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RVG Entscheidungen

Gebühren-/Kostenfragen - Auslagen

Reisekostenerstattung, auswärtiger Rechtsanwalt

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Heilbronn Beschl. v. 21.10.2016 - 8 Qs 31/16

Leitsatz: Das Kriterium der Notwendigkeit im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO darf bei der Abrechnung von Reisekosten nicht zu einer Schlechterstellung von außerhalb des Bezirks ansässigen Rechtsanwälten führen. Diese können daher bei überschießenden Kosten zumindest denjenigen Betrag in Ansatz bringen, der bei Beauftragung eines bezirksansässigen Rechtsanwalts maximal entstanden wäre.


In pp.
1. Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Heilbronn vom 6. Juli 2016 werden hinsichtlich der dem Beschwerdeführer entstandenen, aus der Landeskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen insgesamt 832,11 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 9. Juni 2016 festgesetzt.
2. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe
I.
Das Amtsgericht Heilbronn hat den Beschwerdeführer mit Urteil vom 8. Juni 2016 vom Vorwurf der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes freigesprochen und die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers der Staatskasse auferlegt.

Daraufhin hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 9. Juni 2016 einen Antrag auf Festsetzung der dem Angeklagten zu erstattenden notwendigen Auslagen gestellt, der am noch am selben Tag mittels Faxschreibens beim Amtsgericht Heilbronn eingegangen ist. Insofern wurde ein Erstattungsbetrag von 1.107,59 Euro (brutto) - zuzüglich mit einer Verzinsung von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Antragsstellung - geltend gemacht. Im Einzelnen berechnete sich dieser wie folgt:

Grundgebühr, Nr. 4100 VV RVG 200,00 EUR
Verfahrensgebühr im vorbereitenden Verfahren, Nr. 4104 VV RVG 165,00 EUR
Verfahrensgebühr für das Verfahren vor dem AG, Nr. 4106 VV RVG 165,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 4108 VV RVG 275,00 EUR
Dokumentenpauschale, Nr. 7000 VV RVG 19,00 EUR
Post- u. Telekommunikationspauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Gebühr für Akteneinsicht 12,00 EUR
Fahrtkosten für eine Geschäftsreise bei Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs, Nr. 7003 VV RVG (93 KM * 0,30 EUR) 27,90 EUR
Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV RVG (3,00 Stunden) 25,00 EUR
Zwischensumme (netto) 908,00 EUR
Umsatzsteuer 172,69 EUR
Fahrtkosten des Freigesprochenen für Anreise mit eigenem Pkw, § 5 Abs. 2 Nr. 1 JVEG (48 KM * 0,25 EUR) 12,00 EUR
Regelmäßig anfallende Barauslagen, § 5 Abs. 2 S. 1 HS 2 JVEG 3,50 EUR
Entschädigung für Zeitversäumnis, § 20 JVEG (3,00 Stunden) 10,50 EUR
Erstattungsbetrag 1.107,59 EUR

In der Folge hat das Amtsgericht Heilbronn durch den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 6. Juli 2016 die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers, der dem Verteidiger mangels Zustellungsnachweis jedenfalls nach dem 8. Juli 2016 und spätestens am 13. Juli 2016 zugestellt worden ist, mit 815,57 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 10. Juni 2016 festgesetzt, da das Amtsgericht die geltend gemachten Verteidigergebühren als unbillig hoch angesehen hat. Die Differenz zum Erstattungsantrag beträgt damit 292,02 Euro. Dabei sind für die Grundgebühr Nr. 4100 VV 140,00 Euro, für die Verfahrensgebühren Nrn. 4104 und 4106 VV jeweils 120,00 Euro und für die Terminsgebühr Nr. 4108 VV 195,00 Euro in Ansatz gebracht worden. Die Dokumentenpauschale, die Post- und Telekommunikationspauschale, die Auslagen für die gewährte Akteneinsicht sowie die eigenen Kosten des Freigesprochenen sind dagegen antragsgemäß festgesetzt worden. Für die geltend gemachten Fahrtkosten und des Abwesenheitsgeldes des Rechtsanwalts wurden insgesamt als fiktive Reisekosten lediglich 37,50 Euro bewilligt.
Gegen die vorgenommenen Absetzungen wendet sich die mit Schriftsatz vom 13. Juli 2016 eingelegte sofortige Beschwerde, die am 14. Juli 2016 mittels Faxschreibens beim Amtsgericht Heilbronn eingegangen ist.

II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt. Es ist auch der erforderliche Beschwerdewert von 200,00 Euro erreicht. In der Sache hat die sofortige Beschwerde in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg (nominal 16,54 Euro). Die sofortige Beschwerde ist nur im Hinblick auf die geltend gemachten Fahrtkosten nach Nr. 7003 VV und dem Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 zum Teil begründet, im Übrigen, und damit zum weit überwiegenden Teil, unbegründet.

Die jeweils im Zusammenhang mit dem Vergütungsverzeichnis Nrn. 4100 bis 4300 VV RVG festzusetzende Gebühr ist eine Rahmengebühr, die nach § 14 RVG im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Sache sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. Diese Bestimmung ist zunächst dem Rechtsanwalt/Verteidiger vorbehalten. Eine Verbindlichkeit ist nur dann nicht gegeben - wie sich aus § 14 Abs. 1 S. 4 RVG ergibt -, wenn sie nach Ansicht des zahlungspflichtigen Dritten unbillig ist. Zahlungspflichtiger Dritter ist im vorliegenden Fall die Landeskasse. Unbilligkeit liegt nach allgemeiner Auffassung dann vor, wenn die vom Rechtsanwalt bestimmte Gebühr um mehr als 20 Prozent über der vom erstattungspflichtigen Dritten als angemessen angesehenen Höhe der Gebühr liegt. Wegen der Schwierigkeiten zu bestimmen, wann eine Gebührenfestsetzung unbillig ist, wird nach gefestigter Meinung in Rechtsprechung und Literatur in den „Normalfällen“, in denen sämtliche nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlicher Art sind, von der Mittelgebühr ausgegangen. Jedoch kann jedes der Bemessungskriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG Anlass sein, vom Mittelwert nach oben oder unten abzuweichen. Dabei kann das geringere Gewicht eines Merkmals das überragende Gewicht eines anderen Merkmals kompensieren (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 16. Januar 2014 - 1 Ws 254/13).

Bei Anlegung dieses Maßstabs gilt vorliegend Folgendes:
1. Die vom Verteidiger hinsichtlich der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG getroffene Gebührenbestimmung in Höhe von 200,00 Euro ist unbillig, weil sich insoweit unter Berücksichtigung aller Umstände lediglich eine Gebühr in Höhe von 140,00 Euro als angemessen erweist und die von dem Verteidiger bestimmte Mittelgebühr diesen Betrag um mehr als 20 Prozent übersteigt. Mit der Grundgebühr wird der zusätzliche Aufwand abgedeckt, welcher bei der Übernahme des Mandats für die erstmalige Einarbeitung entsteht. Bei der Grundgebühr ist im Unterschied zu den Verfahrens- und Terminsgebühren zu berücksichtigen, dass das in Nr. 4100 VV RVG genannte Zumessungsspektrum alle Strafverfahren abdeckt, also sowohl um rechtlich einfach gelagerte Verfahren vor dem Amtsgericht, als auch um rechtlich komplizierte Verfahren wie etwa in Wirtschaftsstrafsachen vor dem Landgericht. Der Rechtsanwalt wird deshalb in Fällen von einfach gelagerten Fällen mit einfachem Tatsachen- und Rechtshintergrund insoweit nicht die Rahmenmittelgebühr festlegen können. Der dem Strafverfahren zugrundeliegende Strafbefehl sah lediglich eine Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 20,00 Euro vor und war somit am unteren Rand der durchschnittlich ausgeworfenen Strafen vor dem Amtsgericht anzusiedeln. Im Übrigen war das Strafverfahren für den Beschwerdeführer entgegen dem Vortrag seines Verteidigers eher von geringer Bedeutung, nachdem gegen den Beschwerdeführer bereits zwei rechtskräftige Straferkenntnisse vorliegen. Persönliche Meinungsverschiedenheiten des Beschwerdeführers mit dem Anzeigenerstatter mögen zu einer Anzeige durch Letzteren geführt haben, vermögen jedoch keine weiteren, objektiv belegbaren negativen beruflichen Konsequenzen zu entfalten. Vor dem Hintergrund eines Aktenumfangs von gerade einmal 33 Seiten und des Tatvorwurfs war die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit als unterdurchschnittlich einzustufen. Die Argumentation des Verteidigers des Beschwerdeführers mag belegen, dass es sich bei seiner Tätigkeit als Strafverteidiger generell um eine anspruchsvolle Tätigkeit handelt. Diese wird von der Kammer nicht in Abrede gestellt, stellt jedoch zu den übrigen Strafrechtsfällen allerdings eine unterdurchschnittliche Tätigkeit dar. Deshalb war die Grundgebühr völlig zu Recht auf einen Betrag von 140,00 Euro herabzusetzen.
2. Weiterhin ist auch die von dem Verteidiger hinsichtlich der Verfahrensgebühren Nrn. 4104 und 4106 VV RVG getroffene Gebührenbestimmung in Höhe von jeweils 165,00 Euro unverbindlich, weil sie unter Berücksichtigung aller Umstände billigem Ermessen nicht mehr entspricht. Die Verfahrensgebühr erfasst alle Tätigkeiten eines Rechtsanwalts, für die keine besonderen Gebühren vorgesehen sind. In ihren Abgeltungsbereich fallen insbesondere alle Beratungen und Besprechungen mit dem Mandanten nach der sogenannten Erstinformation, die nach einer ersten Akteneinsicht durchgeführten weiteren Akteneinsichten, der gesamte Schriftverkehr mit dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und sonstigen Behörden oder mit Dritten, eigene Ermittlungen des Verteidigers, Besprechungen mit Verfahrensbeteiligten, die Teilnahme an außergerichtlichen Terminen und die allgemeine Vorbereitung von gerichtlichen Terminen einschließlich der Hauptverhandlung. Vorliegend wurden beispielsweise seitens des Verteidigers keine Schriftstücke verfasst, welche die Hauptsache selbst gefördert hätten. Demnach erweist es sich nach Auffassung der Kammer als unbillig, dass der Verteidiger im vorliegenden Fall die Mittelgebühr in Höhe von jeweils 165,00 Euro angesetzt hat. Die im angefochtenen Beschluss vorgenommene Absetzung auf jeweils 120,00 Euro erfolgte demnach völlig zu Recht.
3. Die von dem Verteidiger bezüglich der Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG für den Hauptverhandlungstermin vom 8. Juni 2016 getroffene Gebührenbestimmung in Höhe von 275,00 Euro ist nach Auffassung der Kammer ebenfalls unbillig. Für die dieser Terminsgebühr zugrundeliegenden Verhandlung wurde die Gebühr im angefochtenen Beschluss zutreffend mit 195,00 Euro festgesetzt. Das wesentliche Kriterium bei der Terminsgebühr, nach dem sich deren Bemessung in erster Linie richtet, ist die Dauer des Termins, welcher vorliegend lediglich 51 Minuten betrug und nach Auffassung der Kammer damit im Vergleich zu den durchschnittlichen Fällen der Strafverfahren eine unterdurchschnittliche Länge hatte. Auch der angefallene Aufwand für die Vorbereitung des Termins war insoweit unterdurchschnittlich, als dass nur zwei Zeugen vernommen werden sollten, wovon letztlich im Termin nur einer vernommen wurde.
4. Lediglich im Hinblick auf die geltend gemachten Reisekosten sind die im angefochtenen Beschluss vorgenommenen Ausführungen unzutreffend. Nach dem Wortlaut des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind die Reisekosten eines bezirksansässigen Rechtsanwalts stets, die Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts jedoch lediglich insoweit erstattungsfähig, als seine Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Um eine Schlechterstellung von außerhalb des Bezirks ansässigen Rechtsanwälten zu vermeiden, welche vom Gesetzgeber auch nicht intendiert war (vgl. BT-Drucks 15/1971, 233), ist das Kriterium der Notwendigkeit im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO für auswärtige Rechtsanwälte so auszulegen, dass zumindest die Fahrtkosten bis zur Gerichtsbezirksgrenze als erforderlich anzusehen sind, da sich der Mandant auch eines bezirksansässigen Anwalts im äußersten Bereich hätte bedienen können (LG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - 6 O 455/11). Daher ist in jedem Gerichtsbezirk die Maximalentfernung zwischen dem Gerichtssitz und der hiervon am weitesten entfernten Gemeinde zu ermitteln, wobei im Rahmen der abstrakt vorzunehmenden Berechnung der Weg maßgeblich ist, welcher entweder als ortsüblich gilt oder die schnellstmögliche Verbindung darstellt. Für den Amtsgerichtsbezirk Heilbronn bedeutet dies, dass die Gemeinde Jagsthausen den Bezugspunkt für die Wegstreckenberechnung darstellt und sich eine Maximalwegstrecke von 44 km ergibt.

Klarstellend weist die Kammer darauf hin, dass es sich hierbei um eine Deckelung handelt und der auswärtige Anwalt nur seine tatsächlichen Fahrtkosten ansetzen kann, wenn die Entfernung seines Kanzleisitzes zum Gerichtsort geringer ist.
Vorliegend gilt entsprechend den vorgenannten Ausführungen Folgendes:

Nach Nr. 7003 VV RVG sind die Fahrtkosten für jeden gefahrenen Kilometer mit 0,30 Euro anzusetzen. Ferner beträgt das Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 Ziff. 1 VV RVG 25,00 Euro. Insgesamt waren demnach 51,40 Euro anzusetzen. Dieser Betrag fiel damit um 13,90 Euro netto höher aus, als derjenige, welcher im angefochtenen Beschluss veranschlagt worden war.

Bereits festgesetzt wurden 815,57 Euro. Demnach beträgt die Differenz zwischen dem zu erstattenden Betrag und dem bereits festgesetzten Betrag 16,54 Euro (brutto). Der festgesetzte Betrag ist gemäß § 464b Satz 2 und 3 StPO, § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO ab dem 9. Juni 2016, dem Eingang des Festsetzungsantrags, zu verzinsen. Im angefochtenen Beschluss war noch auf den 10. Juni 2016 abgestellt worden.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 und Abs. 4 StPO. Aufgrund des nominal äußert geringen Erfolges des Rechtsmittels, hat die Kammer davon abgesehen, die Kosten des Beschwerdeverfahrens zum Teil der Staatskasse anzulasten.


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