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RVG Entscheidungen

Nr. 4102 VV

Terminsgebühr, Täter-Opfer-Ausgleich-Gespräch

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Saarbrücken, Beschl. v. 22.01.2015 -3 KLs 3/14-

Leitsatz: 1. Für das Entstehen der Terminsgebühr Nr. 4102 Ziff. 4 VVRVG genügt zum einen die Besprechung eines Täter-Opfer-Ausgleichs (TOA) durch die Verfahrensbeteiligten, sei es nun in einem streitigen oder einvernehmlichen Gespräch. Der ursprüngliche Zweck eines Treffens ist nicht entscheidend, insoweit ist auch ein "Spontan-Termin" möglich.
2. Die Gebühr Nr. 4102 Ziff. 4 VV RVG honoriert keine Anbahnungs- oder Sondierungsgespräche im Rahmen des TOA. Diese werden durch die allgemeine Verfahrensgebühr abgegolten.


3 KLs 13/14
Landgericht Saarbrücken
Beschluss
In der Strafsache
gegen pp.
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern
hier: Beschwerde gegen Kostenfestsetzung durch die Nebenklägervertreterin Rechtsanwältin
hat die 3. Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken
gern. §§ 56 Abs. 2 S. 1; 33 Abs. 8 S. 1 RVG
durch den Richter am Landgericht Krämer als Einzelrichter beschlossen:

Die der Rechtsanwältin Saarbrücken aus der Landeskasse zu erstattenden
notwendigen Auslagen werden in Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Saarbrücken vom 10 12.2014 [Az.: 3 KLs 13/14] auf
EUR 991,44
festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken erhob mit Anklageschrift vom 11.04 2014 gegen den Angeklagten den Vorwurf des mehrfachen schweren sexuellen und sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie den Vorwurf der Nötigung. Frau Rechtsanwältin (Erinnerungsführerin) wurde den geschädigten Nebenklägerinnen und mit Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 12.06.2014 als Beistand bestellt.

Zur Vorbereitung der Hauptverhandlung fand am 03.07.2014 mit der Erinnerungsführerin, der Vertreterin der Staatsanwaltschaft, dem Verteidiger und zwei berufsrichterlichen Kammermitgliedern ein Rechtsgespräch zum Ergebnis des Verfahrens statt. Im Rahmen des Gesprächs wurde auf Anregung des Verteidigers auch ein Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) erörtert. Insoweit wurde besprochen, dass Schmerzensgeldzahlungen an die Nebenklägerinnen erfolgen sollten und sich der Angeklagte mündlich bzw. schriftlich bei Ihnen entschuldigt. Die genaue Höhe der Schmerzensgeldzahlungen stand noch nicht fest und die Erinnerungsführerin wollte diese mit den Nebenklägerinnen abklären.

Mit Schriftsatz vom 17.10.2014 machte die Erinnerungsführerin folgende Auslagen gegen die Landeskasse geltend:

Grundgebühr für Verteidiger, Nr. 4100 VV RVG 132,00 €
Verfahrensgebühr für Ermittlungsverfahren; Nr. 4104 VV RVG 145,60 €
- Gebührenerhöhung Nr. 1008 VV RVG um 0,3 wegen 2 Auftraggeber -
Terminsgebühr für Teilnahme an Verhandlungen im Rahmen des Täter-
Opfer-Ausgleichs Nr. 4102 Nr. 4 VV RVG 112,00 €
Verfahrensgebühr für ersten Rechtszug vor Strafkammer/Jugendkammer
Nr. 4112 VV RVG 161,20 €
- Gebührenerhöhung Nr. 1008 VV RVG um 0,3 wegen 2 Auftraggeber -
Terminsgebühr für Hauptverhandlung vor Strafkammer, Nr. 4114 VV RVG 216,00 €
Pauschale für Post und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
Dokumentenpauschale für Ablichtungen (185 sw), Nr. 7000 Nr. 1a 45,25 €
Zwischensumme netto 832,05 €
19 % Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG 158,09 €
Parkauslagen 0,70 €
Parkauslagen 0,60 €
zu zahlender Betrag 991,44 €

Mit dem angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.12.2014 setzte das Landgericht durch die Urkundsbeamtin des gehobenen Justizdienstes die der Erinnerungsführerin aus der Landeskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen als bestellte Rechtsanwältin auf EUR 858,16 fest. Die Absetzung der Gebühr Nr. 4102 Nr. 4 RVG wurde damit begründet, dass es an einem Termin, insbesondere an Verhandlungen im Sinne eines TOA fehle. Es liege lediglich eine Vorbereitungshandlung zu diesem Verfahren vor. Hiergegen erhob die Erinnerungsführerin mit Schriftsatz vorn 17.12.2014 Erinnerung.

II.

1.
Die Erinnerung ist zulässig.
Richtiger Rechtsbehelf gegen die Kostenfestsetzung gern. § 55 RVG durch den Rechtspfleger, als Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, ist gern. § 56 ZPO Abs. 1 S. 1 RVG die Erinnerung. Über sie entscheidet das Gericht des Rechtszuges, bei dem die Festsetzung erfolgte. Zunächst ist der Urkundsbeamte betreffend seiner Entscheidung abhilfebefugt. Von einer Abhilfe hat die Urkundsbeamtin im vorliegenden Fall Abstand genommen. Funktionell zuständig für eine Entscheidung über die Erinnerung ist bei einem Kollegialgericht gern. § 56 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 8 S 1 RVG der nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständige Einzelrichter.

Die Beschwerde ist nicht fristgebunden und wurde formgerecht beim judex a quo eingelegt.

2.
Die Erinnerung ist auch begründet.

a) Das Verfahren der Kostenfestsetzung vor dem Landgericht Saarbrücken ist nicht zu beanstanden. Insbesondere wurde sowohl dem Bezirksrevisor als auch der Erinnerungsführerin ausreichend rechtliches Gehör gewährt. Eine Entscheidung im Rahmen der Abhilfemöglichkeit des Urkundsbeamten erfolgte ebenfalls.
b) In der Sache hat die Erinnerung Erfolg, da die Voraussetzungen zur Festsetzung der Gebühr Nr. 4102 Nr. 4 VV RVG für die Teilnahme an Verhandlungen im Rahmen eines Täter-Opfer- Ausgleichs durch einen gerichtlich bestellten Rechtsanwalt gegeben sind.

Sinn und Zweck des TOA ist es, neben einer materiellen Leistung an ein Opfer, auch ein personales Element der Kommunikation im Bemühen um einen Ausgleich zu fördern (Dölling/Duttge/Rössner - Rössner/Kempfer, 3. Aufl. 2013, § 46a, Rdnr. 5). Damit dieses Verfahren gestärkt wird, ist es erforderlich, für die im Verfahren auf Opfer- oder Täterseite tätigen Rechtsanwälte, einen gebührenrechtlichen Anreiz zu setzen, weswegen eine entsprechende Regelung im Vergütungsverzeichnis des RVG geschaffen wurde (vgl. BT-Drucks. 14/1971, S. 221). Dieses Ziel kann jedoch nur erreicht werden, wenn die Regelung teleologisch bzw. weit ausgelegt wird, damit viele Fallkonstellationen erfasst werden (vgl. Gerhold, Täter-OpferAusgleich, JurBüro 4/2010, 172, 173). Entscheidendes Kriterium ist die Teilnahme an einem Verhandlungstermin. Das Wesen eines Termins ist die Verabredung eines Zeitpunktes und eines Ortes, um eine Übereinkunft zu besprechen.

Ausgangspunkt des Treffens der Erinnerungsführerin, des Verteidigers, der Vertreterin der Staatsanwaltschaft und den zwei berufsrichterlichen Kammermitgliedern war es, eine Verständigung über das Ergebnis des Verfahrens zu erzielen. Unter Berücksichtigung des Gedankens einer weiten Auslegung der hier einschlägigen gebührenrechtlichen Vorschrift, kann der Grund eines Treffens bzw. Termins nicht entscheidend sein. Vielmehr genügt die Besprechung eines TOA durch die Verfahrensbeteiligten, sei es nun in einem streitigen oder einvernehmlichen Gespräch (vgl. LG Kiel, Beschluss vom Burhoff - Burhoff, RVG, 3. Aufl. 2012, Nr. 4102 VV, Rdnr.38). Der ursprüngliche Zweck eines Treffens ist nicht entscheidend, insoweit ist auch ein „Spontan-Termin" möglich (vgl. AG Münster, Beschluss vom 30.04.2007, Az. 21 Ls 248/04, in RVGreport 8/2007, 303). Die Situation im vorliegenden Fall ist vergleichbar einem „Spontan- Termin", da das Treffen zum Rechtsgespräch „spontan" in ein Gespräch zum TOA übergleitet wurde. Die Erörterung eines Ausgleichs für die Nebenklägerinnen wurde ein wesentlicher Bestandteil des Treffens. Es fand damit ein Termin statt.

Ferner ist auch ein Verhandeln zum TOA gegeben. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Gebühr Nr. 4102 Nr. 4 VV RVG keine Anbahnungs- oder Sondierungsgespräche im Rahmen des TOA honoriert werden, da diese durch die allgemeine Verfahrensgebühr abgegolten werden (Gerhold, aaO., 172, 175). Vielmehr ist eine inhaltliche Besprechung der Beteiligten zu einem TOA erforderlich, was eine grundsätzliche Einigungsbereitschaft voraussetzt (vgl. Gerold/SchmidtBurhoff, 21. Aufl. 2013, VV 4102, 4103, Rdnr. 7). Bei den Nebenklägerinnen als Opfer lag eine Einigungsbereitschaft vor. Der gerichtliche Vermerk zum Treffen am 03.07.2014 ist dahingehend zu verstehen, dass die Erinnerungsführerin nur die Höhe der Schmerzensgeldzahlungen mit den Nebenklägerinnen besprechen wollte, wobei die Zahlungen von mehreren tausend EURO andiskutiert wurden. Dies zeigt, dass eine grundsätzliche Einigungsbereitschaft gegeben war. Die Initiative des Verteidigers zu einem TOA war von dem Gedanken getragen, einen Rechtsfrieden herzustellen, da eine schriftliche und mündliche Entschuldigung des Angeklagten gegenüber den Nebenklägerinnen erörtert wurde. Damit ist auch das personal-kommunikative Element eines TOA gegeben. Es gab daher ein konkretes Angebot über welches verhandelt wurde. Die im Festsetzungsbeschluss zitierte Entscheidung des Amtsgerichts Schwäbisch Hall führt zu keiner anderen Bewertung der Rechtslage. Das Amtsgericht hatte den Sachverhalt zu entscheiden, dass der Verteidiger Kontakt zum Opfer aufgenommen hatte, um eine Einigungsbereitschaft zu klären (vgl. AG Schwäbisch Hall, Beschluss vom 13.07.2011, Az.: 1 Ls 41 Js 3615/10 zit. nach BeckRS 2011, 24645). Der vorliegende Fall ist anders gelagert, denn die Erörterungen gingen eindeutig über ein Anbahnungsgespräch hinaus.

Damit berechnet sich der Erstattungsanspruch der Erinnerungsführerin wie folgt:
1. Grundgebühr für Verteidiger, Nr. 4100 VV RVG
2. Verfahrensgebühr für Ermittlungsverfahren; Nr. 4104 VV RVG - Gebührenerhöhung Nr. 1008 VV RVG um 0,3 wegen 2 Auftraggeber -
3. Terminsgebühr für Teilnahme an Verhandlungen im Rahmen des
Täter-Opfer-Ausgleichs Nr. 4102 Nr. 4 VV RVG
4. Verfahrensgebühr 1. R.-zug vor Strafkammer/Jugendkammer
Nr. 4112 VV RVG
- Gebührenerhöhung Nr. 1008 VV RVG um 0,3 wegen 2 Auftraggeber -
5. Terminsgebühr für Hauptverhandlung vor Strafkammer, Nr. 4114 VV RVG 132,00 €
145,60 €
112,00 € 161,20 € 216,00 €
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6. Pauschale für Post und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 20,00
7 Dokumentenpauschale für Ablichtungen (185 sw), Nr. 7000 Nr. la 45,25
Zwischensumme netto 832,05
19 % Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG 158,09
Parkauslagen 1,30
zu zahlender Betrag 991,44 €

Nach dem Grundsatz „ne ultra petita" ist eine Festsetzung von Gebühren, die über den Antrag des Rechtsanwaltes hinausgehen nicht zulässig (vgl. Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, aaO., § 55, Rdnr. 26). Insoweit kann gern. § 60 Abs. 1 RVG nicht der gültige Gebührenrahmen zum Zeitpunkt der Bestellung der Erinnerungsführerin zum Beistand (Geltungszeitraum vom 01.01.2014 bis 15 07.2014) bei der Gebührenfestsetzung berücksichtigt werden. Die Erinnerungsführerin legte ihrem Antrag die niedrigeren Gebühren, welche noch im Geltungszeitraum des VV RVG vom 01 11.2012 bis 31.07.2013 maßgebend waren, zu Grunde.

3. Die Entscheidung der Kammer ergeht gem. § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 1 RVG grundsätzlich durch den Einzelrichter. Eine Übertragung auf die Kammer scheidet aus, da es insoweit an einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage fehlt (vgl. Meyer/Kroiß - Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, § 52, Rdnr. 30). Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Anwendungsbereich des Gebührentatbestandes Nr. 4102 Nr. 4 VV RVG weit auszulegen ist, wie dies von der Kammer auch vorgenommen wurde. Ferner weist die vorliegende Sache keine Züge eines Musterverfahrens auf. Es liegt ein nicht so oft auftretender Einzelfall vor, dass im Rahmen eines Rechtsgesprächs auch Verhandlungen zu einem TOA geführt werden.

Ebenfalls scheidet die Zulassung der Beschwerde gern. §§ 56 Abs. 2 S. 1; 33 Abs. 3 S. 2 RVG aus. Die Rechtsfortbildung ist weitestgehend erfolgt und eine einheitliche Rechtsprechung im Saarland ist durch die hiesige Entscheidung im ausreichenden Maße gegeben. Ferner fehlt es an der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Rechtsfrage.

Einsender: Dipl.Rechtspfleger M. Stoll, Saarbrücken

Anmerkung:


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