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RVG Entscheidungen

Nr. 2503 VV

Beratungshilfe, Erstattung von Fotokopien

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Schwerin, Beschl. v. 16.9.2019 - 18 UR II 221/19

Eigener Leitsatz: Ein Rechtsanwalt, der seinen Mandanten berät, um die Reaktion in einem Strafverfahren zu besprechen, benötigt dazu Ablichtungen aus der Ermittlungsakte. Deshalb besteht auch in Beratungshilfesachen Anspruch auf Erstattung der von dem Rechtsanwalt gefertigten Fotokopien aus der Staatskasse.


18 UR II 221/19

Amtsgericht Schwerin
Beschluss

In der Beratungshilfesache
pp.

Antragsteller -

Verfahrensbevollmächtigte: pp.

hat das Amtsgericht Schwerin durch den Richter am 16.09.2019 beschlossen:

1. Auf die Erinnerung wird der Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Schwerin vom 25.06.2019 dahingehend abgeändert, dass die aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten auf insgesamt 119,54 Euro festgesetzt werden.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Mit Antrag vom 26.03.2018 ersuchte der Antragsteller um Bewilligung von Beratungshilfe hinsichtlich des Vorwurfes nach § 29 BtMG. Am 29.03.2018 wurde dem Antragsteller Beratungshilfe für die Angelegenheit "Strafrecht" durch das Amtsgericht Schwerin bewilligt und ein entsprechender Berechtigungsschein erteilt. Das Amtsgericht wies darauf hin, dass sich die Beratungshilfe in Straf- und Bußgeldsachen auf die Beratungstätigkeit des Anwaltes beschränkt.

Der Antragsteller hat den Erinnerungsführer mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt. Der Erinnerungsführer beantragte mit Schreiben vom 23.04.2019 die Festsetzung über eine Vergütung in Höhe von 119,54 Euro. Darin enthalten war eine Dokumentenpauschale für 193 Kopien in Höhe von 46,45 Euro. Mit Beschluss des Amtsgerichtes Schwerin vom 25.06.2019 wurde die dem Erinnerungsführer zu zahlende Vergütung auf 64,26 Euro festgesetzt. Begründet wurde dies damit, dass die Beratungshilfe in Strafsachen auf Beratung beschränkt sei, § 2 Abs. 2 Satz 2 BerHG. Die Anforderung der Strafakte sei als gerechtfertigt anzusehen. Da Verteidigung oder Vertretung über Beratungshilfe nicht abgedeckt seien, könne das Kopieren von 193 Seiten nicht nachvollzogen werden. Es hätte durchaus genügt, nach Durchsicht der Akte wesentliche Punkte zu notieren und daraufhin dem Rechtssuchenden einen Rat hinsichtlich seiner Verteidigung zu geben.

Die Bezirksrevisorin beim Landgericht Schwerin wurde vor dem Erlass des Beschlusses des Amtsgerichtes Schwerin angehört.

Mit Schreiben vom 06.05.2019 (?) legte der Erinnerungsführer Erinnerung ein. Darin machte der Erinnerungsführer geltend, dass zur ordnungsgemäßen Beratung des Rechtssuchenden die Ablichtung des Inhaltes der Akten notwendig gewesen sei. Es könne von dem Rechtsanwalt insbesondere nicht verlangt werden, sich in die versandte Akte einzuarbeiten und anschließend ein Gesprächstermin bei vorliegender Akte mit den Rechtssuchenden zu vereinbaren, um ansonsten notwendige Kopierkosten zu vermeiden. Damit würde das Gericht die Terminsplanung des Rechtsanwalts bestimmen. Zudem müsste der Rechtsanwalt sodann bei einer späteren Nachfrage die Akte erneut anfordern. Ein weiteres Argument ergebe sich daraus, dass der Rechtsanwalt eine Handakte gemäß § 50 BRAO anzulegen habe, die ein geordnetes Bild über die von ihm entfaltete Tätigkeit geben müsse.

Am 20.08.2019 erging durch das Amtsgericht Schwerin ein Nichtabhilfebeschluss.

Il.

Die gemäß § 56 RVG, § 573 ZPO zulässige Erinnerung ist begründet.

Der Anspruch auf Festsetzung der Kopierkosten folgt aus § 1 RVG in Verbindung mit Nr. 7000 VV RVG. Gemäß Nr. 7000 Nr. 1 a W RVG sind Kosten für Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten zu ersetzen, soweit deren Herstellung zur sachgerechten Bearbeitung der Rechtssache geboten war.

Vorliegend ist daher darüber zu entscheiden, ob die Anfertigung von 193 Kopien aus der Verfahrensakte geboten war. Unter Bezugnahme auf das vorstehende verbleibt bei dem Erinnerungsführer als Beratungsperson ein Ermessen hinsichtlich der Erforderlichkeit von Kopien aus einer Gerichtsakte, welche durch ihn auch auszuüben ist. Ein vollständiges Kopieren ohne vorherige Einsicht unter Gesichtspunkten der Zeitersparnis würde diesem Grundsatz nicht genügen und daher eine Erstattung ausschließen.

Dass unter dem Gesichtspunkt der Rechtswahrnehmungsgleichheit von Bemittelten und Unbemittelten auch bei der Beratungshilfe grundsätzlich Kopierkosten zu ersetzen sind, ergibt sich daraus, dass Bemittelte und Unbemittelte auch bei der Beratungshilfe grundsätzlich gleich zu behandeln sind (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 14.10.2008, 1 BvR 2310/06). Ein Rechtsanwalt, der seinen Mandanten berät, um die Reaktion in einem Strafverfahren zu besprechen, benötigt dazu Ablichtungen aus der Ermittlungsakte. Zwar bestünde auch die Möglichkeit, dass der Rechtsanwalt seinen Mandanten zu dem Zeitpunkt in sein Büro bestellt, zu dem die Akte sich bei ihm befindet. Dies würde jedoch dazu führen, dass die aktenführende Stelle durch die Setzung der Akteneinsichtsfrist über die Möglichkeit einer sachgerechten Beratung entscheiden würde. Das daraus eine Schlechterstellung des unbemittelten Rechtssuchenden entsteht, ergibt sich daraus, dass der Rechtsanwalt gegenüber dem Mandanten Ladungen nicht zwangsweise durchsetzen kann und die aktenführende Stelle in der Regel keine Kenntnis von den terminlichen Verpflichtungen des Mandanten hat, und auf die Kenntnis dieser in diesem Verfahrensabschnitt auch kein Anspruch besteht. Verdeutlicht wird dieses Dilemma an folgendem Beispiel: Würde die aktenführende Stelle dem Rechtsanwalt Akteneinsicht von drei Tagen gewähren, befände sich der Mandant jedoch im Urlaub, im Krankenhaus oder wäre er aus anderen Gründen nicht erreichbar, wäre eine spätere Beratung nur noch aufgrund von Notizen möglich (vgl. AG Halle, Beschluss vom 08.02.2010 Az.: 103 Il 3103/09).

Nach dem Vortrag des Erinnerungsführers belief sich der Umfang der Akte auf weit über 200 Seiten, sodass durch die Anfertigung von 193 Kopien keinesfalls die gesamte Akte kopiert worden ist.

Weiterhin ist nicht auszuschließen, dass auf Grund der Mandantenbesprechung, der Akteninhalt noch einmal unter einen erneuten Blickwinkel betrachtet werden muss. Ein weiterer Grund für das Erfordernis der Aktenkopie ist, dass der Rechtsanwalt gemäß § 50 Abs. 1 BRAO durch Handakten ein geordnetes Bild über die von ihm entfaltete Tätigkeit muss geben können (vgl. AG Riesa, Beschluss vom 27. Juni 2012 - 002 UR Il 00885/10).

Im Ergebnis sind dem Erinnerungsführer die Kopierkosten in Höhe von 46,45 Euro, bestehend aus 50 x 0,50 Euro sowie 143 x 0,15 Euro, und die anteilige Umsatzsteuer in Höhe von 8,83 Euro zu ersetzen.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2, Satz 3 RVG gebührenfrei. Für eine Erstattung außergerichtlicher Kosten besteht keine Rechtsgrundlage.


Einsender: RÄe VEVH - Rechtsanwälte in Partnerschaft, Lübeck

Anmerkung:


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