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RVG Entscheidungen

§ 51

Pauschgebühr, Ausnahmecharakter

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 26.06.2018 - 5 RVGs 53/18

Leitsatz: Nach dem Willen des Gesetzgebers kommt der Pauschgebühr lediglich Ausnahmecharakter zu. Es geht keinesfalls um eine Gleichstellung oder sogar Besserstellung des Pflichtverteidigers im Verhältnis zum Wahlverteidiger.


OBERLANDESGERICHT HAMM
BESCHLUSS
III - 5 RVGs 53/18 OLG Hamm

Strafsache
gegen pp.
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.,
hier: Pauschgebühr für den bestellten Verteidiger gem. § 51 RVG).

Auf den Antrag des Rechtsanwaltes pp. in Witten vom 15. Februar 2018 auf Bewilligung einer Pauschgebühr für die Verteidigung des Angeklagten hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 26. Juni 2018 durch
den Richter am Amtsgericht (als Einzelrichter gem. §§ 51 Abs. 2 S. 4, 42 Abs. 3 S. 1 RVG) nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.
Der Antragsteller begehrt mit näherer Begründung, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (BI. 59 ff KH), für seine Tätigkeiten im vorliegenden Verfahren die Bewilligung einer Pauschgebühr, wobei diese 12.000,00 € zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer nicht unterschreiten sollte. Der Antragsteller begründet dies unter anderem damit, dass er zusätzlich Anträge im Rahmen eines Betreuungsverfahrens gestellt hat.

Der Antragsteller ist dem Angeklagten, der sich mehrfach im Laufe des Verfahrens nicht auf freiem Fuß befand, am 21. Oktober 2016 d. h. erst nach Eingang der siebenseitigen Antragsschrift vom 18. Mai 2016, als Pflichtverteidiger bestellt worden. Das hiesige Verfahren, zu dem weitere Verfahren hinzuverbunden wurden, fand vor dem Landgericht Bochum statt und erstreckte sich zunächst über vier Termine, wobei der Antragsteller an allen Terminen mit einer durchschnittlichen Dauer von 02:39 Stunden teilnahm. Im Rahmen der Beweisaufnahme wurden im Beisein des Antragstellers sieben Zeugen vernommen und ein Sachverständiger angehört. Unter anderem lag ein 18-seitiges psychiatrisches Gutachten vor. Das schriftliche Urteil vom 15. November 2016 umfasste 30 Seiten. Der Antragsteller legte hiergegen Revision ein und begründet diese. Er nahm am 03. August 2017 an der Hauptverhandlung vor dem Bundesgerichtshof teil, wobei dort das Urteil des Landgerichts Bochum vom 15. November 2016 aufgehoben wurde. Nach Zurückverweisung fand die Hauptverhandlung vor der 8. großen Strafkammer des Landgerichts Bochum an vier Terminen mit einer durchschnittlichen Dauer von 02:01 Stunden statt. Es wurden im Beisein des Antragstellers elf Zeugen vernommen und ein Sachverständiger angehört, der zuvor ein 19-seitiges schriftliches Gutachten erstattete.

Zu dem Antrag hat die Vertreterin der Staatskasse unter dem 06. Juni 2018 ausführlich und unter Berücksichtigung der Senatsrechtsprechung Stellung genommen und dabei den Tätigkeitsumfang des Antragstellers sowie die ihm zustehenden gesetzlichen Gebühren, die sich insgesamt auf 4.527,00 € belaufen, näher dargelegt. Aus der richterlichen Stellungnahme vom 09. Mai 2018 ergibt sich, dass die Strafsache nach dortiger Einschätzung für den Antragsteller keine besonderen Schwierigkeiten geböten hat. Die Vertreterin der Staatskasse regt zusammenfassend an, den Antrag zurückzuweisen, da die zu berücksichtigenden Umstände weder alleine noch im Zusammenhang die Gewährung einer Pauschgebühr, und zwar weder für einen einzelnen Verfahrensabschnitt noch nach einer Gesamtschau für das gesamte Verfahren rechtfertigten.

Der Antragsteller hatte Gelegenheit zur Stellungnahme, wovon er mit Schriftsatz vom 19. Juni 2018 Gebrauch gemacht hat.

Der Antrag war zurückzuweisen.

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist eine Pauschgebühr dann zu bewilligen, wenn die in den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache nicht zumutbar sind. Nach dem Willen des Gesetzgebers, der die Rechtsanwaltsvergütung insbesondere für den Bereich der Pflichtverteidigung erheblich verbessert hat, kommt der Pauschgebühr lediglich Ausnahmecharakter zu (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 201, 202; Burhoff, RVG, § 51 Rdnr. 1, 10). Es geht keinesfalls um eine Gleichstellung oder sogar Besserstellung des Pflichtverteidigers im Verhältnis zum Wahlverteidiger (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. nur Senatsbeschluss vom 14. Juni 2013 - 5 RVGs 46/13 -). Die Bewilligung einer Pauschgebühr kommt nur in Betracht, wenn sich die anwaltliche Mühewaltung von sonstigen - auch überdurchschnittlichen — Sachen in exorbitanter Weise abhebt (BGH, Beschluss vom 01.06.2015. 4 StR 267/11). Beträge in Höhe der einfachen Wahlverteidigerhöchstgebühren sind nur im Ausnahmefall zuzubilligen , sofern die Arbeitskraft des Verteidigers als Sonderopfer über eine längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich durch die vorliegende Strafsache blockiert worden ist (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 26. April 2013 - 5 RVGs 19/13 - und vom 14. Mai 2013 - 5 RVGs 34/13 -). Letzteres ist vom Antragsteller jedenfalls für einen längeren Zeitraum mit der Antragsschrift nicht dargetan. Der Umfang des Verfahrens - insbesondere der Prozessstoff - erscheint der Stellungnahme der Vertreterin der Landeskasse folgend für ein Verfahren vor einer großen Strafkammer noch durchschnittlich: Des Weiteren können auch die Dauer und Zahl der Hauptverhandlungstermine nicht mehr ohne weiteres einen besonderen Umfang des Verfahrens begründen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.11.2008 (5 (s) Sbd. X- 84/08), zumal der zusätzliche Zeitaufwand in (besonders) langen Hauptverhandlungsterminen durch zusätzliche Gebühren abgegolten wird. Im Übrigen liegt auch die durchschnittliche Terminsdauer im hiesigen Verfahren für ein Verfahren vor einer großen Strafkammer sowohl vor als auch nach Zurückverweisung noch nicht im überdurchschnittlichen Bereich (vgl. zum Ganzen BGH, NJW 2006, 74).
Der mit der Haft verbundene Mehraufwand, d.h. auch die Besprechungen in der Justizvollzugsanstalt oder etwaige weitere Anträge, wird in der Gesamtschau durch die angefallenen Haftzuschläge noch angemessen abgegolten. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass Besprechungen mit dem Mandanten - auch unter Würdigung des angeschlagenen Gesundheitszustandes des Angeklagten - zu den üblichen Anwaltstätigkeiten gehören und grundsätzlich durch die gesetzlichen Gebühren abgegolten werden, wenn sich- diese Tätigkeiten - wie vorliegend - in einem noch üblichen oder einem solchen leicht überschreitenden Rahmen bewegen (OLG Hamm, Beschluss_vom_16..03.20.06_ (2_(s)
Beschluss vom 21.03.2006 (2 (s) Sbd. IX - 29/06). Auch die angefallenen Fahrzeiten, d.h. der Reiseaufwand, sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. nur Senatsbeschluss vom 02. August 2012, III-5 RVGs 72/12) im Rahmen eines Pauschgebührenantrags nur dann zu berücksichtigen, wenn schon aus anderen Gründen eine Pauschgebühr zu bewilligen ist. Dies ist jedoch vorliegend eben nicht der Fall.

Die Tätigkeit des Antragstellers im Rahmen der Revisionsinstanz gestaltete sich ebenfalls lediglich durchschnittlich. Weder die zeitliche Inanspruchnahme noch der Umfang oder die Schwierigkeit der Rechtssache in dieser Instanz rechtfertigen eine andere Einschätzung.
Die weiteren in der Antragsbegründung angeführten Tätigkeiten - wie die Anregung der Einrichtung einer Betreuung - gehören nicht originär zum Strafverfahren und können daher bei der Bewertung des Umfangs der Sache nicht einbezogen werden.

Auch im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung erachtet der Senat daher die entstandenen gesetzlichen Gebühren noch für angemessen. und zumutbar. Bei der Frage der Zumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren muss stets im Wege der Gesamtschau die für die Tätigkeit im gesamten Verfahren gewährte Regelvergütung in den Blick genommen werden (vgl. nur Beschluss des erkennenden Senats vom 24. Februar 2017, 111-5 RVGs 9/17). Demgemäß hat eine Prüfung, ob und ggf. in welcher Höhe einem Rechtsanwalt eine Pauschgebühr zusteht, in aller Regel in einer Gesamtschau die Tätigkeiten des Anwalts in allen Verfahrensabschnitten zu berücksichtigen (OLG Braunschweig Beschl. v. 25.4 .2016 - 1 ARs 9/16, BeckRS 2016 , 08789). Die Voraussetzung der Unzumutbarkeit muss neben den besonderen Umfang bzw. die besondere Schwierigkeit der Sache treten. (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10. Januar 2006 in 2 (s) Sbd. VIII - 233/05). Die ausdrückliche Betonung des Gesichtspunktes der Zumutbarkeit im RVG soll den Ausnahmecharakter der Pauschgebühr hervorheben, die diese aufgrund der neu geschaffenen Gebührentatbestände inne haben soll. Bei Beachtung aller relevanten Umstände vermag der Senat insbesondere aufgrund der nur durchschnittlichen Tätigkeit in der Revisionsinstanz, ausreichende 'Gründe für ein Abweichen von der Regelvergütung im Sinne einer Unzumutbarkeit nicht zu erkennen. Der Pauschgebührenantrag war daher insgesamt zurückzuweisen.

Über Auslagen nach Teil 7 VV RVG — sowie auch die Mehrwertsteuer — ist nicht durch den Senat, sondern im Festsetzungsverfahren des erstinstanzlichen Gerichts zu entscheiden.


Einsender: RA P. Ziental, Witten

Anmerkung:


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