Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Köln, Beschl. v. 16.12.2016 - 1 RVGs 62/16
Eigener Leitsatz: Bei der Bemessung einer Pauschgebühr ist zu berücksichtigen, dass durch die gesetzlichen Terminsgebühren ggf. ein Aufwand des Pflichtverteidigers abgegolten worden ist, der deutlich über deren tatsächlichem Zeitaufwand liegt (Gesichtspunkt der Kompensation).
III -1 RVGs 62/16
OBERLANDESGERICHT KÖLN
BESCHLUSS
In der Strafsache
gegen pp. u.a.
- Pflichtverteidigerin: Rechtsanwältin Aengenheister in Bonn -
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln
auf den Antrag der Pflichtverteidigerin auf Bewilligung einer Pauschvergütung
durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichter am 16. Dezember 2016 beschlossen:
Der Pflichtverteidigerin wird eine Pauschvergütung in Höhe des Betrages der festgesetzten Regelgebühren zuzüglich 500,00 (in Worten: fünfhundert Euro) bewilligt.
Gründe
Der Antrag auf Bewilligung einer über die gesetzlichen Gebühren hinausgehenden Pauschvergütung gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 RVG ist in dem erkannten Umfang begründet.
1. Nach § 51 Abs. 1 S. 1 RVG ist dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt auf Antrag eine Pauschgebühr zu bewilligen, wenn die in den Teilen. 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar sind. Damit soll der Ausnahmecharakter bei der Bewilligung einer Pauschgebühr zum Ausdruck gebracht werden. Die Vorschrift soll verhindern, dass der bestellte oder beigeordnete Verteidiger im Verhältnis zu seiner Vergütung unzumutbar belastet wird, dass ihm ein grund-rechtsverletzendes wirtschaftliches Sonderopfer abverlangt wird (vgl. BVerfG NJW 2007, 1445). Dass dabei im Ergebnis die Vergütung des beigeordneten Anwalts gleichwohl deutlich unter der eines Wahlverteidigers liegt bzw. liegen kann, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG NJW 2007, 3420).
Da wesentliche Gesichtspunkte, die noch unter Geltung der BRAGO Anlass zur Gewährung einer Pauschgebühr gegeben haben, nunmehr bereits bei der Bemessung der gesetzlichen Gebühr nach dem RVG berücksichtigt werden (z.B. Teilnahme an Vernehmungen im Ermittlungsverfahren und an Haftprüfungsterminen, besonders lange Dauer der Hauptverhandlung), ist der praktische Anwendungsbereich der Vorschrift eingeschränkt (vgl. OLG Köln 2. StrafS B. v. 03.05. 2005 - 2 ARs 87/05 -; B. v. 06.01.2006 - 2 ARs 231/05 -; SenE v. 26.04.2007 - 1 ARs 20/07 -; SenE v. 08.02.2008 - 1 ARs 3/08 -).
Davon ausgehend ist im vorliegenden Fall die Gewährung einer Pauschgebühr gleichwohl gerechtfertigt.
2. Auf der Grundlage des Antragsvorbringens, der der Pflichtverteidigerin bekannt gemachten Stellungnahme des Vertreters der Landeskasse vom 26. September 2016 und der tatrichterlichen Stellungnahme vom 26. Juli 2016 sowie unter Zugrundelegung der Maßstäbe des Senats erscheint eine Erhöhung der gesetzlichen Gebühren in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gerechtfertigt, aber auch ausreichend, um eine unzumutbare Belastung der Pflichtverteidigerin zu vermeiden. Der Verfahrensumfang, insbesondere aber auch die Tätigkeit der Verteidigerin im Ermittlungsverfahren lassen die gesetzliche Vergütung als unzumutbar erscheinen.
Nicht ohne Berücksichtigung konnte indessen bleiben, dass durch die Terminsgebühren ein Aufwand der Pflichtverteidigerin abgegolten worden ist, der deutlich über deren tatsächlichem Aufwand liegt (Gesichtspunkt der Kompensation).
Soweit die Pflichtverteidigerin des weiteren auf die sachverständige Begutachtung im Hinblick auf die Unterbringung des Angeklagten abhebt, gehört eine solche im Verfahren vor der großen Strafkammer namentlich in Verfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz - zu den Umständen, die von den gesetzlichen Gebühren als abgegolten angesehen werden müssen.
Insgesamt ist der tenorierte Betrag damit erforderlich, aber auch ausreichend, um ein Sonderopfer der Pflichtverteidigerin zu vermeiden.
Einsender: RÄin Aengenheister, Bonn
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