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RVG Entscheidungen

§ 14 – Strafverfahren

Rahmengebühr, Bemessung, landgerichtliches Verfahren

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG München, Beschl. v. 30.1.2017 - 4c Ws 5/17

Leitsatz: Zur Bemessung der Rahmengebühren in einem landgerichtlichen Verfahren.


In pp.
1. Die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts M. B. gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Augsburg vom 19. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.
2. Rechtsanwalt M. B. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe
I Das Landgericht Augsburg verurteilte den Angeklagten am 10.02.2016 wegen Körperverletzungsdelikten und falscher Versicherung an Eides Statt zur Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr 4 Monaten. Von weiteren Tatvorwürfen der Vergewaltigung in zwei Fällen, Bedrohung und Vortäuschen einer Straftat/falscher Verdächtigung sprach es den Angeklagten frei. Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen erlegte es dem Angeklagten auf, soweit er verurteilt wurde und soweit er freigesprochen wurde der Staatskasse. Das Urteil ist seit 18.02.2016 rechtskräftig.

Der seit 17.06.2015 dem Angeklagten beigeordnete Pflichtverteidiger M. B. beantragte mit korrigierter Berechnung vom 24.03.2016 die Festsetzung seiner Vergütung gegen die Staatskasse in Höhe von 3.751,30 €. Dieser Betrag, der Gebühren von netto 2.571,00 € beinhaltet, wurde durch Auszahlungsanordnung vom 06.04.2016 vollumfänglich bewilligt.

Am 09.08.2016 beantragte der Verteidiger zu seinen Gunsten unter Vorlage einer Abtretungserklärung die Festsetzung der dem Angeklagten zu erstattenden notwendigen Auslagen in Höhe von 3.056,80 €.

Hierbei machte er geltend, die Gebühren und Auslagen eines Wahlanwalts beliefen sich auf brutto 7.578,93 €, wobei er bei sämtlichen Gebühren (Grundgebühr, Verfahrensgebühren und Terminsgebühren) die Wahlverteidigerhöchstgebühr ansetzte und die Auslagen betragsmäßig identisch zu den im Vergütungsfestsetzungsantrag vom 24.03.2016 sind. Nach der Differenzmethode veranschlagte er die Gebühren und Auslagen infolge der Verurteilung auf brutto 4.522,12 € und kam so auf einen zu erstattenden Differenzbetrag von 3056,80 €.

Die Rechtspflegerin wies mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag zurück, da die bereits bewilligte und ausbezahlte Pflichtverteidigervergütung den Differenzbetrag übersteige, der sich aus den insgesamt unter Ansatz der Mittelgebühr entstandenen Vergütungsansprüchen einerseits und den infolge Verurteilung entstandenen Vergütungsansprüchen eines Wahlverteidigers ergeben.

Gegen den am 17.11.2016 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 21.11.2016, eingegangen am 22.11.2016, sofortige Beschwerde eingelegt. Er meint, die Wahlverteidigerhöchstgebühren seien zutreffend. Hierzu hat der Bezirksrevisor II bei dem Landgericht Augsburg am 23.11.2016 Stellung genommen und führt aus, dass selbst bei Annahme der Berechnungen des Beschwerdeführers die anzurechnende Pflichtverteidigervergütung den Differenzbetrag von 3056,80 € übersteige und sich somit kein Zahlungsanspruch ergebe. Der Beschwerdeführer hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 14.12.2016 ausgeführt, die Anrechnung der Pflichtverteidigervergütung könne nur im Falle eines umfassenden Freispruchs erfolgen, allenfalls aber auf die infolge Verurteilung angefallenen Gebühren.

II.
Die nach §§ 464b Satz 3, 304, 311 Abs. 2 StPO i. V. m. §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RPflG statthafte sofortige Beschwerde bleibt erfolglos.

A. Über die Beschwerde entscheidet der Senat, da sich das Verfahren vorliegend nach den Grundsätzen der Strafprozessordnung richtet (Meyer-Goßner/Schmitt StPO 59. Aufl. § 464b Rdn. 7).

B.
Die Beschwerde ist unbegründet, da dem Beschwerdeführer keine Auslagenerstattungsansprüche zustehen.

1. Wenn im Rahmen einer Kosten- und Auslagenentscheidung bei einem Teilfreispruch das Gericht von einer Quotelung nach § 464d StPO absieht und lediglich entscheidet, dass dem Angeklagten die notwendigen Auslagen zu erstatten seien, soweit er freigesprochen wurde, so ist grundsätzlich die Differenzmethode anzuwenden (Meyer-Goßner/Schmitt a. a. O. § 465 Rdn. 8 m. w. N.).

2. Dies hat die Kostenbeamtin zutreffend erkannt und so die von ihr errechnete Differenz festgestellt. Selbst bei Ansatz der Wahlverteidigerhöchstgebühren wäre die Differenz zu den vom Antragsteller errechneten Gebühren und Auslagen im Verurteilungsfall niedriger als die festgesetzten Gebühren und Auslagen des Pflichtverteidigers, wie der Bezirksrevisor in seiner Stellungnahme zutreffend ausführt.

Die gezahlten Pflichtverteidigergebühren sind auch - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - bei einem Teilfreispruch in voller Höhe und nicht nur im anteiligen Verhältnis von Freispruch zu Verurteilung auf den Erstattungsanspruch anzurechnen (vgl. OLG Celle Beschluss vom 08. August 2016 - 1 Ws 382/16 Rdn. 24; OLG Braunschweig, Beschluss vom 26. Mai 2014 - 1 Ws 144/14 Rdn. 13; Thüringer OLG, Beschluss vom 28. Februar 2014 - 1 Ws 403/13, Rdn. 16 f.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Januar 2013 - III-1 Ws 363/12 Rdn. 20 jeweils zit. nach juris). Hiernach ergibt sich schon nach der eigenen Berechnung im Antrag auf Festsetzung der aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen vom 09.08.2016 kein Zahlungsanspruch mehr.

3. Dass sich kein Zahlungsanspruch ergibt, ist im Ergebnis auch zutreffend. Zwar wurde die Differenzmethode weder im Antrag noch in der angefochtenen Entscheidung korrekt angewandt. Denn entgegen dem bisherigen Ansatz ist nicht etwa die vor dem erkennenden Gericht angefallene Vergütung infolge Verurteilung vom entstandenen Gesamtvergütungsanspruch abzuziehen, sondern es sind nur die fiktiven Gebühren bei einer dem Urteil entsprechenden Verfahrensführung anzusetzen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt a. a. O. § 465 Rdn. 8, Thür. OLG a. a. O. Rdn. 11; OLG Düsseldorf a. a. O. Rdn. 6 ff.).

Die Berechnung erfolgt in drei Schritten, zu denen zunächst die Ermittlung der Wahlverteidigergebühren, sodann die der fiktiven Gebühren bei einer der Verurteilung entsprechenden Verfahrensführung und schließlich die Differenz zwischen diesen beiden Vergütungsbeträgen ermittelt wird.

a) Entstandene Wahlverteidigergebühren
Der Ansatz der Mittelgebühr durch die Rechtspflegerin hinsichtlich des entstandenen Gesamtvergütungsanspruchs eines Wahlverteidigers ist zutreffend, da entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers sein Ansatz jeweils der Höchstgebühr nicht billigem Ermessen i. S. d. § 14 Abs. 1 S. 1 RVG entspricht und bei der Festsetzung der notwendigen Auslagen die Gebührenbestimmung in vollem Umfang nachzuprüfen ist (Meyer-Goßner/Schmitt a. a. O. § 464a Rdn. 11). Nach dieser Vorschrift sind insbesondere folgende Umstände bei der Gebührenbestimmung zu berücksichtigen, die auch den Senat zum Ansatz der Mittelgebühr führen:

(1) Umfang
Der Umfang der Sache war durchschnittlich. Ein Bemessungskriterium hierfür ist zunächst der Aktenumfang, der bis zur Hauptverhandlung mit 494 Blatt für ein landgerichtliches Verfahren, für das bereits ein gegenüber dem amtsgerichtlichen Verfahren erhöhter Gebührenrahmen vorgesehen ist, durchschnittlich ist. Die Anzahl der Hauptverhandlungstermine begründet für sich genommen keinen besonderen Umfang, da insoweit kompensierend jeweils mehrere Terminsgebühren entstehen. Die Dauer der Termine mit jeweils unter 4 Stunden, teils erheblich darunter, war eher kurz.

(2) Schwierigkeit
Die Schwierigkeit war ebenfalls durchschnittlich. Zwar lag teilweise eine reine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation vor. Typischerweise erschwerende Umstände wie etwa die Erforderlichkeit, ein aussagepsychologisches Gutachten zur Glaubhaftigkeit der Angaben der Belastungszeugin einzuholen, gab es jedoch nicht. Die erfolgte Begutachtung zur Schuldfähigkeit ist bei landgerichtlichen Verfahren hingegen keine erschwerende Besonderheit. Der Umstand der Inhaftierung ist bereits dadurch kompensiert, dass nach dem Vergütungsverzeichnis bei Haftsachen höhere Gebührenrahmen vorgesehen sind.

(3) Bedeutung der Sache
Die Bedeutung der Sache war für den Mandanten angesichts einer - auch die Inhaftierung begründenden - Straferwartung zwar an sich überdurchschnittlich, jedoch ist auch hier zu berücksichtigen, dass in Verfahren vor den Landgerichten - bei denen typischerweise aufgrund der Rechtsfolgenkompetenz eine erhöhte Straferwartung besteht - diese Straferwartung schon durch die insoweit erhöhten Gebührenrahmen Berücksichtigung findet.

(4) Finanzielle und Vermögensverhältnisse des Mandanten

Die finanziellen und Vermögensverhältnisse des Angeklagten waren ausweislich der Urteilsfeststellungen unterdurchschnittlich.

Somit ergibt sich folgender auch zutreffend von der Kostenbeamtin errechnete Gebührenanspruch:
VV RVG Nr. Gesamtverfahren €
4101,4100 350,00
4105,4104 220,00
4103, 4102 230,00
4113,4112 270,00
4115,4114 410,00
4115 410,00
4115 410,00
4115 410,00
4115 440,00
4115 390,00
Summe 3.540,00
USt 672,60
Endbetrag 4.212,60

b) Fiktive Vergütung bei einer dem Ergebnis der Verurteilung entsprechenden Verfahrensführung

Hierbei berücksichtigt der Senat folgende Umstände:
- die abgeurteilten Tatvorwürfe der Körperverletzung und der falschen Versicherung an Eides Statt hätten nicht zu einer Inhaftierung geführt, da ausweislich des Haftbefehls alleine die Straferwartung - Bezug genommen wurde ersichtlich auf die Mindeststrafen der verfahrensgegenständlichen Sexualstraftaten - für den Haftgrund der Fluchtgefahr herangezogen wurde. Somit würden neben den sogenannten Haftzuschlägen des VV RVG auch die Terminsgebühr 4102 Nr. 2 VV RVG entfallen.

- Anklage wäre angesichts des beschränkten Tatvorwurfs und der Straferwartung zum Amtsgericht (hier: Landsberg am Lech) erhoben und dort zugelassen worden, so dass statt der für das landgerichtliche Verfahren anfallenden Verfahrens- und Terminsgebühren lediglich die für das Verfahren vor den Amtsgerichten anzusetzen wären

- die Terminsanzahl kann angesichts der 15 Zeugen und der Sachverständigen, die jedenfalls hinsichtlich der abgeurteilten Taten gehört wurden, als gleichbleibend unterstellt werden

- der Senat setzt zugunsten des Beschwerdeführers die Mittelgebühr an, da sich so niedrigere fiktive Gebühren ergeben und damit potentiell ein höherer Differenzbetrag zu den entstandenen Wahlverteidigergebühren.

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ergibt sich folgender fiktiver Gebührenanspruch:
VV RVG Nr. Fiktive Gebühren
4100 200,00
4104 165,00
4106 165,00
4108 275,00
4108 275,00
4108 275,00
4108 275,00
4108 275,00
4108 275,00
Summe 2.180,00
USt 19% 414,20
Endbetrag 2.594,20

c) Die Differenz zwischen diesen beiden Endbeträgen (4.212,60 € - 2.594,20 € = 1618,40 €) liegt ebenfalls unter dem Betrag der anzurechnenden und ausbezahlten Gebühren des Pflichtverteidigers (= 2.571,00 € zzgl. USt), so dass sich kein Erstattungsanspruch mehr ergibt.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


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