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RVG Entscheidungen

Gebühren-/Kostenfragen - Kostenentscheidung

Rücknahme Revision, Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 29.05.2017 - 5 Ws 71/17161 AR 57/17

Leitsatz: Die nach der Rücknahme der Revision ergehende selbständige Kostenentscheidung ist nicht mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde anfechtbar, da auch die Anfechtung der erstrebten Hauptentscheidung durch das Revisionsgericht infolge der Ausschöpfung des Rechtsmittelzuges nicht statthaft wäre. Wird jedoch die Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme bestritten, ist in der Regel eine feststellende Klärung durch förmliche Entscheidung des Rechtsmittelgerichts angezeigt und ein hierauf gerichteter Antrag eines Verfahrensbeteiligten statthaft.


KAMMERGERICHT

Beschluss

Geschäftsnummer:
5 Ws 71/17161 AR 57/17

In der Strafsache
gegen pp.

wegen Bedrohung

hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 29. Mai 2017 beschlossen:

1. Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. September 2016 wirksam zurückgenommen ist.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Einspruch des Angeklagten gegen den Strafbefehl vom 13. Februar 2015, durch den gegen ihn wegen Bedrohung eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 Euro festgesetzt worden war, mit Urteil vom 31. März 2015 nach § 412 StPO verworfen. Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Berlin am 1. September 2016 verworfen. Gegen dieses Urteil hat der Wahlverteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt T., am 8. September 2016 Revision eingelegt. Mit Schriftsatz vom 15. November 2016 hat er das Rechtsmittel „namens und in Vollmacht des Angeklagten“ zurückgenommen. Das Landgericht hat dem Angeklagten daraufhin durch Beschluss vom 16. November 2016, der ihm und seinem Verteidiger jeweils formlos übermittelt wurde, die Kosten der Revision auferlegt.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit einem am 24. November 2016 eingegangenen Schreiben. Er beantragt die Aufhebung des vorbezeichneten Beschlusses und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trägt er − ergänzt durch weitere Schreiben vom 1. und 18. März 2017 − vor, er habe die Revision nicht zurückgenommen und werde dies auch nicht tun. Die Rücknahme durch seinen Verteidiger sei ohne sein Wissen und ohne seine Einwilligung erfolgt. Zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht habe er aus gesundheitlichen Gründen nicht erscheinen können; er sei in der Sache zu Unrecht verurteilt worden. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens verweist der Senat auf die vorbezeichneten Eingaben.

Der Verteidiger hat auf Anfrage des Gerichts mit Schriftsatz vom 14. Februar 2017 erklärt, dass der Rücknahme der Revision ein Gespräch zwischen ihm und dem Angeklagten vorausgegangen sei, in dem das Urteil des Landgerichts besprochen worden sei. Er habe darauf hingewiesen, dass der Revision keine Erfolgsaussichten beigemessen würden und sie aus Kostengründen zurückgenommen werden sollte. Daraufhin habe der Angeklagte erklärt: „Dann müssen Sie dies eben tun.“

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. September 2016 ist wirksam zurückgenommen worden (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO).

a) Der Antrag des Angeklagten auf Aufhebung des Beschlusses vom 16. November 2016 ist als Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Revisionsrücknahme zu behandeln (§ 300 StPO), da nur ein solcher statthaft und die Einlegung des zulässigen Rechtsmittels offensichtlich bezweckt ist (dazu vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 60. Aufl., § 300 Rdn. 2).

Die nach der Rücknahme der Revision ergehende selbständige Kostenentscheidung gemäß § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO ist aufgrund der Beschränkung des § 464 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 StPO nicht mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde anfechtbar, da auch die Anfechtung der erstrebten Hauptentscheidung durch das Revisionsgericht infolge der Ausschöpfung des Rechtsmittelzuges nicht statthaft wäre (vgl. OLG Hamm VRS 101, 444 − juris Rdn. 10 ff.; OLG Dresden NStZ−RR 2000, 224; OLG Jena NStZ−RR 1997, 287; KG StraFo 2008, 91; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 464 Rdn. 18). Wird jedoch − wie hier − die Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme bestritten, ist in der Regel eine feststellende Klärung durch förmliche Entscheidung des Rechtsmittelgerichts angezeigt (vgl. BGH StRR 2014, 162 − juris Rdn. 23 m.w.N.; NStZ 2001, 104 − juris Rdn. 2; Beschluss vom 20. Februar 2017 − 1 StR 552/16 − juris Rdn. 8; OLG Jena, Beschluss vom 18. September 2006 − 1 Ss 244/06 − juris Rdn. 6; OLG Köln, Beschluss vom 7. August 2001 − Ss 325/01 − juris Rdn. 6; KG, Beschluss vom 21. November 2011 − [4] 1 Ss 488/11 [288/11] −) und ein hierauf gerichteter Antrag eines Verfahrensbeteiligten statthaft.

b) Der vorliegende Antrag führt zu der deklaratorischen Feststellung des Senats, dass die vom Angeklagten eingelegte Revision durch seinen Verteidiger mit dem Schriftsatz vom 15. November 2016 wirksam zurückgenommen worden ist.

aa) Die für die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme durch den Verteidiger gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung des Angeklagten lag im Zeitpunkt der Abgabe der Rücknahmeerklärung vor.

Zwar sah die am 29. Juli 2015 erteilte schriftliche Vollmacht eine entsprechende Befugnis nicht vor. Der Angeklagte hat den Verteidiger jedoch mündlich im Rahmen eines der Rücknahmeerklärung vorausgehenden Gespräches über die (mangelnden) Erfolgsaussichten der Revision zu deren Rücknahme ermächtigt. Dies reicht aus; denn für die Ermächtigung ist eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben, so dass sie auch mündlich oder telefonisch erteilt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2017 − 1 StR 552/16 − juris Rdn. 9; NStZ 2001, 104 − juris Rdn. 4 m.w.N.; OLG Jena a.a.O. − juris Rdn. 8; KG, Beschluss vom 8. Januar 2015 − 4 Ws 128/14 − juris Rdn. 12).

Für den Nachweis der Ermächtigung − der auch noch nach Abgabe der Rücknahmeerklärung geführt werden kann − genügt die anwaltliche Versicherung des Verteidigers (vgl. BGH a.a.O. und StRR 2014, 162 − juris Rdn. 28; OLG Jena a.a.O.). Eine solche lag hier sowohl in der Erklärung des Verteidigers vom 15. November 2016, er nehme die Revision namens und in Vollmacht des Angeklagten zurück (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2017 − 1 StR 552/16 − juris Rdn. 10), als auch in dem Schriftsatz vom 14. Februar 2017. Der Senat hat keinen Zweifel an der Darstellung des Verteidigers. Dieser hat nachvollziehbar dargelegt, unter welchen Umständen ihn der Angeklagte zur Rücknahme des Rechtsmittels ermächtigt hatte.

Soweit der Angeklagte mit Schreiben vom 1. März 2017 vorgetragen hat, es handele sich um ein Missverständnis; er habe seinen Verteidiger nur gebeten, „das Urteil (Wohnungskündigung), hier die Berufung zurückzunehmen“, hat Rechtsanwalt T. hierzu mit Schriftsatz vom 27. April 2017 ergänzend mitgeteilt, dass er den Angeklagten zwar in einem Mietrechtsstreit vertreten habe, in dem dieser durch das Amtsgericht Neukölln zur Herausgabe seiner Mietwohnung in Berlin−Neukölln verurteilt worden sei. Die gegen jenes Urteil eingelegte Berufung sei jedoch bereits mit Schriftsatz vom 27. September 2016 nach einem ausführlichen Gespräch mit dem Mandanten zurückgenommen worden, da durch dessen Auszug aus der streitbefangenen Wohnung am 23. September 2016 Erledigung in der Hauptsache eingetreten sei. Diese Sachdarstellung des Verteidigers erscheint schlüssig und ist − soweit sie die Berufungsrücknahme betrifft − durch Beifügung einer Abschrift des Schriftsatzes belegt worden. Der Senat teilt die Auffassung des Verteidigers, dass in Anbetracht des zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Wochen zurückliegenden Abschlusses der Zivilsache ein Missverständnis des Angeklagten bezüglich der im November 2015 erklärten und zuvor mit Rechtsanwalt T. erörterten Rücknahme der Revision auszuschließen ist. Der Angeklagte ist den Ausführungen des Verteidigers in seiner abschließenden Stellungnahme vom 18. Mai 2017 auch nicht mehr entgegengetreten.

bb) Der Angeklagte hat die dem Verteidiger erteilte Ermächtigung nicht wirksam widerrufen. Dies wäre nur zulässig, solange die Rücknahmeerklärung nicht bei Gericht eingegangen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2017 − 1 StR 552/16 − juris Rdn. 15).

cc) Die Rücknahmeerklärung ist unwiderruflich und − von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen − unanfechtbar (vgl. OLG Jena a.a.O. − juris Rdn. 10; KG, Beschluss vom 21. November 2011 − [4] 1 Ss 488/11 [288/11] −; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 302 Rdn. 9 f. und 22 m.w.N.).

2. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist ist unzulässig. Der Wiedereinsetzung steht schon die wirksame und damit nicht widerrufbare oder anfechtbare Rücknahmeerklärung entgegen, die zum Verlust des Rechtsmittels führt. Eine Wiedereinsetzung ist rechtlich ausgeschlossen und daher unzulässig (vgl. BGH a.a.O. − juris Rdn. 20 m.w.N.).


Einsender: RiKG K. P. Hanschke, Berlin

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