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RVG Entscheidungen

§ 15

Strafvollstreckung, Angelegenheiten, Bewährungswiderruf

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Oldenburg, Beschl.- v. 20.05.2015 - 1 Ws 190/15 u.a.

Leitsatz: Das Verfahren über den Widerruf mehrerer Strafaussetzungen zur Bewährung stellt nur eine gebührenrechtliche Angelegenheit i. S. d. § 15 Abs. 2 RVG dar.


Oberlandesgericht
Oldenburg (Oldenburg)
1 Ws 190/15
1 Ws 191/15
1 Ws 192/15
1 Ws 193/15

Beschluss
In den Strafvollstreckungssachen
gegen XXX
Verteidiger: Rechtsanwalt XXX
wegen Diebstahls u.a.,
hier: Auslagenerstattung (Vergütung des Verteidigers)

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 20. Mai 2015
durch die unterzeichnenden Richter beschlossen:
Die sofortigen Beschwerden des Verteidigers gegen die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Oldenburg vom 5. Februar 2015, durch die
a) die aufgrund des vollstreckbaren Beschlusses des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 17. September 2013 aus der Landeskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 386,75 EUR und
b) die aufgrund des vollstreckbaren Beschlusses des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 26. November 2013 aus der Landeskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 458,15 EUR
festgesetzt worden sind,
werden als unbegründet verworfen.
Der Verteidiger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe
I.
Der Beschwerdeführer war für den Verurteilten als Wahlverteidiger in Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht tätig. Gegenstand der ersten, durch Senatsbeschluss vom 17. September 2013 entschiedenen Beschwerdeverfahren war die Versagung von Reststrafenaussetzungen zum Halbstrafentermin durch Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Oldenburg vom 11. Juli 2013 betreffend die Strafreste aus den Urteilen des Amtsgerichts Brake vom 26. Juli 2011 und 10. Mai 2012, Gegenstand der weiteren, durch Senatsbeschluss vom 26. November 2013 entschiedenen Beschwerdeverfahren war die abermalige Versagung der Reststrafenaussetzungen zum Halbstrafenzeitpunkt bezüglich der vorgenannten Strafen bei gleichzeitiger Bewilligung der Reststrafenaussetzung dieser beider Strafen zum Zweidrittel-Zeitpunkt sowie der beiden weiteren Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Brake vom 25. Februar 2010 und 22. Januar 2008.
Mit den Senatsbeschlüssen vom 17. September 2013 und 26. November 2013 sind die jeweiligen Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer aufgehoben worden, und es ist jeweils ausgesprochen worden, dass die notwendigen Auslagen des Verurteilten im Beschwerdeverfahren der Staatskasse zur Last fallen.
Mit seinen Vergütungsanträgen vom 21. November 2013 und 17. März 2014 macht der Verteidiger aus abgetretenem Recht seine Vergütung nach dem RVG geltend, wobei er für jedes einzelne Vollstreckungsverfahren, hinsichtlich dessen eine Entscheidung über eine Reststrafenaussetzung getroffen wurde, eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 4200 VV RVG in Höhe der jeweiligen Mittelgebühr begehrt.
Mit Beschlüssen vom 5. Februar 2015, auf die Bezug genommen wird, ist ihm für die durch die beiden Senatsbeschlüsse erledigten Beschwerdeverfahren jeweils insgesamt nur eine Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr nach Nr. 4200 VV RVG in der jeweils geltenden Fassung zuzüglich einer Auslagenpauschale und Umsatzsteuer bewilligt worden.
Hiergegen wendet er sich mit seinen rechtzeitigen sofortigen Beschwerden, mit denen er die Zubilligung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 4200 VV RVG für jedes einzelne Vollstreckungsverfahren weiterverfolgt.

II.
Die Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg, weil der Verteidiger in den Beschwerdeverfahren, soweit eine einheitliche Entscheidung ergangen ist, jeweils nur in einer Angelegenheit tätig geworden ist.
Auch wenn der Verurteilte hinsichtlich mehrerer verschiedener parallel vollstreckter Freiheitsstrafen beantragt hat, die Strafreste zur Bewährung auszusetzen, ändert dies nichts daran, dass es sich um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG handelt, für die gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG die Gebühren nur einmal gefordert werden können. Denn auch mehrere selbständige gerichtliche Verfahren können Teile derselben Angelegenheit sein. Zwar ist bei verschiedenen gerichtlichen Verfahren in der Regel anzunehmen, dass ein innerer Zusammenhang zwischen den Verfahrensgegenständen nicht besteht, allerdings kann nicht ausnahmslos von der Identität von Verfahren und Angelegenheit in der Weise ausgegangen werden, dass mehrere Verfahren auch zwingend mehrere Angelegenheiten darstellen. Vielmehr ist jeder Einzelfall zu prüfen. So ist bei zwei verschiedenen gerichtlichen Verfahren eine Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG zu bejahen, wenn es sich im gebührenrechtlichen Sinne um einen einheitlichen Lebensvorgang handelt, innerhalb dessen sich die anwaltliche Tätigkeit abspielt. Maßgeblich für die gebührenrechtliche Einordnung ist dementsprechend der Rahmen, innerhalb dessen die anwaltliche Tätigkeit erfolgt, wobei im Allgemeinen der dem Anwalt erteilte Auftrag(sgegenstand) entscheidend ist. Gegenstand ist wiederum das Recht oder Rechtsverhältnis, auf das sich auftragsgemäß die jeweilige Tätigkeit bezieht. Dementsprechend wird dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG angenommen, wenn (nur) ein Auftrag erteilt wurde, ein einheitlicher Rahmen des Tätigwerdens vorliegt und zudem ein innerer Zusammenhang besteht (OLG Köln, Beschluss vom 30. November 2010 - 2 Ws 780/10, Rn. 3, juris, m.w.N.).
So liegen die Dinge hier. Der Verteidiger ist in den Beschwerdeverfahren jeweils durch einheitliche, sämtliche Vollstreckungsverfahren erfassende Schriftsätze tätig geworden, aus denen sich zudem ergibt, dass ihm jeweils nur ein Auftrag erteilt worden ist. Darüber hinaus besteht zwischen den einzelnen Vollstreckungsverfahren ein enger inhaltlicher Zusammenhang, weil § 454b Abs. 3 StPO im Falle der Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen eine gleichzeitige Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der Reste aller Strafen fordert, die aufgrund einer einheitlichen Prognoseentscheidung zu treffen ist (so auch OLG Köln a.a.O., Rn. 4). In welchem Maß es bei der Prognoseentscheidung nach § 57 StGB wahrscheinlich sein muss, dass der Täter nicht wieder straffällig wird, hängt von dem Gewicht der bedrohten Rechtsgüter und den Eigenheiten der Persönlichkeit des Verurteilten ab (KG Berlin, Beschluss vom 18.5.2006 – 1 AR 468 - 469/06 u.a. Tz. 7, juris). Letzteres kann jedoch nur in der Gesamtschau der von ihm verübten Delikte, der gegen ihn verhängten Strafen und des gesamten vollzuglichen Verhaltens beurteilt werden, so dass jedenfalls bei einer Entscheidung nach Maßgabe des § 454b Abs. 3 StPO nur ein Verfahrensgegenstand vorliegt (so OLG Köln, a.a.O., Rn. 4).
Ist danach in den Beschwerdeverfahren, bezogen auf die jeweilige Entscheidung, nur eine Verfahrensgebühr angefallen, so ist die Zubilligung einer Mittelgebühr unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Verurteilten und der Bedeutung der Sache (§ 14 RVG) nicht unbillig. Ein besonderer, eine Erhöhung der Mittelgebühr rechtfertigender Umfang oder eine diese rechtfertigende Schwierigkeit der Sache im Sinne des § 14 RVG lag nicht vor. Vielmehr lagen diese im Rahmen des auch sonst bei Entscheidung nach
§ 57 StGB Üblichen, wobei nach den obigen Ausführungen wegen der Einheitlichkeit der Prognoseentscheidung die Entscheidung über die Aussetzung mehrerer Strafreste keinen nennenswerten und vergütungsrelevanten Mehraufwand begründen kann.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 11 Abs. 2 S. 3 RVG in Verbindung mit §§ 464b, 473 Abs. 1 StPO.


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