieft darin sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, er brauche sich als Rechtsanwalt nicht auf die Arbeitsweisen und -vorlieben von Gericht und Staatsanwaltschaft mit elektronischen Akten einzulassen. Seine langjährige Arbeitsweise in der Kanzlei sei auf papierne Akten ausgerichtet. Dort finde bislang lediglich eine elektronische Aktenverwaltung aber keine elektronische Aktenbearbeitung statt. Auch sei es ihm nicht zumutbar, sich für die Teilnahme an der Hauptverhandlung eine Abspielmöglichkeit anzuschaffen, um damit auf die vollständige elektronische Akte zugreifen zu können, zumal es nicht gewährleistet sei, dass er ein solches Gerät während der gesamten Dauer eines Sitzungstages im Gericht betreiben könne. Dies sei in deutschen Gerichten nicht zwangsläufig der Fall. Das damit verbundene (technische) Ausfallrisiko könne er als Verteidiger nicht eingehen. Er bearbeite deshalb auch im Sitzungssaal seine Akten grundsätzlich in ausgedruckter Form. Alles andere würde ihm seine Verteidigertätigkeit fast unmöglich machen. Eine ihn betreffende gesetzliche Verpflichtung zur Arbeit mit elektronischen Akten gebe es zudem bislang nicht.
Die Kammer hat der Beschwerde unter dem 10.07.2014 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Die Bezirksrevisorin hat im Beschwerdeverfahren auf eine (ergänzende) Stellungnahme verzichtet.
II.
Die Beschwerde ist statthaft und innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG angebracht worden, mithin zulässig. Das Rechtsmittel, über das der Senat in der Besetzung mit drei Richtern zu befinden hat (§ 33 Abs. 8 Satz 1 letzter Halbsatz RVG e contrario) bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 RVG kann ein beigeordneter Rechtsanwalt, dem - wie hier - wegen seiner Vergütung ein Anspruch gegen die Staatskasse zusteht, u. a. für die voraussichtlich entstehenden Auslagen aus der Staatskasse einen angemessenen Vorschuss fordern.
a) Nr. 7000 Abs. 1 a) VV RVG, bei der es sich gegenüber § 46 Abs. 1 RVG um die speziellere Regelung handelt, sieht einen Anspruch des Rechtsanwalts auf (pauschalen) Ersatz seiner Auslagen für Ausdrucke aus Gerichtsakten nur in dem Umfang vor, wie deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten ist. Was in diesem Zusammenhang zur Bearbeitung einer Sache sachgemäß ist, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Auffassung des beigeordneten Rechtsanwalts, sondern nach dem objektiven Standpunkt eines vernünftigen sachkundigen Dritten (Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl., Rdz. 6 zu Nr. 7000 VV RVG m. w. N.; BGH MDR 2005, 956; AGS 2005, 573; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., VV 7000 Rdn. 55 m. w. N.). Es kommt dabei auf die Verfahrensart und den konkreten Sachverhalt sowie auf die aktuelle Verfahrenslage an (Hartmann a. a. O. § 46 RVG Rdz. 14 f. m. w. N.). Eine bloße Erleichterung oder Bequemlichkeit reicht jedoch ebenso wenig, wie eine bloße Zweckmäßigkeit (Hartmann a. a. O. Nr. 7000 VV RVG, Rdz. 23 Zweckmäßigkeit; § 46 RVG Rdz. 17). Allerdings hat der Anwalt einen gewissen, nicht zu engen, sondern eher großzügigen Ermessensspielraum, den er allerdings auch pflichtgemäß handhaben muss (Hartmann a. a. O. Rdz. 6), indem er den allgemeinen Grundsatz kostenschonender Prozessführung berücksichtigt (Hartmann a. a. O. § 46 RVG, Rdz. 15 ff.; Müller-Rabe a. a. O. Rdz. 56; OLG Celle, Beschlüsse vom 22. Oktober 2010 - 1 Ws 547/10 - und vom 28. November 2011 -1 Ws 415/11, 1 Ws 416/11, 1 Ws 417/11, 1 Ws 418/11 -, juris; ebenso KG, Beschluss vom 27. Mai 2008 - 2/5 Ws 131/06).
b) Während in § 46 Abs. 1 RVG die Darlegungs- und Beweislast, eine vom beigeordneten Rechtsanwalt gegenüber der Staatskasse geltend gemachte Auslage sei zur sachgerechten Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich gewesen, wegen der dort gewählten negativen Formulierung bei der nach § 45 Abs. 1 RVG grundsätzlich vergütungspflichtigen Staatskasse liegt, ist dies bei der Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV-RGV ausweislich der dort verwendeten positiven Formulierung umgekehrt: Der Rechtsanwalt kann die Pauschale - auch gegenüber der Staatskasse - nur in Rechnung stellen, soweit die Herstellung der Dokumente (hier: der Ausdruck der Akten) zur sachgemäßen Bearbeitung durch ihn geboten war. Die Darlegungs- und Beweislast dafür liegt also bei ihm.
2. Unter Berücksichtigung des Vorstehenden ist vorliegend nicht erkennbar, dass der komplette Ausdruck der aus über 40.000 Blatt bestehenden Akten für die sachgerechte Bearbeitung durch den Verteidiger im Sinne von Nr. 7000 Abs. 1 a VV RVG geboten ist.
a) Dem Verteidiger stehen die kompletten Akten dauerhaft in digitalisierter Form zur Verfügung. Er kann darauf -das Vorhandensein entsprechender Hard- und Software vorausgesetzt - jederzeit Zugriff nehmen. Eine Fallkonstellation, in dem die Gerichtsakten dem Rechtsanwalt nur vorübergehend überlassen wurden und er deshalb, auch um auf alle künftigen Eventualitäten im weiteren Verfahren vorbereitet zu sein, eher zu viel als zu wenig daraus für seine eigenen Unterlagen kopieren bzw. ausdrucken muss, ist deshalb vorliegend nicht gegeben.
Das gilt auch während der Teilnahme an einer etwaigen Hauptverhandlung. Die aktuell am Markt befindlichen mobilen Computer verfügen über genügend Akku-Kapazität, um selbst während langer Sitzungstage dauerhaft in Betrieb bleiben zu können. Erforderlichenfalls wird dem Verteidiger im Verhandlungssaal die Möglichkeit zum Abschluss seines Computers an das Stromnetz zu gestatten sein.
b) Mit dem Einwand, ihm sei die Anschaffung einer entsprechenden Abspielmöglichkeit eigens für die Hauptverhandlung, um damit auf die digitalisierten Akten zugreifen zu können, nicht zumutbar, kann der Verteidiger ebenfalls nicht gehört werden.
Der Senat hat angesichts der nachfolgend unter c) dargelegten Erkenntnisse schon keinen Zweifel daran, dass der Rechtsanwalt bzw. die Kanzlei, in der er tätig ist, über eine geeignete mobile Abspielmöglichkeit verfügt. Ansonsten wäre eine solche im Zuge der berufsrechtlichen Verpflichtung, die für die Verteidigertätigkeit erforderlichen sachlichen Voraussetzungen vorzuhalten (§ 5 BO), umgehend zu beschaffen.
c) Der Verteidiger trägt nicht vor, dass ihm das Studium und die Arbeit mit der digitalisierten Akte innerhalb seiner Kanzleiräume technisch nicht möglich sei. Er teilt selbst mit, dass dort eine elektronische Aktenführung stattfindet. Die von ihm stammenden Schriftsätze sind nicht auf einer Schreibmaschine, sondern mittels Computer und einer vorhandenen Textbe- und Verarbeitungssoftware gefertigt worden. Auch ist die Kanzlei offenbar in der Lage, die digitalisierte Akte auszudrucken, was bedeutet, dass eine Software zum Öffnen (und Anschauen) der einzelnen PDF-Dokumente dort vorhanden ist. Ferner verfügt die Kanzlei nach den Hinweisen auf ihren Briefbögen nicht nur über einen eigenen Internet-Auftritt, sondern neben einem Fax-Anschluss auch über eine E-Mail-Adresse, was belegt, dass eine elektronische Kommunikation auch auf diesem Wege mit ihr möglich ist. Auf der Webseite der Kanzlei wird dazu sogar ausdrücklich ermuntert. Auch findet sich auf den Briefbögen der Kanzlei der Hinweis nach § 33 BDSG: Hier verwendete Daten werden gespeichert.
Dem auf der Internetseite der Kanzlei angelegten persönlichen Profil des Rechtsanwalts ist darüber hinaus zu entnehmen, dass er u. a. auch in Wirtschaftsstrafsachen verteidigt, ein Fernstudium in Betriebswirtschaftslehre absolviert hat, Dozent an einer Fachhochschule und Mitarbeiter eines juristischen Online-Reports ist. All das deutet zur Überzeugung des Senats darauf hin, dass der Verteidiger sowohl über die technischen Möglichkeiten wie auch über die edv-fachlichen Fähigkeiten verfügt, um mit digitalisierten Dokumenten zu arbeiten. Er gehört damit nicht zu der in der Kommentarliteratur beschriebenen Gruppe älterer und für die ausschließliche Arbeit mit elektronischen Dokumenten nicht ausreichend geübten Anwälten (vgl. Müller-Rabe a. a. O. Rdz. 58), auf deren subjektives Unvermögen bei der Beurteilung der Frage, ob ein kompletter Ausdruck der Gerichtsakten zur sachgerechten Bearbeitung der Sache geboten war, sonst möglicherweise auch kostenrechtlich Rücksicht zu nehmen wäre.
d) Das Studium umfangreicher Akten am Bildschirm mag von dem Rechtsanwalt als beschwerlicher und für die Augen ermüdender empfunden werden als das Lesen von Akten auf Papier. Dabei handelt es sich indes allein um persönliche Befindlichkeiten. Eine objektive Notwendigkeit, die Akten deshalb (vollständig) auszudrucken, folgt daraus ebenfalls nicht. Im Übrigen kann den geklagten Erschwernissen durch die Auswahl eines geeigneten Bildschirms, durch eine edv-gerechte Ausgestaltung des Arbeitsplatzes und erforderlichenfalls durch eine darauf abgestimmte Lesehilfe weitgehend begegnet werden.
Die - ausnahmslose - elektronische Aktenbearbeitung findet bereits in weiten Teilen der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung statt. Auch soweit es nicht um die Arbeit mit elektronischen Akten geht, gehört die oft stundenlange Tätigkeit am Bildschirm mittlerweile für viele Berufstätige - so auch für die Senatsmitglieder - zum normalen Arbeitsalltag. Auch von daher ist nicht ersichtlich, warum dem Rechtsanwalt eine solche Arbeitsweise nicht zumutbar sein sollte. Der Senat folgt der insoweit gegenteiligen Auffassung des OLG Celle (Beschluss vom 28. November 2011 -1 Ws 415/11, 1 Ws 416/11, 1 Ws 417/11, 1 Ws 418/11 -, Rdz. 10 in juris) und des LG Duisburg (StraFo 2014, 307) deshalb nicht.
e) Der Rechtsanwalt musste die umfangreichen Akten auch nicht etwa unter besonderem Zeitdruck studieren und bearbeiten. Diese stehen ihm seit Anklageerhebung, mithin seit nunmehr über einem Jahr zur Verfügung. Innerhalb dieses Zeitraums wäre es ihm objektiv möglich und zumutbar gewesen, die digitalisierten Akten am Bildschirm wenigstens daraufhin durchzusehen, ob und welche Teile er für seine weitere Tätigkeit, insbesondere während einer eventuellen Hauptverhandlung, zur sachgerechten Verteidigung des Mandanten auch in Papierform benötigt (vgl. zu diesem Erfordernis einer Vorauswahl Bräuer in Bischof/Jungbauer, RVG 6. Aufl. Rdz. 11D zu Nr. 7000 VV m. w. N.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.03.2012 -2 Ws 49/12 = NStZ-RR 2014, 2; OLG Köln NStZ-RR 2012, 392 mit abl. Stellungnahme Hansens RVGreport 2012, 428). Dabei deutet schon das Argument des Rechtsanwalts, er könne die ausgedruckten Akten schneller und einfacher von Hand sortieren und mit Anmerkungen und Anstreichungen versehen, darauf hin, dass es ihm vornehmlich darum geht, sich einen von ihm für notwendig erachteten Aktenauszug zu fertigen. Dem Senat erscheint es eher fern liegend, dass der Verteidiger sich mit dem gesamten, bei einem Ausdruck rund 80 Stehordner füllenden Akten sitzungstäglich in die Hauptverhandlung begeben und dort damit arbeiten würde.
Eine solche Vorsichtung der Akten und die gezielte, nicht notwendig abschließende Auswahl bestimmter, für seine weitere Verteidigertätigkeit bedeutsamer Aktenteile, die er deswegen auf Papier benötigt, ist dem Rechtsanwalt vorliegend auch deshalb zumutbar, weil die Akten in ihrer digitalisierten Form durch Anlegen von Ordnern und Unterordnern mit entsprechenden Verzeichnissen so strukturiert sind, dass der gezielte Zugriff auf bestimmte Informationen dadurch beträchtlich erleichtert wird.
3. Die Beschwerde des Verteidigers konnte danach keinen Erfolg haben. Es bleibt ihm unbenommen, nach getätigter Vorauswahl einen erneuten Antrag auf Zahlung eines Auslagenvorschusses aus der Staatskasse für den Ausdruck eines Aktenauszuges zu stellen, der dann anhand der zu seiner Erforderlichkeit abgegebenen Begründung zu prüfen sein wird.
III. Der tenorierte Ausspruch über die Kosten und Auslagen des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.
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