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wird die Erinnerung des Verteidigers vom 10. September 2004 gegen die Zurückwei-sungsentscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 31. August 2004 nach Anhörung der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Berlin als unbegründet zurückgewie-sen.
Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Der Antragsteller hat mit dem Gericht am 28. Juni 2004 per Telefax übermitteltem Schriftsatz vom selben Tage angezeigt, dass der Angeklagte ihn an diesem Tage mit der Verteidigung in hiesiger Rechtssache betraut habe. Mit Verfügung des Strafkammervor-sitzenden vom 2. Juli 2004 ist der Antragsteller dem Angeklagten gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 1, 2 StPO zum Pflichtverteidiger bestellt worden.
Nach dem in erster Instanz erfolgten rechtskräftigen Abschluss des hiesigen Verfahrens hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 5. August 2004 die aus der Staatskasse zu zah-lenden Pflichtverteidigergebühren gemäß § 55 RVG - somit nach demnach der Geset-zesänderung zum 1. Juli 2004 in Kraft getretenen Recht - geltend gemacht. Diesen An-trag hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle mit Schreiben vom 31. August 2004, zurückgewiesen.
Gegen diese dem Verteidiger am 3. September 2004 zugegangene Zurückweisungsent-scheidung hat dieser mit dem Gericht am 10. September 2004 übermittelten Schriftsatz vom gleichen Tage einen als sofortige Beschwerde bezeichneten Rechtsbehelf einge-legt, welchen er mit Schriftsatz vom 21. September 2004 näher begründet hat.
II.
Das als zulässige Erinnerung gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Ge-schäftsstelle zu behandelnde Rechtsmittel des Verteidigers hat in der Sache keinen Er-folg. Der Antrag des Verteidigers, sein Tätigwerden in der vorliegenden Rechtssache nach § 55 RVG zu vergüten, ist zu Recht zurückgewiesen worden.
Die Gebührenberechnung hat vorliegend nicht nach den am 1 Juli 2004 in Kraft getrete-nen Vorschriften des RVG; sondern nach den bis dahin geltenden Bestimmungen der BRAGO zu erfolgen. Eine Vergütung für die Pflichtverteidigertätigkeit des in erster In-stanz vor dem 1. Juli 2004 bereits als Wahlverteidiger tätigen und erst am 2. Juli 2004 - somit nach Inkrafttreten des RVG - zum Pflichtverteidiger bestellten Antragstellers nach der Regelung des § 55 RVG hätte nur dann erfolgen müssen, wenn kein Fall des § 60 Abs.1 Satz 1 RV G vorliegen würde. Dem Antragsteller ist im vorliegenden Verfahren jedoch bereits vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1. Juli 2004 der unbedingte Auftrag zur Erledigung der hiesigen Angelegenheit erteilt worden, so dass nach § 60 Abs. 1 Satz 1 1. Fall RVG nur eine Pflichtverteidigervergütung nach altem Recht in Be-tracht kommt.
1) Die Regelung des § 60 Abs. 1 RVG als Übergangsvorschrift hat - entgegen dem Vor-trag des Antragstellers - einen eindeutigen Wortlaut. Sie stellt für die Gebührenberech-nung im Falle des Tätigwerdens eines Rechtsanwalts in erster Instanz in Satz 1 klar, dass die Vergütung nach bisherigem Recht erfolgen soll, sofern einer der dort genannten Tatbestände erfüllt ist. Im vorliegenden Falle ist der unbedingte Auftrag des Verteidigers zur Wahrnehmung der Rechte des Angeklagten am 28. Juni 2004 und somit vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des RVG erfolgt. Eine andersartige Auslegung lässt der Ge-setzeswortlaut dieser Übergangsvorschrift nicht zu.
2) Auch zeigt die Gesetzessystematik, dass diese Auslegung des § 60 Abs.1 Satz 1 RVG sachgerecht und zutreffend ist, da der Gesetzgeber in § 60 Abs.1 Satz 2 RVG für den Fall, dass ein Rechtsmittel eingelegt worden ist, ausdrücklich geregelt hat, dass die Vergütung dann nach neuem Recht erfolgen soll. Im Falle der Gebührenberechnung für die erstinstanzliche Verteidigertätigkeit hat der Gesetzgeber eine derartige Regelung gerade nicht vorgesehen. Dass es sich insoweit um eine für bestimmte Fallkonstellatio-nen ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke handeln könnte, lässt sich dem abgestuften Regelungsgefüge des § 60 Abs.1 RVG nicht entnehmen.
3) Auch steht die hier vorgenommene Auslegung des § 60 Abs. 1 RVG mit dem mit die-ser Übergangsvorschrift verfolgten Sinn und Zweck in Einklang. Der Gesetzgeber er-strebte mit dieser Übergangsregelung, die im Wortlaut der bisherigen Vorschrift des § 134 BRAGO entspricht, eine genauer Abgrenzung hinsichtlich des im Rahmen der Ge-bührenbemessung anzuwendenden Rechts. Insoweit ist es sachgerecht, den bereits vor dem 1. Juli 2004 tätig gewordenen Verteidiger, der sich auf eine Vergütung nach bisheri-gem Recht hat verlassen können, mit einer etwaigen späteren Bestellung jedoch nicht notwendigerweise hat rechnen können, nach den bisherigen Vorschriften zu vergüten, hingegen alle nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Regelungen beauftragten und bestellten Verteidiger gebührenrechtlich nach dem neuen Recht zu behandeln. Auch wird durch eine derartige Rechtsanwendung der Interessenlage des Kostenschuldners angemessen Rechnung getragen. Der einen Verteidiger mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragende Mandant soll aus Gründen der Rechtsklarheit bereits bei Ertei-lung des Mandates Klarheit darüber haben, welche notwendigen Auslagen von ihm im Falle einer etwaigen Verurteilung zu ersetzen sein würden. Er soll aus Gründen der Rechtssicherheit darauf vertrauen können, im Falle der Verurteilung Gebühren nur nach dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht entrichten zu müssen. Eine andere Verfah-rensweise würde zur Rechtsunsicherheit beim Rechtssuchenden führen, würde - neben dem Wortlaut - dem mit der Übergangsvorschrift verfolgten Zweck gerade widersprechen und wäre daher nicht. sachgerecht, so dass vorliegend eine Gebührenberechnung nach neuem Recht auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht kommt.
4) Soweit der Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung - worauf der Antragsteller in seiner Rechtsmittelschrift zutreffend hinweist- ausgeführt hat, dass im Falle der Bestel-lung eines Pflichtverteidigers zu einem Zeitpunkt nach Inkrafttreten der Gesetzesände-rung neues Recht angewendet werden soll, wenn dieser in derselben Rechtssache zuvor als Wahlverteidiger aufgetreten ist und sein Wahlmandat niedergelegt hat (BT-Drucks.15/1971, S.203), und die Kommentarliteratur diese Gesetzesbegründung in glei-chem Sinne zitiert und übernommen hat (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 16. Auflage 2004, § 60 RVG Rdnr.32; Har-tung/Römermann, Praxiskommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 2004, § 60 RVG Rdnr.21), steht dieser gesetzgeberische Wille der hier beschriebenen Rechtsan-wendung nicht entgegen. Der soeben angeführte Wille des Gesetzgebers hat in der Ge-setzesformulierung des § 60 Abs.1 RVG - jedenfalls für den Fall der Pflichtverteidigung - keinerlei Niederschlag gefunden. Angesichts des insoweit eindeutigen Wortlautes des § 60 Abs.1 RVG ist der Fall der gerichtlichen Bestellung dem Fall der Beiordnung - insbe-sondere im Wege der Prozesskostenhilfe oder gemäß § 11 a ArbGG - gleichzuachten und ist wie in diesem Fall bei der Gebührenberechnung auf den zeitlich ersten Anknüp-fungszeitpunkt abzustellen (so für den Fall der Prozesskostenhilfe Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 16. Auflage 2004; § 60 RVG Rdnr.29ff.; für die bisherige wortgleiche Vorschrift des § 134 BRAGO Kammerge-richt Berlin, Beschl. v. 20. Februar 2003,- 5 .Ws 45/03 -). Hätte der Gesetzgeber die ge-richtliche Bestellung des Verteidigers gebührenrechtlich in den hier relevanten Abgren-zungsfällen anders beurteilen wollen, hätte dies im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck kommen müssen. Da dies jedoch nicht der Fall ist, war vorliegend auch unter Berück-sichtigung der Gesetzesbegründung keine andere Entscheidung zu rechtfertigen.
5) Der beschriebenen Rechtsanwendung steht auch nicht der Umstand entgegen, dass im Falle der gerichtlichen Bestellung zum Verteidiger das Wahlmandat niedergelegt wird. Zwar hat sich die Gebührenbemessung in diesen Fällen am Umstand der gerichtlichen Bestellung zu orientieren, jedoch bringt § 60 Abs.1 Satz 1 RVG - insbesondere unter Berücksichtigung der nachfolgenden Regelung des § 60 Abs.1 Satz 2 RVG - hinreichend klar zum Ausdruck, dass der zeitlich erste Anknüpfungstatbestand für die Bestimmung der anzuwendenden Vorschriften maßgeblich sein soll. Ist insoweit jedoch eine aus-drückliche gesetzliche Festlegung erfolgt, kommt es auf die rechtsdogmatische Ausges-taltung des Pflichtverteidigerverhältnisses und die Unterscheidung zum Wahlverteidiger-verhältnis nicht mehr entscheidend an..
Anmerkung: Die Entscheidung entspricht nicht der wohl h.M. zur Übergangsregelung im Fall der Pflichtverteidigerbeiordnung des zunächst als Wahlverteidiger tätigen Rechtsanwalts nach dem 1. 7. 2004. Zu beanstanden ist zunächst, dass für den Übergang von der BRAGO zum RVG nicht § 60 RVG, sondern § 61 RVG einschlägig ist. Damit hat die Gesetzesbegründung in der BT-Dr. 15/1971, S. 203) entgegen der Auffassung des LG Berlin doch Bedeutung. Das LG Berlin übersieht zudem, dass im Fall der Beiordnung des Wahlverteidigers zum Pflichtverteidiger gerade nicht mehr die Übernahme des Wahlmandats als Anknüpfungs-punkt für die Frage BRAGO oder RVG zur Verfügung steht. Die h.M. geht davon aus, dass mit dem Beiordnungsantrag konkludent das Wahlmandat niedergelegt wird BGH NStZ 1991, 94) und damit als Anknüpfungspunkt nur noch die Beiordnung zum Pflicht-verteidiger zur Verfügung steht. Damit richten sich die gesetzlichen Gebühren nach RVG (vgl. dazu auch Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, ABC-Teil, Übergangsvorschrif-ten, Rn. 28; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Aufl., § 60 Rn. 32; Hartmann, Kostengesetze, § 60 RVG Rn. 18; Goebel/Gottwald, RVG, § 61 Rn. 32; Bi-schoff/Jungbauer, RVG, § 61 RVG, Rn. 27, außerdem N.Schneider. in Han-sens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, Teil 19, Rn. 57; Hansens, RVGre-port 2004, 10, 13, Volpert, RVGreport 2004, 296, 298 und aus der (früheren) Rechtspre-chung und Literatur: OLG Schleswig SchlHA 1989, 80; OLG Koblenz Rpfleger 1988, 123; OLG Düsseldorf StV 1996, 165; OLG Oldenburg JurBüro 1996, 472; Enders JurBüro 1995, 2, jeweils auch m.w.N. zur a.A.).
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