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RVG Entscheidungen

Gebühren-/Kostenfragen - Allgemeines

Einstellung, Verhandlungsunfähigkeit, Kostentragungspflicht, Staatskasse

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Amberg, Beschl. v. 16.10.2018 - 11 Qs 67/18

Eigener Leitsatz: Zu Überbürdung der notwendigen Auslagen auf die Staatskasse nach Einstellung des Verfahrens wegen des Verfahrenshindernisses der Verhandlungsunfähigkeit.


Landgericht Amberg
11 Qs 67/18

In dem Strafverfahren
gegen pp.
wegen Trunkenheit im Verkehr
erlässt das Landgericht Amberg – 11. Strafkammer - durch die unterzeichnenden Richter am 15. Oktober 2018 folgenden Beschluss

I. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Amberg gegen den Beschluss des Amtsgerichts
Amberg vom 31.08.2018 wird verworfen.
II. Die Kosten sowie die notwendigen Auslagen des fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

Mit Verfügung vom 23.10.2017 beantragte die Staatsanwaltschaft Amberg bei dem Amtsgericht Amberg den Erlass eines Strafbefehls gegen den ehemaligen Angeklagten wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr. Dieser wurde am 2.11.2017 erlassen. Der ehemalige Angeklagte legte durch seinen Verteidiger mit Schriftsatz vom 13.11.2017 Einspruch gegen den Strafbefehl ein.

Mit Schriftsatz vom 5.2.2018 teilte der Verteidiger mit, dass der Angeklagte einen Schlaganfall erlitten habe, wobei das Sprachvermögen stark eingeschränkt sei.

Der ehemalige Angeklagte steht seit vielen Jahren unter Betreuung, da er an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis leidet.

Mit gerichtspsychiatrischen Gutachten des gerichtsärztlichen Dienstes bei dem Oberlandesgericht Nürnberg vom 17.07.2018 stellte der Sachverständig fest, dass der ehemalige Angeklagte verhandlungsunfähig ist. Er leide an hebephrener Schizophrenie. Die Folgen des Anfang 2018 erlittenen Schlaganfalles seien mittlerweile nahezu ausgeheilt. Die schizophrene Psychose verlaufe jedoch chronisch. Im Vordergrund des psychopathologischen Befundes stünden deutliche kognitive Defizite. Es sei nicht zu erwarten, dass die Verhandlungsfähigkeit in absehbarer Zeit wieder hergestellt werden könne. Hinsichtlich des weiteren Inhalts wird auf das gerichtspsychiatrische Gutachten vom 17.7.2018 verwiesen.

Mit Verfügung vom 31.7.2018 beantragte die Staatsanwaltschaft Amberg, das Verfahren nach § 206a StPO einzustellen. Auch der Verteidiger des ehemaligen Angeklagten stellte diesen Antrag. Mit Schriftsatz vom 6.8.2018 beantragte er zudem, die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.

Mit Beschluss vom 31.8.2018 stellte das Amtsgericht Amberg das Verfahren gemäß § 206a StPO ein und bestimmte, dass die Kosten sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten die Staatskasse trägt.

Am 12.9.2018 legte die Staatsanwaltschaft Amberg sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 31.8.2018 ein und begründete diese mit Verfügung vom 13.09.2018 gesondert.

1. Der Beschwerdebegründung der Staatsanwaltschaft Amberg ist zu entnehmen, dass sich die sofortige Beschwerde allein gegen die Kosten- bzw. Auslagenentscheidung des Amtsgerichts Amberg wendet. Diese ist nach § 464 Abs. 3 S. 1 StPO zulässig.

2. Die sofortige Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

a) Das Amtsgericht Amberg hat die notwendigen Auslagen des ehemaligen Angeklagten der Staatskasse auferlegt. Es hat von der Möglichkeit im Falle einer Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses diese Auslagen dem Angeklagten aufzuerlegen nach § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO keinen Gebrauch gemacht.

Erfolgt die Einstellung, wie hier, vor oder außerhalb der Hauptverhandlung, kann von einer Auslagenerstattung abgesehen werden, wenn - ohne das Verfahrenshindernis - ein erheblicher oder hinreichender Tatverdacht fortbesteht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage 2018, Rdnr. 16). Die Entscheidung darf nicht schematisch, sondern nur nach Ausübung des eingeräumten Ermessens erfolgen. Hierbei ist dem Ausnahmecharakter von § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO grundsätzlich Rechnung zu tragen. War das Verfahrenshindernis bei Klageerhebung bereits eingetreten, soll es deshalb bei der regelmäßigen Kostenfolge nach § 467 Abs. 1 StPO bleiben, es sei denn, eine solche Lösung erscheint grob unbillig, etwa weil der Eintritt des Verfahrenshindernisses auf ein vorwerfbares Verhaften des Angeklagten zurückzuführen ist (OLG Celle, Beschluss vom 6. 8. 2013 — 2 Ws 144/13 —, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage, § 467 Rdnr. 18).

b) Vorliegend kann schon nicht ausgeschlossen werden, dass eine Verurteilung des ehemaligen An-geklagten, selbst wenn er verhandlungsfähig gewesen wäre, wegen aufgehobener Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit nach § 20 StGB nicht erfolgt wäre. Der ehemalige Angeklagte hatte gegenüber den Polizeibeamten angegeben, viel zu viele Tabletten vor Fahrtantritt eingenommen zu haben. Dies bestätigt letztlich auch der Ärztliche Befundbericht der pp. vom 07.09.2017. Zudem sei nach Aussage des Zeugen ein Gespräch mit dem ehemaligen Angeklagten nicht möglich gewesen. Dieser sei zu stark verwirrt und benommen gewesen. Er habe starke motorische Störungen gehabt, sei stark umher geschwankt und habe sich kaum auf den Beinen halten können. Der Zeuge pp. bestätigte dies. Diese Umstände legen eine aufgehobene Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit aufgrund der schizophrenen Psychose zumindest nahe.

c) Überdies bestand die Verhandlungsunfähigkeit des ehemaligen Angeklagten bereits vor dem Antrag auf Erlass des Strafbefehls. Aus dem gerichtspsychiatrischen Gutachten ergibt sich, dass der ehemalige Angeklagte aufgrund des chronischen Verlaufs der Schizophrenie und der damit einhergehenden kognitiven Defizite verhandlungsunfähig ist. Da diese Erkrankung bereits seit mehreren Jahren vorliegt, ist davon auszugehen, dass sie auch bereits vor bzw. bei dem Antrag auf Erlass des Strafbefehls vorlag. Dass die Verhandlungsunfähigkeit hier erst nach Erholung eines Sachverständigengutachtens bekannt wurde, steht dem nicht entgegen (vgl. hierzu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage, § 467 Rdnr. 18). Gerade unter Berücksichtigung der psychischen Erkrankung des ehemaligen Angeklagten, welche mit erheblichen kognitiven Defiziten verbunden ist und des Zustandes bei Begehung der Tat, erscheint es nicht grob unbillig, der Staatskasse seine notwendigen Auslagen aufzuerlegen.

Nach alledem liegen die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift aus § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO nicht vor. Die notwendigen Auslagen waren daher der Staatskasse aufzuerlegen.

III.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 473 Abs. 1 und Abs. 2 StPO.


Einsender: RA J. Jendricke, Amberg

Anmerkung:


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