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RVG Entscheidungen

§ 14 – Bußgeldverfahren

Bußgeldverfahren, Rahmengebühren, Bemessung

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Meißen, Beschl. v. 23.01.2015 - 13 OW 703 Js 22714/12

Leitsatz: 1. Anwaltliche Tätigkeit in Verkehrsordnungswidrigkeiten sind nicht grundsätzlich lediglich als unterdurchschnittlich einzustufen.
2. Zur Bemessung der anwaltlichen Gebühren in Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren.


Bußgeldsachen
Aktenzeichen: 13 OW 703 Js 22714/12
BESCHLUSS
In dem Bußgeldverfahren gegen
geboren am
Verteidiger: Rechtsanwalt
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit hier. Kostensache
ergeht am 23.01.2015
durch das Amtsgericht Meißen - Bußgeldrichter -
nachfolgende Entscheidung:
Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Meißen vom 27.03.2013 wird auf die Erinnerung des Verteidigers abgeändert und dem Betroffenen weitere außergerichtliche Auslagen in Höhe von 160,35 €, die ab dem 05.07.2012 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen sind, erstattet.
Gründe
Der Verteidiger beantragte mit dem am 05.07.2012 eingegangen Schreiben die Erstattung der dem Betroffenen entstandenen Verteidigergebühren in Höhe von 627,73 € nachdem der Staatskasse durch den Einstellungsbeschluss des Amtsgerichts Meißen gemäß § 47 Abs. 2 OWiG sowohl die Kosten des Verfahrens als auch die außergerichtlichen Auslagen des Betroffenen auferlegt worden waren.
Der Verteidiger legte seiner Gebührenfestsetzung gemäß § 14 RVG jeweils die Mittelgebühren der Grund- und Verfahrensgebühren Nr. 5100, 5103 und 5109 \N RVG zugrunde und bezifferte die entstandenen Auslagen.
Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Meißen anerkannte dies nicht als für die Staatskasse verbindlich, ersetzte die Gebührenbestimmung des Verteidigers und setzte Gebühren unterhalb der Mittelgebühren fest. Auf die Begründung des Kostenfestsetzungbeschlusses wird verwiesen.
Hiergegen legte der Verteidiger Erinnerung ein.
Die Rechtspflegerin des Amtsgericht Meißen half der Erinnerung und der Anschlusserinnerung nicht ab.
II.
Auf die zulässige Erinnerung des Verteidigers hat das Gericht über den Antrag auf Festsetzung der von der Staatskasse zu erstattenden Gebühren neu zu entscheiden.
Im Ergebnis dessen sind die vom Verteidiger festgesetzten Gebühren in vollem Umfang zu er-statten. Die Gebührenfestsetzung des Anwalts ist gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG für die Staatskasse verbindlich, da sie nicht unbillig ist.
in Bußgeldverfahren erhält der Verteidiger Rahmengebühren, welche der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 RVG im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen bestimmt. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
Von Letzterem ist die Rechtspflegerin hinsichtlich der Gebühren Nr. 5100 und 5110 VV in nicht zutreffender Weise ausgegangen. Im Übrigen ist gegen die Einschätzung der Rechtspflegerin hinsichtlich der von der Staatskasse angegriffenen Festsetzung der jeweiligen Mittel-gebühren nichts zu erinnern.
Das Amtsgericht Meißen folgt der Rechtsprechung der Bußgeldkammer des Landgerichts Dresden, wonach wegen des Massencharakters von Verkehrsordnungswidrigkeiten die anwaltliche Tätigkeit in diesen Sachen lediglich als unterdurchschnittlich einzustufen sei, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, in eigener ständiger Rechtsprechung nicht.

Die Betrachtungsweise der Bußgeldkammer des Landgerichts Dresden findet im Gesetz keine Stütze. Soweit dort unterschieden ist zwischen Verfahren mit einer Geldbuße von 40,00 Euro bis 5.000,00 Euro und Verfahren mit einer Geldbuße über 5.000,00 Euro, so ist hieraus nicht zu entnehmen, dass die Anwaltsgebühr in Relation zur Höhe der Geldbuße zu stehen habe. Vielmehr ist das Gesetz nach den zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden da-hingehend zu verstehen, dass Verfahren, in denen Geldbußen von mehr als 5.000,00 Euro zur Anwendung regelmäßig rechtlich und tatsächlich schwierig sind, weil es bereits deren Tatbestand ist. Dies sind regelmäßig recht seltene Fälle aus Nebengesetzen, die in der Regel Spezialkenntnisse verlangen. Verfahren, in denen Geldbußen von 40,00 Euro bis 5.000,00 Euro sollen hingegen der Normalfall an Bußgeldverfahren sein. Dabei soll die dortige Mittelgebühr wiederum den dort durchschnittlichen Bußgeldfall abdecken. Durchschnittsfall im Bußgeldreferat, sei es die richterliche oder anwaltliche Tätigkeit, ist aber die Verkehrsordnungswidrigkeit. Diese Verfahren nehmen den weit überragenden Teil aller Bußgeldverfahren ein. Die vom Landgericht Dresden zum Vergleich herangezogenen Bußgeldtatbestände anderer Rechtsgebiete, insbesondere auf dem Gebiet des Wirtschafts- , Steuer- oder Umweltrechtes machen, wenn sie denn überhaupt einmal auftreten, einen verschwindend geringen Anteil im bußgeld-rechtlichen Dezernat aus. Sie können somit nicht als Durchschnittsfall gelten. So stellt es im durchschnittlichen amtsrichterlichen Dezernat den Normalfall dar, wenn eine Geldbuße um die 100 € verhängt wird. Bereits die Verhängung eines Fahrverbotes ist verhältnismäßig selten höhere Geldbußen ebenfalls. Der Regelfall ist ein Fall der vorliegenden Art und Güte.
Stellen solche Art Verfahren den Normalfall dar, sind sie auch gleichzeitig der Normalfall anwaltlicher Tätigkeit. Dieser soll entsprechend des gesetzgeberischen Willens gerade durch die Mittelgebühr honoriert werden. Soweit es einmal doch zu einem Bußgeldverfahren in Wirtschafts-, Steuer- oder Umweltverfahren kommen sollte, mag dies durch entsprechende Erhöhung der Mittelgebühr bis hin zur Höchstgebühr berücksichtigt werden. Jenseits einer Geldbuße von 5.000 €käme dann ohnehin Nr. 5111 VV zur Anwendung.
Hinzu kommt, dass bei der anzustellenden Einzelfallprüfung ohnehin die jeweilige Bedeutung der Angelegenheit nur ein Entscheidungskriterium neben anderen Erwägungen ist, keinesfalls doch das Ausschließliche oder das Überragende. Im Sinne einer wertenden Entscheidung des Einzelfalls sind vielmehr sämtliche Umstände heranzuziehen, die für die Bestimmung des jeweiligen Gebührenrahmens von Belang sein können. Die Bewertung beschränkt sich namentlich nicht auf die in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG benannten Merkmale. Die Verwendung des Wortes "vor allem" belegt vielmehr, dass diese nicht enumerativ sondern lediglich exemplarisch aufgeführt sind, vgl. auch Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 18.06.2004, L6B 92/03 RJ-KO — noch zu § 12 Abs. 1 BRAGO und der dortigen Verwendung des Wortes "ins-besondere". Gemessen an diesem Maßstab ist die von dem Erinnerungsführer in Ansatz ge-brachte Gebührenbestimmung mit der Mittelgebühr nicht unbillig.
Dem Betroffenen war eine Geldbuße von 100,00 € angedroht, welche nach der hiesigen Erfahrung im amtsrichterlichen Dezernat noch über dem Durchschnittsfall liegt. Diesem wäre die Eintragung von 2 Punkten im Verkehrszentralregister gefolgt. Allein dies erschwert bei Folgeverstößen z.B. die Umwandlung eines möglichen Fahrverbotes in eine erhöhte Geldbuße erheblich und führt üblicherweise zu einer höheren als der im Bußgeldkatalog vorgesehenen Geldbuße. Mittlerweile sind Punkteeintragungen auch bei der Kfz-Versicherung Rabatt beeinflussend, so dass auch außerhalb des Bußgeldrechtes ein punktefreies Verkehrszentalregister für einen Betroffenen von erheblichem, auch monetärem Interesse ist, auch wenn der Betroffene noch keine Voreintragungen hatte.
Das Verfahren war daher für den Betroffenen von durchschnittlicher Bedeutung.
Für eine unterdurchschnittliche anwaltliche Tätigkeit kann auch nicht deswegen ausgegangen werden, weil die Akte bei Einsichtnahme des Verteidigers nur 11 Seiten umfasste. Übersehen

wurde, dass der Verteidiger die Videosequenz angefordert und erhalten hat, welche ebenfalls_ in Augenschein zu nehmen und zu begutachten war
Dass die anwaltliche Tätigkeit nach Abgabe des Verfahrens durch die Verwaltungsbehörde, welche das Verwaltungsverfahren beendet, nicht z.B. durch umfangreiche Schriftsätze sicht-
bar wird, stellt den Regelfall anwaltlicher Tätigkeit in Bußgeldverfahren dar und kann nicht
ernsthaft zur Folge haben, nur eine Gebühr unterhalb der Mittelgebühr beanspruchen zu können. Denn die eigentliche, aufwändige und durch die Gebühren auszugleichende Arbeit des Verteidigers ist in Verkehrsordnungswidrigkeitsangelegenheiten die ständige Notwendigkeit der
Fortbildung auf rechtlichen und verkehrsmesstechnischen Gebiet. Insbesondere für den Bereich der Verkehrsmesstechnik sind außerjuristische, nämlich vertiefte technische Spezialkenntnisse erforderlich, die in jedem Verfahren, dem eine Messung zugrunde liegt, anzuwenden ist. Dementsprechend ist die in derartigen Verfahren geforderte Verteidigertätigkeit bereits per se nicht unterdurchschnittlich.
Im vorliegenden Fall hatte der Verteidiger bereits von Beginn an die Möglichkeit der Feststellung der Fahrereigenschaft des Betroffenen im Blick zu behalten. Hierzu ist in der Regel das Fahrerfoto ggf. fotometrisch sorgfältig und gründlich zu bearbeiten und zu prüfen, was aus der Akte keinesfalls hervorgehen wird, aber eben Verteidigerarbeit ist. Keineswegs darf der Verteidiger riskieren, der oder die Vorsitzende werde schon erkennen, dass der Betroffene nicht der Fahrer ist. Erst recht, wenn dies bereits die Bußgeldbehörde mit negativem Ergebnis geprüft hat. Die Verfahrensgebühr für die Tätigkeit im Hauptverfahren war ebenfalls mit der Mittelgebühr zu honorieren. Dass keine Hauptverhandlung stattgefunden hat, spiegelt sich bereits darin nieder, dass der Verteidiger keine Termingebühr verdient. Die Sache wird indes für den Betroffenen vor dem Amtsgericht nicht weniger bedeutend, als sie es bereits bei der Verwaltungsbehörde war. Die Arbeit des Verteidigers ist mit Entgegennahme des Einstellungsbeschlusses in der Regel nicht beendet. Vielmehr erwartet der Mandant eine Erläuterung des regelmäßig nicht begründeten Beschlusses, die in einer telefonischen oder persönlichen Besprechung erfolgt. Auch diese Tätigkeit ist durchschnittliche Verteidigerarbeit und zu honorieren.
Die vom Verteidiger angesetzten Mittelgebühren waren daher nicht zu beanstanden. Dement-sprechend war die noch nicht festgesetzte Differenz zu den Mittelgebühren zuzüglich der hierauf entfallenden Umsatzsteuer noch festzusetzen.
Die Anordnung der Verzinsung folgt aus § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO.
Die Entscheidung ergeht endgültig. Eine Beschwerde findet nicht statt, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro nicht übersteigt und die Angelegenheit keine
grundsätzliche Bedeutung hat.
Kutscher
Richterin am Amtsgericht



Einsender: RA Henning Lange, Halle

Anmerkung:


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