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RVG Entscheidungen

Nr. 4142 VV

Zusätzliche Verfahrensgebühr, Rückgewinnungshilfe

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Oldenburg, Beschl. v. 11.01.2018 – 1 Ws 551/17

Leitsatz: Die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG entsteht nicht in den Fällen der Rückgewinnungshilfe (zum Rechtszustand vor dem „Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017)


Beschluss
gegen pp.
wegen
Verteidiger:
hier: Festsetzung der von der Staatskasse an den früheren Angeklagten zu erstattenden notwendigen Auslagen
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 11. Januar 2018 durch die unterzeichnenden Richter beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Staatskasse wird der Beschluss des Landgerichts Oldenburg vom 22. September 2017, mit dem die aufgrund des Urteils des Landgerichts Oldenburg vom 19. Mai 2015 von der Staatskasse an den früheren Angeklagten zu erstattenden weiteren notwendigen Auslagen für die im Zusammenhang mit dem dinglichen Arrest erfolgte anwaltliche Vertretung bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens auf 1.977,78 Euro festgesetzt worden sind, auf Kosten des früheren Angeklagten aufgehoben.

Gründe
Das Landgericht Oldenburg hat den früheren Angeklagten mit Urteil vom 19. Mai 2015 vom Vorwurf des Betruges in 48 Fällen freigesprochen. Die notwendigen Auslagen des früheren Angeklagten sind der Staatskasse auferlegt worden. Das Urteil ist seit dem 2. Oktober 2015 rechtskräftig.
Mit Anträgen vom 13. November 2015 und 18. November 2016 hat der Wahlverteidiger Rechtsanwalt pp. für die anwaltliche Vertretung bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens die Festsetzung einer 1 Verfahrensgebühr gemäß § 13 RVG, Nr. 4142 VV RVG a.F. in Höhe von insgesamt 2.069 EUR nebst Zinsen geltend gemacht. Dem liegt zugrunde, dass das Amtsgericht Oldenburg unter dem 21. Dezember 2012 ausschließlich zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe einen dinglichen Arrest in Höhe von 488.958,84 Euro in das Vermögen des früheren Angeklagten angeordnet hatte. Das Landgericht Oldenburg hat den diesbezüglichen Gegenstandswert mit Beschluss vom 22. Dezember 2016 auf 162.986,28 Euro (ein Drittel des Arrestbetrages) festgesetzt.

Auf Grundlage dieses Gegenstandswertes hat die Rechtspflegerin bei dem Landgericht Oldenburg nach Anhörung des Bezirksrevisors mit Beschluss vom
22. September 2017 die notwendigen Auslagen für die im Zusammenhang mit dem dinglichen Arrest erfolgte anwaltliche Vertretung bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens auf 1.977,78 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. November 2015 festgesetzt.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Staatskasse vom 26. September 2017, mit der geltend gemacht wird, dass die festgesetzte Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4142 VV RVG auf Fälle der Rückgewinnungshilfe keine Anwendung findet und daher schon nicht entstanden ist.
Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie die Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 3. Januar 2017 und die Beschwerdebegründung vom 20. Oktober 2017 Bezug genommen.
Il.
Das nach § 464b Satz 3 StPO, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567, 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO, §§ 21 Nr. 1, 1 1 Abs. 1 RPflG zulässig eingelegte Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Dem früheren Angeklagten steht ein Gebührenanspruch aus Nr. 4142 VV RVG nicht zu.
Gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO gehören zu den notwendigen Auslagen eines Beteiligten die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 ZPO zu erstatten sind. Hierunter fällt grundsätzlich auch die Wertgebühr nach Nr. 4142 VV RVG für die Tätigkeit des Verteidigers, die sich auf die Einziehung und verwandte Maßnahmen bezieht. „Verwandte Maßnahmen" im Sinne dieses Gebührentatbestandes sind sämtliche in § 442 StPO a.F. genannten Maßnahmen sowie ihnen vorgelagerte Sicherungsmaßnahmen, so auch der wegen des Verfalls und der Einziehung von Wertersatz angeordnete dingliche Arrest.

Nach überwiegender Auffassung — der sich der Senat anschließt — lösen jedoch Tätigkeiten des Verteidigers zur Abwendung eines allein zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe angeordneten dinglichen Arrests den Gebührenanspruch aus Nr. 4142 VV RVG nicht aus (OLG Hamm, Beschluss vom 24.04.2017, 111-5 Ws 130/17, bei juris Rn. 14; KG Berlin, Beschluss vom 15.04.2008, 1 Ws 309-310/07, bei juris Rn. 5; OLG Köln, Beschluss vom 22.11.2006, 2 Ws 614/06, StraFo 2007, 131; LG Saarbrücken, Beschluss vom 10.01.2012, 2 Qs 18/11, bei juris Rn. 10; Hartmann, Kostengesetze, 47. Auflage, 4142 W Rn. 3 a.E.; Mayer/Kroiß-Kroiß, RVG, 7. Auflage, Nr. 4141-4147 W Rn. 16; Gerold/Schmidt-Burhoff, RVG, 22. Auflage, W 4142 Rn. 8; Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Auflage W 4142 Rn. 5). Hierfür spricht maßgeblich, dass — wie der Verweis auf § 442 StPO a.F. zeigt — der Gebührentatbestand nur solche Maßnahmen erfasst, durch die dem Betroffenen der Gegenstand endgültig entzogen werden soll (OLG Hamm, a.a.O.; KG a.a.O.). Ferner ergibt sich aus der Systematik des Verweises, dass die Maßnahme überdies Strafcharakter haben muss, weshalb Beschlagnahmen, die der Sicherung von Beweismitteln dienen, sowie Vermögensbeschlagnahmen nach §§ 290, 443 StPO a.F. und der Verfall der Kaution nach § 124 StPO der Regelung ebenfalls nicht unterfallen (Gerold/SchmidtBurhoff, a.a.O. Rn. 6; Riedel/Sußbauer, a.a.O. Rn. 4).

Soweit die Gegenansicht unter Verweis auf den staatlichen Auffangrechtserwerb des § 11li Abs. 2-7 StPO a.F. die Wertgebühr aus Nr. 4142 VV RVG auch in Fällen der Rückgewinnungshilfe entstehen lassen will (OLG Frankfurt, Urteil vom 11.05.2017, 1 U 203/17, bei juris Rn. 49; OLG Stuttgart, Beschluss vom 22.04.2014, 1 Ws 212/13, NStZ-RR 2014, 360; LG Essen, Beschluss vom 3. Dezember 2014, 56 Qs 5/14, StraFo 2015, 41), ist dem nicht zu folgen. Arrestanordnungen zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe führen nicht von vornherein zu einer endgültigen Entscheidung über den Vermögenverlust, sondern werden in der Regel erst in einem anschließenden zivilrechtlichen Verfahren geklärt, in dem erneut Anwaltsgebühren anfallen. Anders als in den Fällen des mit Erlass des Urteils angeordneten Verfalls von Wertersatz bedarf es nach § 1 1 l i StPO a.F. zur Feststellung des staatlichen Rechtserwerbs eines gesonderten Beschlusses, vor dessen Erlass der Betroffenen gehört wird und gegen den ihm das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zusteht.

Nach alledem ist der Anspruch auf Erstattung der notwendigen Auslagen für die im Zusammenhang mit dem allein der Rückgewinnungshilfe dienenden dinglichen Arrest erfolgte anwaltliche Vertretung nicht entstanden, so dass der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. September 2017 aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht § 465 Abs. 1 StPO.


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