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RVG Entscheidungen

§ 60

Übergangsregelung, Pflichtverteidiger, Rechtsmitteleinlegung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Düsseldorf, Beschl. v. 17.07.2014 – 4 Kls 14/13

Leitsatz: Beim Pflichtverteidiger kommt es für die Höhe der Vergütung für die Tätigkeit in einem Rechtsmittelverfahren (2. KostRMoG) nicht auf den Zeitpunkt der Pflichtverteidigerbestellung, sondern entsprechend § 60 Abs. 1 S. 2 RVG auf den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels an.


004 KLs-70 Js 8841/12-14/13
Landgericht Düsseldorf
Beschluss
In der Strafsache
gegen pp.
ges. Vertreter:
Verteidiger: Rechtsanwalt pp..
hat die 4. große Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf
durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht, die Richterin am Landgericht und die Richterin
am 17.07.2014 beschlossen:
Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers vom 01.04.2014 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 25.03.2014 wird der Beschluss abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die dem Rechtsanwalt zu erstattenden Gebühren und Auslagen werden festgesetzt auf 741,37 EUR.

Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe:
I.
Der Erinnerungsführer wurde durch Beschluss vom 08.07.2012 zum Pflichtverteidiger des Angeklagten bestellt. Gegen das Urteil der Kammer vom 10.12.2013 hat der Angeklagte persönlich Revision eingelegt, welche im Folgenden von dem Erinnerungsführer zurückgenommen wurde.
Mit Schriftsatz vom 25.02.2014 (Bl. 9 f. d.A.) beantragte der Erinnerungsführer, folgende Gebühren und Auslagen festzusetzen:
„1. Verfahrensgebühr gem. Nr. 4131 VV RVG 603,00 EUR
2. Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV 20,00 EUR
zzgl. 10 % USt. gem. Nr. 7008 VV 118,37 EUR
gesamt 741,37 EUR“
Unter dem 24.03.2014 teilte der Bezirksrevisor mit, dass einer Festsetzung und Erstattung gemäß Antrag vom 25.02.2014 über 741,37 EUR aus der Landeskasse nicht in voller Höhe zugestimmt werden könne (Bl. 12 d.A.). Der Erinnerungsführer sei durch Beschluss vom 08.07.2012 zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Da die Pflichtverteidigervergütung für alle Instanzen mit Ausnahme einer Revisionshauptverhandlung gelte, richte sich auch die Verfahrensgebühr Nr. 4131 VV RVG nach dem bis zum 31.07.2013 geltenden Recht und betrage lediglich 505,- EUR. Insgesamt könnten daher 624,75 EUR (505,- EUR zzgl. 20,- EUR Auslagenpauschale zzgl. 19 % USt. i.H.v. 99,75 EUR) für das Revisionsverfahren erstattet werden.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25.03.2014 setzte das Landgericht Düsseldorf in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Bezirksrevisors die zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 624,75 EUR fest (Bl. 20 d.A.).
Mit Schriftsatz vom 01.04.2014 legte der Erinnerungsführer gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss Erinnerung ein und beantragte, die abgesetzten Gebühren wie beantragt festzusetzen (Bl. 26 f. d.A.). Hierbei vertrat er die Auffassung, dass sich aus § 60 Abs. 1 S. 2 RVG ergäbe, dass es für die Frage, ob für das Verfahren über ein Rechtsmittel die Gebühr sich nach dem bis zum 31.07.2013 geltenden Recht oder ab dem 01.08.2013 geltenden Recht gelte, einzig und allein darauf ankomme, wann das Rechtsmittel eingelegt worden sei. Es folge aus dem Gesetzestext, dass sich die Gebühren nach der seit dem 01.08.2013 geltenden Fassung richteten.
Der Bezirksrevisor hat hierzu am 14.04.2014 Stellung genommen und beantragt, der zulässigen Erinnerung nicht abzuhelfen und die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen (Bl. 30 ff. d.A.). Ob sich die Höhe der Pflichtverteidigervergütung für die Revisionsinstanz nach dem bis zum 31.07.2013 geltenden Recht oder nach dem zum 01.08.2013 erhöhten Satz berechne, richte sich nach § 60 Abs. 1 RVG. Hiernach sei die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt bestellt oder beigeordnet worden sei. Sei der Rechtsanwalt im Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Gesetzesänderung in derselben Angelegenheit bereits tätig, sei die Vergütung für das Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach diesem Zeitpunkt eingelegt worden sei, nach neuem Recht zu berechnen. Zur Übergangsregelung in § 61 RVG herrsche weitgehend Übereinstimmung, dass es für die Pflichtverteidigervergütung für alle Rechtszüge allein auf den Zeitpunkt der Pflichtverteidigerbestellung ankomme. Die Bestellung zum Pflichtverteidiger erstrecke sich auf das Revisionsverfahren, allerdings ohne die Revisionshauptverhandlung (§ 350 Abs. 3 StPO). Werde der Rechtsanwalt nach dem 01.08.2013 zusätzlich auch noch für die Revisionshauptverhandlung zum Pflichtverteidiger bestellte, werde nur die Revisionshauptverhandlung nach neuem Recht abgerechnet. Vorliegend sei die Pflichtverteidigerbestellung vor dem 01.08.2013 erfolgt, so dass die Vergütung für alle folgenden Instanzen nach altem Recht abzurechnen sei. Für den vor dem 01.08.2013 zum Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalt sei die Regelung in § 60 Abs. 1 S. 2 RVG nicht einschlägig. Der Pflichtverteidiger bedürfe für die Verteidigung in höheren Instanzen gerade keines erneuten Auftrages in Gestalt einer gerichtlichen Bestellung. Aus diesem Grunde scheidet die Anwendung von § 60 Abs. 1 S. 2 RVG aus.
Unter Bezugnahme auf die Begründung des Bezirksrevisors wurde der Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss am 11.04.2014 nicht abgeholfen (Bl. 29R d.A.). Hierzu nahm der Erinnerungsführer unter dem 12.05.2014 erneut Stellung und verwies erneut auf den Gesetzeswortlaut sowie auf den Umstand, dass das Rechtsmittel der Revision erst nach dem 01.08.2013 eingelegt worden sei. Der Gesetzgeber habe im Rahmen der Änderung des RVG durch das 2. KostRMoG in seiner Gesetzesbegründung BT-Drucks. 17/11471 auf Seite 271 ausgeführt, dass die Beschränkung der Regelung in § 60 Abs. 1 S. 2 RVG auf „denselben Rechtszug“ entfallen könne, weil nach der vorstehend unter Nr. 8 lit. a) vorgeschlagenen Änderung jeder Rechtszug zukünftig eine eigene Angelegenheit bilden solle. Zu Nr. 8 lit. a) heiße es auf Seite 267, dass nunmehr klargestellt werden solle, dass jeder Rechtszug und die übrigen Rechtszüge verschiedene Angelegenheiten bildeten. Da nunmehr jeder Rechtszug eine eigene Angelegenheit darstelle, sei das Recht, das zu dem Zeitpunkt gelte, zu dem der jeweilige Rechtszug begonnen werde, anzuwenden.

II.
Die gemäß § 56 Abs. 1 RVG zulässige Erinnerung ist begründet. Dem Erinnerungsführer steht ein Anspruch auf Erstattung weiterer Kosten in Höhe von 116,75 EUR, insgesamt 741,37 EUR, zu.
Sein Kostenanspruch für das Revisionsverfahren ist gemäß § 60 Abs. 1 S. 2 RVG nach neuem Recht zu beurteilen. Somit steht dem Erinnerungsführer eine Verfahrensgebühr (Nr. 4131 VV RVG) in Höhe von 603,- EUR zzgl. Auslagenpauschale und Ust. anstatt von 505,- EUR zzgl. Auslagenpauschale und USt. zu.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Entscheidung, ob bisheriges oder neues Recht auf den betreffenden Sachverhalt anzuwenden ist, ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Auftragserteilung durch den Mandanten bzw. der Zeitpunkt der Beiordnung oder Bestellung durch das Gericht.
In § 60 Abs. 1 S. 1 RVG heißt es insoweit:
„Die Vergütung ist nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zu Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt bestellt oder beigeordnet worden ist.“
Insoweit gilt grundsätzlich das Auftragsprinzip. Die Pflichtverteidigerbestellung erfolgte hier am 08.07.2013, mithin vor dem 01.08.2013. Wäre diese also maßgeblich, wäre altes Recht auf den Gebührenanspruch anzuwenden.
Jedoch enthält § 60 Abs. 1 S. 2 RVG für das Rechtsmittelverfahren eine Ausnahme vom Grundsatz des Zeitpunkts der Bestellung aus S. 1:
„Ist der Rechtsanwalt im Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Gesetzesänderung in derselben Angelegenheit bereits tätig, ist die Vergütung für das Verfahren über ein Rechtsmittel, das nach diesem Zeitpunkt eingelegt worden ist, nach neuem Recht zu berechnen.“
Folglich kommt es nach § 60 Abs. 1 S. 2 RVG für den Rechtsmittelführer – abweichend von S. 1 – auf den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels an. Voraussetzung für das Eingreifen der Ausnahme nach S. 2 ist, dass der Rechtsanwalt bereits in derselben Angelegenheit tätig war. Dies ist hier der Fall. Der Zeitpunkt der Revisionseinlegung und auch -rücknahme lag nach dem 01.08.2013. Auch war der Erinnerungsführer bereits in derselben Angelegenheit im gerichtlichen Verfahren tätig.
Entgegen der Ansicht des Bezirksrevisors ist die Vorschrift auch auf den Pflichtverteidiger anwendbar.
Die Auslegung von § 60 Abs. 1 S. 2 RVG ist diesbezüglich umstritten. Überwiegend wird angenommen, dass nach der Vorschrift immer dann, wenn ein gerichtliches Verfahren im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung noch anhängig war, die Vergütung nach neuem Recht nur für das Rechtsmittelverfahren ermöglicht werden soll (Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 21. Aufl 2013, § 60, Rn. 60; Hartung/Schons/Enders, RVG, 2. Aufl. 2013, § 60, Rn. 6; Gebauer/Schneider, RVG, 7. Aufl. 2014, § 60, Rn. 8; Bestelmeyer/Feller/Frankenberg u.a., RVG, 5. Aufl. 2013, Übergangsregelung, 2.3; Burhoff, VRR 2013, 287; Schneider, AnwBl 2013, 586, 588). S. 2 wolle insoweit die grundsätzliche Fortwirkung des bisherigen Rechts auf die nächste Instanz ausschließen (Gerolg/Schmidt/Mayer, a.a.O.; Müller-Rabe, NJW 2005, 1609, 1614 f.) und stelle deswegen auf die Tätigkeit des Rechtsanwalts ab und nicht auf die Erteilung des Auftrags (Hartung/Schons/Enders, RVG, 2. Aufl. 2013, § 60, Rn. 6, Burhoff, StraFo 2013, 397, 3. Beispiel unter VII.).
Teilweise wird die vorstehende Regelung jedoch dergestalt einschränkend ausgelegt, dass sie nicht für Pflichtverteidiger gelte, da für diese stets der Zeitpunkt der Bestellung maßgeblich sei (Burhoff/Volpert, RVG – Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufkl. 2011, §§ 60 ff., Rn. 1360, 1365, jeweils zur alten Fassung des § 60 Abs. 1 S. 2 RVG; ebenso anscheinend auch OLG Thüringen, JurBüro 2006, 367). Dies entspricht auch der von dem Bezirksrevisor im vorliegenden Fall vertretenen Auffassung.
Diese Einschränkung steht im Widerspruch zum eindeutigen Gesetzeswortlaut, der eine solche Unterscheidung zwischen mandatiertem Verteidiger und bestelltem Pflichtverteidiger nicht vornimmt. § 60 Abs. 1 S. 2 RVG möchte – ebenso wie § 61 Abs. 1 S. 2 RVG (vgl. hierzu OLG Hamm, JurBüro 2005, 537) – eine möglichst frühzeitige Geltung der Neuregelung sicherstellen. Der Zeitpunkt der Bestellung ist allein im Rahmen des § 60 Abs. 1 S. 1 RVG von Bedeutung. Eine einschränkende Auslegung des S. 2 ist nicht geboten.
Soweit der Bezirksrevisor in seiner Stellungnahme vom 14.04.2014 umfangreiche Rechtsprechung zur Maßgeblichkeit der Pflichtverteidigerbestellung im Rahmen des § 61 Abs. 1 RVG anführt, gilt, dass diese - soweit ersichtlich – sämtlich Fälle des § 61 Abs. 1 S. 1 RVG betrifft und keine einzige Entscheidung den Sonderfall des S. 2 (Rechtsmittel) zum Gegenstand hat. Die Entscheidungen sind daher auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.
Hieran ändert auch der Grundsatz, dass die Pflichtverteidigerbestellung sich auch auf das Revisionsverfahren – ohne Revisionshauptverhandlung – erstreckt, nichts. Denn der Gesetzgeber hat nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut – um diesen Umstand wissend – die Einlegung als maßgeblichen Zeitpunkt für die Geltung neuen Rechts festgesetzt. Damit hat er zum Ausdruck gebracht, dass er für den Sonderfall des Rechtsmittels gerade nicht auf den Zeitpunkt der Bestellung, sondern auf den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, abstellen möchte. Denn mit der Rechtsmitteleinlegung kommt es zu einer Zäsur, die nach dem Gesetz die erklärte Rechtsfolge hat, dass neues Recht anwendbar ist (so auch OLG Nürnberg, Beschluss vom 31.05.2005, Az. 1 Ws 321/05 zu § 61 Abs. 1 S. 2 RVG).
Auf die Frage, ob der Erinnerungsführer bereits bei Mandatsübernahme generell zur Durchführung von Rechtsmittelverfahren beauftragt worden war, kommt es nicht an, denn ein solcher Auftrag kann vor Abschluss des Verfahrens nur bedingt erteilt werden, was für die Beauftragung mit der Einlegung eines Rechtsmittels i.S.d. § 60 Abs. 1 S. 2 RVG nicht ausreicht (vgl. Mayer/Kroiß, 6. Aufl. 2013, § 60 RVG, Rn. 17).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG.

Da die Rechtsfrage, ob die Ausnahmevorschrift des § 60 Abs. 1 S. 2 RVG auf den vor dem Stichtag bestellten Pflichtverteidiger anwendbar ist, soweit ersichtlich noch nicht höchstrichterlich entschieden worden sind, war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Beschwerde zuzulassen (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 2 RVG).






Einsender: Dipl. Rechtspfleger J. Volpert, Düsseldrof

Anmerkung:


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