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RVG Entscheidungen

§ 3a

Vergütungsanspruch, Entfallen, nachgeschobener Kündigungsgrund, Sittenwidrigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Urt. v. 08.06.2018 - 9 U 41/16

Leitsatz: 1. Auch ein nachgeschobener Kündigungsgrund, der im Zeitpunkt der Kündigung schon bestand, dem kündigenden Dienstberechtigten aber seinerzeit noch nicht bekannt war, kann eine Kündigung im Sinne der Vorschrift des § 628 Abs. 1 S. 2 BGB veranlasst haben.
2. Allein aus einer anwaltlichen Vergütungsabrede, die zu einer Vergütung führt, die knapp dreimal so hoch ist wie die gesetzlichen Gebühren, kann nicht auf ein zur Sittenwidrigkeit führendes besonders grobes Missverhältnis zur gesetzlichen Vergütung geschlossen werden.


Kammergericht
9 U 41/16
Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit pp
pp.

hat der 9. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 08.06.2018 durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht und die Richter am Kammergericht
für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers sowie die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Dezember 2015 (23.O.394/14) werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision des Klägers wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung von Honorar für anwaltliche Leistungen.

Die Beklagte wandte sich an den Kläger, weil sie befürchtete, von einer Notarin wegen Vergütungsansprüchen für Entwürfe zweier Grundstücksübertragungsverträge und eines Testamentes in Anspruch genommen zu werden. Nach der Erstberatung durch den Kläger beauftragte die Beklagte den Kläger mit der Abwehr dieser Ansprüche sowie darüber hinaus mit dem Entwurf der zwei Grundstücksübertragungsverträge.

Mit Schreiben vom 10. Oktober 2014 kündigte die Beklagte die die Fertigung der Grundstücksübertragungsverträge betreffenden Mandate, weil sie noch Bedenkzeit brauche und die Häuser erst schätzen lassen wolle.
Daraufhin legte der Kläger vier Rechnungen vom 13. Oktober 2014:
– 952,00 Euro (Anlage K13) für die Erstberatung wegen Kündigung von anwaltlichen und/oder notariellen Geschäftsbesorgungsverträgen, Abwehr unberechtigter Honorarforderungen Rechtsanwältin und Notarin F… auf der Grundlage einer Vergütungsvereinbarung vom 7. Oktober 2014
- 1.689,80 Euro (Anlage K14) für die außergerichtliche Tätigkeit wegen Kündigung von anwaltlichen und/oder notariellen Geschäftsbesorgungsverträgen, Abwehr unberechtigter Honorarforderungen Rechtsanwältin und Notarin F… auf der Grundlage einer Vergütungsvereinbarung vom 7. Oktober 2014 - 16.342,27 Euro (Anlage K15) für den Entwurf eines Grundstücksübertragungsvertrages für das Grundstück in der M… straße … in B… -S…
– 9.202,27 Euro (Anlage K16) für den Entwurf eines Grundstücksübertragungsvertrages für das Grundstück in der Ma… straße … in B… -S…

Als Beleg dafür, dass er bereits mit der Fertigung der Entwürfe für die Grundstücksübertragungsverträge begonnen hatte, übersandte der Kläger der Beklagten die von ihm bereits angefertigten, jedoch ausdrücklich noch nicht fertiggestellten Entwürfe.

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 3. November 2014 berief sich die Beklagte auf den Wegfall der Vergütungspflicht bezüglich des Mandates zur Fertigung der Grundstücksübertragungsverträge wegen steuerschädlicher Vertragsgestaltung sowie auf eine sittenwidrige Überhöhung des Honorars wegen der Vergütungen für die Erstberatung und die außergerichtliche Tätigkeit gegenüber der Notarin.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung der ersten beiden oben aufgeführten Rechnungen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Gegen die Klageabweisung im Übrigen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Die Beklagte hat ihrerseits Anschlussberufung erhoben und wendet sich insoweit gegen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Vergütung aus der zweiten, oben genannten Rechnung in Höhe von 1.689,80 Euro (Anlage K 14) nebst Zinsen. Die Verurteilung zur Zahlung der ersten Rechnung (952,00 Euro nebst Zinsen - Anlage K 13) greift die Beklagte nicht an.

Der Kläger beantragt,
unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 30. Dezember 2015, Geschäftszeichen 23.O.394/14, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger über den vom Landgericht Berlin zugesprochenen Betrag hinaus weitere 25.544,54 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie beantragt im Wege der Anschlussberufung, unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 30. Dezember 2015 (23.O.394/14) die Klage in Höhe weiterer 1.689,80 Euro nebst anteiliger Zinsen abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.

II.

Berufung und Anschlussberufung sind zulässig, aber unbegründet.

1. Der Kläger kann von der Beklagten nicht Zahlung der mit den Rechnungen über 16.342,27 Euro (Anlage K15) sowie über 9.202,27 Euro (Anlage K16) abgerechneten Vergütungen für die Beauftragung mit der Fertigung der Entwürfe für Grundstücksübertragungsverträge verlangen, denn insoweit steht ihm gemäß § 628 Abs. 1 S. 2 BGB ein Vergütungsanspruch nicht zu.

Nach dieser Vorschrift entfällt der Vergütungsanspruch des Dienstverpflichteten, wenn er durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung des Dienstverhältnisses durch den Dienstberechtigten (gemäß § 626 oder § 627 BGB) veranlasst hat und die bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den Dienstberechtigten kein Interesse haben.

a) Unstreitig hat die Beklagte mit Schreiben vom 10. Oktober 2014 die Mandate zur Fertigung der Entwürfe für Grundstücksübertragungsverträge gekündigt.

b) Unstreitig ist zwischen den Parteien auch, dass die bisherigen Leistungen des Klägers infolge der Kündigung für die Beklagte kein Interesse mehr hatten.

Die Arbeiten des Beklagten konnte die Klägerin wirtschaftlich nicht verwerten, sie waren für sie nutzlos (BGH, Urteil vom 29. März 2011 – VI ZR 133/10 –, Rn. 18, juris). Die Beklagte müsste einen anderen Rechtsanwalt mit der Überarbeitung der noch nicht fertig gestellten Vertragsentwürfe beauftragen, wodurch eine anwaltliche Vergütung in gleicher Höhe noch einmal anfallen würde (BGH, Urteil vom 29. September 2011 – IX ZR 170/10 –, Rn. 13, juris).

c) Nach Auffassung des Senates hat der Kläger auch im Sinne von § 628 Abs. 1 S. 2 BGB durch sein vertragswidriges Verhalten die Kündigung der Beklagten vom 10. Oktober 2014 veranlasst.

aa) Die festgestellte Fehlerhaftigkeit der Vertragsentwürfe stellt ein vertragswidriges, die Kündigung des Vertragspartners veranlassendes Verhalten des Klägers im Sinne von § 628 Abs. 1 S. 2 BGB dar, welches grundsätzlich geeignet ist, im Falle der Kündigung den Vergütungsanspruch entfallen zu lassen.

Ein vertragswidriges Verhalten im Sinne dieser Vorschrift setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, Versäumnisurteil vom 16. Februar 2017 – IX ZR 165/16 –, Rn. 16, juris; Urteil vom 29. März 2011 – VI ZR 133/10 –, Rn. 11 ff., juris) lediglich schuldhaftes Verhalten voraus. Es ist nicht erforderlich, dass das vertragswidrige Verhalten als schwerwiegend oder als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB anzusehen ist. Es darf sich nur nicht um eine lediglich unerhebliche Pflichtverletzung im Sinne von § 323 Abs. 5 S. 2 BGB handeln, weil bestimmte schwerwiegende Rechtsfolgen, wie der Wegfall der Vergütung, bei geringfügigen Vertragsverletzungen nicht eintreten sollen (Übermaßverbot, § 242 BGB).

Ein schuldhaftes und nicht nur geringfügiges vertragswidriges Verhalten des Klägers war im vorliegenden Fall gegeben. Der Beklagte hat seine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag dadurch schuldhaft verletzt, dass er für die Klägerin völlig ungeeignete Vertragsentwürfe vorbereitet hat.

Ein Rechtsanwalt ist im Rahmen des ihm erteilten Mandates verpflichtet, den Auftraggeber umfassend zu belehren, seine Belange nach jeder Richtung wahrzunehmen und seinen Auftrag so zu erledigen, dass Nachteile für den Mandanten möglichst vermieden werden. Der Mandant kann von ihm die Kenntnis der einschlägigen Rechtsnormen erwarten, bei deren Auslegung er sich grundsätzlich an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu orientieren hat. Fehlt eine höchstrichterliche Rechtsprechung, kann der Rechtsanwalt sich die erforderlichen Kenntnisse etwa durch Einsichtnahme in eines der üblichen Erläuterungsbücher verschaffen. Ungewöhnliche Fallgestaltungen, die weder Gegenstand einer höchstrichterlichen oder instanzgerichtlichen Entscheidung waren noch in einem der gängigen Kommentare oder Lehrbüchern behandelt wurden, hat er auf der Grundlage eigener, juristisch begründeter Überlegungen zu bearbeiten (BGH, Urteil vom 17. März 2016 – IX ZR 142/14 –, Rn. 9, juris).

Wie das Landgericht – von der Berufung unangegriffen – zutreffend ausgeführt hat, waren die vom Kläger gefertigten Vertragsentwürfe fehlerhaft, weil sie steuerschädlich einen Zuwendungsnießbrauch statt eines Vorbehaltsnießbrauchs regelten. Unerheblich ist es, dass es sich lediglich um erste – noch nicht “freigegebene” – Entwürfe (“Skizzen”) gehandelt hatte und der Kläger diese noch hätte überarbeiten können. Zum einen stellte die Entscheidung des Klägers für die Regelung der Interessen der Klägerin mittels eines Zuwendungsnießbrauchs bereits eine entscheidende, aber fehlerhafte Weichenstellung bei der Bearbeitung des ihm übertragenen Mandates dar, welche es allein rechtfertigte, dass der Beklagten eine weitere Bindung an den Vertrag nicht mehr zugemutet werden konnte. Einem Rechtsanwalt, der bei der Bearbeitung einer Angelegenheit bereits so frühzeitig einen derart entscheidenden Fehler macht und “in die falsche Richtung” arbeitet, möchte man nicht länger seine Angelegenheiten anvertrauen. Durch den Fehler bei der Bearbeitung des Mandates ist das Vertrauen in das anwaltliche Können des Klägers und damit in dessen berufliche Zuverlässigkeit zerstört.

Zum anderen ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich, wie dem Kläger dieser Fehler hätte auffallen und von ihm behoben werden können. Dies konnte er auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht plausibel darlegen.

bb) Dieses vertragswidrige Verhalten des Klägers hat die Kündigung der Beklagten vom 10. Oktober 2014 auch im Sinne von § 628 Abs. 1 S. 2 BGB veranlasst.

Allerdings trifft es zu, dass die Beklagte das Mandat zur Erstellung der Entwürfe ausdrücklich allein deshalb beendet hat, weil sie noch Bedenkzeit brauche und die Häuser erst schätzen lassen wolle (vgl. Kündigung vom 10. Oktober 2014 - Anlage K 10). Das oben erörterte vertragswidrige Verhalten des Klägers, welches der Beklagten im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht bekannt war, war demgegenüber nicht Grundlage der Kündigung. Dieser Umstand ist jedoch unerheblich, weil die insbesondere am Sinn und Zweck orientierte Auslegung des § 628 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt, dass auch ein nachgeschobener Kündigungsgrund, der im Zeitpunkt der Kündigung schon bestand, dem kündigenden Dienstberechtigten aber seinerzeit noch nicht bekannt war, die Kündigung im Sinne der Vorschrift veranlasst haben kann.

(1) Nach der wohl herrschenden Auffassung in der Literatur (Preis in: Staudinger, Neubearbeitung 2016, BGB § 628, Rn. 25; Henssler in Münchener Kommentar, 7. Auflage 2016, BGB § 628 Rn. 19; Weth in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 628 BGB, Rn. 12) soll dieser Umstand der Anwendung von § 628 Abs. 1 S. 2 BGB im vorliegenden Fall entgegenstehen. Nach dieser Vorschrift soll der Untergang des Vergütungsanspruchs davon abhängen, dass ein vertragswidriges Verhalten des Dienstverpflichteten die Kündigung des Dienstberechtigten “veranlasst” habe. Veranlassung zur Kündigung könne nur dann vorliegen, wenn die Vertragsverletzung auch der Grund für die Kündigung des Dienstverhältnisses gewesen sei. Die Vertragswidrigkeit muss für die konkrete Kündigung kausal gewesen sein. Erlangt der Kündigende erst später Kenntnis von einer hinreichenden Vertragswidrigkeit, fehle die Kausalität (Belling/Riesenhuber in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 628 BGB, Rn. 14). Gleiches wird für den Schadenersatz nach § 628 Abs. 2 BGB verlangt. Die Kündigung müsse ursächlich durch das vertragswidrige Verhalten des anderen Teils veranlasst sein. Das konkret veranlassende Motiv der Kündigung müsse eine den Ersatzanspruch rechtfertigende Vertragswidrigkeit gewesen sein. Durch Nachschieben nachträglich zur Kenntnis gelangter Vertragswidrigkeiten werde ein Ersatzanspruch nicht begründet (Belling/Riesenhuber in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 628 BGB, Rn. 34). Erlange der Kündigende erst später von einer hinreichenden Vertragswidrigkeit Kenntnis, fehle es an der erforderlichen Kausalität (Henssler in Münchener Kommentar, 7. Auflage 2016, BGB § 628 Rn. 19).

Dieser Auffassung hat sich auch das OLG Koblenz (mit der soweit ersichtlich einzigen hierzu ergangenen obergerichtlichen Entscheidung - Urteil vom 28. April 1975 – 1 U 292/74 –, juris) angeschlossen. Wer einen Dienstvertrag aus wichtigem Grund fristlos kündige, könne nicht allein deshalb Schadensersatz fordern, weil dem Gegner eine schuldhafte Vertragsverletzung zur Last falle. Erforderlich sei vielmehr, dass das vertragswidrige Verhalten des Gegners Motiv für die Kündigung geworden sei.

(2) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 12. Juni 1963 – VII ZR 272/61 –, juris) zu einer vergleichbaren Regelung zum Handelsvertreterausgleichsanspruch liegt jedoch eine andere Auslegung der Vorschrift näher. Nach dieser Entscheidung kann ein nachgeschobener Kündigungsgrund, der im Zeitpunkt der Kündigung schon bestand, dem kündigenden Handelsvertreter aber damals noch nicht bekannt war, “begründeter Anlass” zur Kündigung sein.

Grundlage dieser Entscheidung ist § 89b Abs. 3 HGB in der seinerzeit geltenden Fassung. Danach besteht der Ausgleichsanspruch nicht, “wenn der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, dass ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlass gegeben hat … Der Anspruch besteht ferner nicht, wenn der Unternehmer das Vertragsverhältnis gekündigt hat und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorlag.” Der Handelsvertreter hat hiernach keinen Ausgleichsanspruch, wenn er selbst gekündigt hat, es sei denn, dass der Unternehmer Anlass zu der Kündigung gegeben hat.

Nach der Argumentation des Bundesgerichtshofes ist der Wortlaut dieser Regelung, welcher mit dem Wortlaut der vorliegend maßgeblichen Vorschrift des § 628 Abs. 1 S. 2 BGB vergleichbar ist, nicht eindeutig (BGH a.a.O. Rn. 69). Zwar spreche der Wortlaut durchaus dafür, dass das Verhalten des Unternehmers für die Kündigung des Handelsvertreters ursächlich gewesen sein müsse, was nicht der Fall wäre, wenn der Handelsvertreter bei der Kündigung das betreffende Verhalten des Unternehmers noch gar nicht kannte (BGH a.a.O. Rn. 70). Diese Auslegung sei aber nicht zwingend. Die Bestimmung könne auch dahin verstanden werden, dass es lediglich darauf ankomme, ob im Zeitpunkt der Kündigung des Handelsvertreters objektiv ein Verhalten des Unternehmers vorlag, aus dem der Vertreter einen begründeten Anlass für seine Kündigung herleiten konnte. Dann sei es nicht entscheidend, ob das Verhalten des Unternehmers schon im Zeitpunkt der Kündigung ein Motiv für die Kündigung des Handelsvertreters gewesen sei. Der Handelsvertreter müsse sich lediglich nachträglich auf diesen Grund zur Rechtfertigung seiner Kündigung berufen (BGH a.a.O. Rn. 71). Diese Überlegungen lassen sich auf die Vorschrift des § 628 Abs. 1 S. 2 BGB übertragen.

Für diese Auslegung sprächen auch Sinn und Zweck der Vorschrift (BGH a.a.O. Rn. 72 ff.).

§ 89 b HGB wolle den Handelsvertreter begünstigen und schützen. Nur dort, wo er nicht schutzbedürftig oder -würdig ist, soll nach dem Willen des Gesetzes der Ausgleichsanspruch entfallen. Dies trifft auch für den Vergütungsanspruch im Dienstvertragsrecht zu.

Ein weiteres Argument leitet der Bundesgerichtshof aus § 89b Abs. 3 S. 2 HGB a.F. (“Der Anspruch besteht ferner nicht, wenn der Unternehmer das Vertragsverhältnis gekündigt hat und für die Kündigung ein wichtiger Grund wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters vorlag.”) her (BGH a.a.O. Rn. 74ff.). Aus der Vorschrift ergebe sich, dass bei der Kündigung ein Grund nur vorliegen müsse, nicht aber in der Kündigung angegeben werden müsse. Für die Kündigung des Unternehmers genüge es also, dass der Kündigungsgrund im Zeitpunkt der Kündigung objektiv vorgelegen habe, und es sei nicht erforderlich, dass der Unternehmer sich schon bei der Kündigung auf ihn berufen habe oder dass er ihm überhaupt bekannt gewesen sei. Dann aber sei es nicht einzusehen, warum für die Kündigung des Handelsvertreters insoweit eine diesem ungünstigere Regelung gelten solle.

Schließlich führt der Bundesgerichtshof ins Feld, dass es grundsätzlich für die sofortige Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung genüge, dass Kündigungsgründe nachgeschoben werden, die im Zeitpunkt der Kündigung bereits vorlagen, auch wenn sie dem Kündigenden damals noch nicht bekannt gewesen seien (BGH a.a.O. Rn. 77). Es sei unbillig, einer fristlosen Kündigung die Wirksamkeit zu versagen, obwohl im Zeitpunkt der Kündigung objektiv ein Grund für sie gegeben sei und obwohl der Kündigende nachträglich erklärt habe, sich auf diesen Grund auch berufen zu wollen. Wollte man solche Kündigungsgründe unberücksichtigt lassen, so würde dies den Vertragsteil besser stellen, der einen wesentlichen Kündigungsgrund vor seinem Vertragspartner zu verheimlichen verstanden hat (BGH a.a.O. Rn. 78). Auch dieses Argument gilt ebenso für eine fristlose Kündigung im allgemeinen Dienstvertragsrecht.

Von dieser Rechtsprechung ist der Bundesgerichtshof – soweit ersichtlich – bislang nicht abgerückt. In einer Entscheidung vom 23. Mai 1984 hat er sie vielmehr bestätigt: “Nach dem Sinn und Zweck des § 89b Abs. 3 S. 1 HGB kommt es lediglich darauf an, ob im Zeitpunkt der Kündigung des Handelsvertreters objektiv ein Verhalten des Unternehmers vorlag, aus dem der Vertreter einen begründeten Anlass für seine Kündigung herleiten konnte (…). Es ist also nicht entscheidend, ob das Verhalten des Unternehmers schon im Zeitpunkt der Kündigung Motiv für die Kündigung des Handelsvertreters war; es genügt vielmehr, dass der Handelsvertreter sich – wenn auch später, … - auf diesen begründeten Anlass zur Kündigung (…) beruft.” (BGH, Urteil vom 23. Mai 1984 – I ZR 42/82 –, Rn. 17, juris)

Soweit der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung in seinem Urteil vom 16. Februar 2011 – VIII ZR 226/07 – ausdrücklich aufgegeben hat, gilt dies nur für die Kündigung des Unternehmers gemäß § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB (dies entspricht § 89b Abs. 3 S. 2 HGB a.F.), nicht aber für die Kündigung des Handelsvertreters gemäß § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB (= § 89b Abs. 3 S. 1 HGB a.F.). § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB sei nunmehr aufgrund von Art. 18 Buchst. a der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbstständigen Handelsvertreter richtlinienkonform dahin auszulegen, dass der Ausgleichsanspruch nach dieser Vorschrift nur dann ausgeschlossen ist, wenn zwischen dem schuldhaften Verhalten des Handelsvertreters und der Kündigung des Unternehmers ein unmittelbarer Ursachenzusammenhang besteht (BGH, a.a.O. Rn. 18). Dass dies auch für die Regelung von § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB Auswirkungen haben soll, zu deren Vorgängervorschrift § 89b Abs. 3 S. 1 HGB a.F. der Bundesgerichtshof die oben dargestellte Rechtsprechung entwickelt hat, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (a.a.O.) als auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (Urteil vom 28. Oktober 2010 – C-203/09 –, Rn. 38 ff., juris), welche den Bundesgerichtshof zu einer Änderung seiner Rechtsprechung zu § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB veranlasste, befassen sich nicht mit einem Fall von § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB (= § 89b Abs. 3 S. 1 HGB a.F.).

(3) Der Senat schließt sich der auch bei der Auslegung der Vorschrift des § 628 Abs. 1 S. 2 BGB zu einem überzeugenderen Ergebnis führenden Argumentation des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 12. Juni 1963 – VII ZR 272/61 –, juris; Urteil vom 23. Mai 1984 – I ZR 42/82 –, Rn. 17, juris) an. Damit gilt auch im Falle einer Kündigung des Dienstberechtigten aus den oben erörterten Gründen, dass ein nachgeschobener Kündigungsgrund, der im Zeitpunkt der Kündigung schon bestand, dem kündigenden Dienstberechtigten aber seinerzeit noch nicht bekannt war, die Kündigung im Sinne der Vorschrift des § 628 Abs. 1 S. 2 BGB veranlasst haben kann.

Hinzu kommen folgende Erwägungen: Wer sich objektiv vertragswidrig verhalten hat, ist nicht schutzwürdig, unabhängig davon, ob dem Kündigenden dies bekannt war oder nicht. Hat die Leistung des sich vertragswidrig verhaltenden Dienstverpflichteten für den Dienstberechtigten kein Interesse, kann die Vergütung nicht lediglich davon abhängen, ob der Dienstberechtigte Kenntnis von dem vertragswidrigen Verhalten hatte und die Kündigung deshalb ausdrücklich darauf stützen konnte. Versagt man dem Dienstberechtigten sich auf Kündigungsgründe zu berufen, die diesem im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht bekannt waren, würde dies denjenigen Dienstverpflichteten bevorzugen, der es verstanden hat, sein vertragswidriges Verhalten geheim zu halten (BGH, Urteil vom 12. Juni 1963 – VII ZR 272/61 –, Rn. 78, juris; s.a. BGH, Urteil vom 05. Dezember 1979 – VIII ZR 155/78 –, Rn. 111, juris).

Vor allem vor dem Hintergrund, dass Kündigungsgründe, die dem Kündigenden bei Ausspruch der Kündigung noch nicht bekannt waren, uneingeschränkt nachgeschoben werden können, wenn sie bereits vor Ausspruch der Kündigung entstanden sind (BAG, Urteil vom 04. Juni 1997 – 2 AZR 362/96 –, Rn. 22, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 17. September 2014 – 4 U 97/14 –, Rn. 28, juris; Preis in: Staudinger, Neubearbeitung 2016, BGB § 626, Rn. 66; Henssler in: Münchener Kommentar, 7. Auflage 2016, BGB § 626 Rn. 126; Weth in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 314 BGB, Rn. 23; Böttcher in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 314 BGB, Rn. 10; Lorenz in BeckOK, Stand 01.05.2014; BGB § 314 Rn. 15), ergibt sich auf der Grundlage der oben dargestellten wohl herrschenden Auffassung in der Literatur und der Rechtsprechung des OLG Koblenz (Urteil vom 28. April 1975 – 1 U 292/74 –, juris) ein anders nicht zu vermeidender Wertungswiderspruch im Vergleich der Regelungen von § 626 BGB und 628 Abs. 1 S. 2 BGB. Schließlich deutet auch die redaktionelle Gestaltung des § 626 Abs. 1 darauf hin, dass sich der Kündigende der Unzumutbarkeit bewusst sein muss (Henssler in: Münchener Kommentar, 7. Auflage 2016, BGB § 626 Rn. 126).

2. Die sich allein gegen die Verurteilung zur Zahlung der Vergütung aus der Rechnung in Höhe von 1.689,80 Euro (Anlage K 14) nebst Zinsen richtende Anschlussberufung der Beklagten ist unbegründet.

Die dieser Rechnung zugrundeliegende Honorarvereinbarung ist nicht gemäß § 138 Abs. 1 oder 2 BGB unwirksam. Eine Sittenwidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift ist weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich.

a) Unabhängig davon, dass die Beklagte verkennt, dass der Kläger seine außergerichtliche Tätigkeit vergütet haben will, er mithin ohne Honorarvereinbarung eine Geschäftsgebühr nach RVG VV 2300 verlangen kann (insgesamt 1,3 x 354,00 Euro zzgl. Postpauschale zzgl. MWSt. = 571,44 Euro) und die von ihm geltend gemachte Vergütung danach lediglich knapp dreimal so hoch ist, kann die Sittenwidrigkeit einer Honorarvereinbarung nicht allein aus einem Vergleich mit den gesetzlichen Gebühren hergeleitet werden.

Eine Vergütungsabrede ist nach ständiger Rechtsprechung gemäß § 138 Abs. 1 BGB nur dann sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und weitere Umstände hinzutreten, welche die Sittenwidrigkeit begründen, insbesondere etwa eine verwerfliche Gesinnung oder die Ausbeutung der schwierigen Lage oder Unerfahrenheit für das eigene unangemessene Gewinnstreben (BGH, Urteil vom 10. November 2016 – IX ZR 119/14 –, Rn. 17, juris). Für die Frage, ob ein Missverhältnis besteht, kommt es auf einen Vergleich zwischen dem objektiven Wert der beiderseitigen Leistungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Entscheidend ist der Marktwert, also der marktübliche Preis. Daher muss der Mandant, der ein sittenwidrig überhöhtes Entgelt behauptet, zu dem Preis vortragen, welcher der vom Anwalt versprochenen Leistung üblicherweise im sonstigen Geschäftsverkehr zukommt. Die gesetzlichen Gebühren allein sind vielfach keine ausreichende Vergleichsgrundlage für ein den Schluss auf eine Sittenwidrigkeit ermöglichendes Missverhältnis, weil sie nicht in allen Fällen die marktangemessene, adäquate Vergütung für die aufgrund eines konkreten Mandats geschuldete Leistung des Anwalts abbilden sollen, sondern auf einer anderen Grundlage festgesetzt werden (BGH, a.a.O., Rn. 18 f., juris).

Danach reicht der Vortrag der Beklagten nicht aus, eine Sittenwidrigkeit der Honorarvereinbarung festzustellen. Hinzukommt, dass das Landgericht seine Entscheidung darauf gestützt hat, dass die subjektiven Tatbestandsmerkmale gemäß § 138 Abs. 2 BGB nicht vorgetragen sind. Selbst wenn man ein auffälliges Missverhältnis annehmen würde, fehlt die Darlegung dieser subjektiven Merkmale, zu denen die Beklagte nichts vorgetragen hat.

b) Soweit sich die Beklagte darauf berufen will, es liege ein besonders grobes Missverhältnis vor, aus dem auf die verwerfliche Gesinnung des Klägers geschlossen werden könne, gilt nichts anderes.

Bei einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spricht eine Vermutung für ein Handeln aus verwerflicher Gesinnung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2000 - IX ZR 121/99, juris: 5-fache der gesetzlichen Vergütung). Liegt die Diskrepanz aber unterhalb der für das besonders grobe Missverhältnis anerkannten Grenze, liegt nur ein auffälliges Missverhältnis vor, das keine Vermutung für eine verwerfliche Gesinnung begründet (BGH, Urteil vom 10. November 2016 – IX ZR 119/14 –, Rn. 18, juris). Da die gesetzlichen Gebühren nicht in allen Fällen die marktangemessene, adäquate Vergütung für die aufgrund eines konkreten Mandats geschuldete Leistung des Anwalts abbilden (s.o.), genügt für sich genommen das mehrfache Überschreiten der gesetzlichen Gebühren noch nicht, um den Schluss auf ein auffälliges oder gar besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne des § 138 BGB ziehen zu können (BGH, a.a.O., Rn. 19).
„Der Mandant, der geltend macht, die mit dem Anwalt getroffene Vergütungsvereinbarung sei sittenwidrig und daher nichtig, und sich hierzu auf ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung des Anwalts und dem vereinbarten Honorar beruft, muss also nicht nur dartun, dass die vereinbarte Vergütung die gesetzlichen Gebühren überschreitet, sondern zudem darlegen und beweisen, dass nach Umfang und Schwierigkeit der im Rahmen des konkreten Mandats geschuldeten anwaltlichen Tätigkeit objektiv nur eine geringere als die vereinbarte Vergütung marktangemessen ist. Erst wenn auf dieser Grundlage feststeht, dass die versprochene Vergütung das Honorar deutlich überschreitet, welches für die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nach dem konkreten Mandat im Gegenzug zu leistende anwaltliche Tätigkeit objektiv angemessen ist, liegt ein auffälliges Missverhältnis vor. Übersteigt sie das angemessene, adäquate Honorar in krasser Weise, liegt ein besonders grobes Missverhältnis vor, aus dem auf die verwerfliche Gesinnung des Rechtsanwalts geschlossen werden kann.” (BGH, Urteil vom 10. November 2016 – IX ZR 119/14 –, Rn. 21, juris) Dies hat die Beklagte nicht dargetan.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 und 2, 709 S. 2 ZPO.

Die Revision des Klägers war gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts sowie im Hinblick auf die entgegenstehende Rechtsprechung des OLG Koblenz (Urteil vom 28. April 1975 – 1 U 292/74 –, juris) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Die Zulassung der Revision zugunsten der Beklagten kam nicht in Betracht.


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