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RVG Entscheidungen

Nr. 4130 VV

Verfahrensgebühr, Revisionsverfahren, Auftrag

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Amberg, Beschl. v. 21.01.2020 - 11 Qs 55/19

Leitsatz: Das Entstehen der Verfahrensgebühr Nr. 4130 VV RVG setzt voraus, dass der Verteidiger einen Auftrag für das Revisionsverfahren hat.


Landgericht Amberg
11 Qs 55/19

In dem Strafverfahren
gegen pp.

Verteidiger: Rechtsanwalt Jendricke Jörg, Georgenstraße 59, 92224 Amberg, Gz.:1111.11.
wegen Beleidigung u. a.

Hier: Beschwerde des Pflichtverteidigers des Verurteilten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 04.09.2019

erlässt das Landgericht Amberg - 1. Strafkammer durch die Richterin am Landgericht als Einzelrichterin am 21. Januar 2020 folgenden

Beschluss
1. Auf die Beschwerde des Pflichtverteidigers pp. wird der Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 04.09.2019 wie folgt abgeändert:

Auf die Erinnerung des Pflichtverteidigers pp. vom 06.05.2019 wird die Kostenfestsetzung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle pp. vom 17.04.2019 dahingehend abgeändert, dass über den festgesetzten Betrag in Höhe von 4.052,24 € hinaus die dem Pflichtverteidiger pp. aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung (Gebühren und Auslagen) in Höhe eines weiteren Betrags von 709,24 € festgesetzt wird.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet verworfen.
3. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
4. Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.
Wegen des bisherigen Verfahrens im Rahmen der Kostenfestsetzung wird auf die Gründe unter 1. im Beschluss des Amtsgerichts Amberg vorn 04.09.2019 verwiesen.

Nachdem das Amtsgericht Amberg mit Beschluss vom 04.09.2019, zugestellt am 06,09.2019, die Erinnerung des Pflichtverteidigers vom 06.05.2019 zurückgewiesen hatte, legte dieser hiergegen am 20.09.2019 fristgerecht Beschwerde ein.

Das Amtsgericht Amberg half der Beschwerde nicht ab. Die Begründung der Beschwerde erfolgte am 13.11.2019.

Nach Erholung einer Stellungnahme des Bezirksrevisors, der über den festgesetzten Betrag hinaus mit einer weiteren Vergütungsfestsetzung in Höhe von 395,08 € einverstanden ist, nahm der Pflichtverteidiger mit Schriftsatz vom 15.01.2020 erneut Stellung.

Die nach §§ 56 Abs. 2 S. 1 und S. 3, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg. Dem Pflichtverteidiger steht ein weiterer Vergütungsanspruch in Höhe von 709,24 € zu, sodass die dem Pflichtverteidiger pp. aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf insgesamt 4.761,48 € festzusetzen sind. Der Beschluss des Amtsgerichts Amberg vorn 04.09.2019 ist daher entsprechend abzuändern. Im Übrigen ist die Beschwerde aber als unbegründet zu verwerfen.

1. Die Beschwerde ist zulässig, Die Beschwerdefrist von 2 Wochen gemäß § 56 Abs, 2, 3 Abs. 3 S. 3 RVG wurde eingehalten. Auch ist der Beschwerdewert von 200 € gemäß §§ 56 Abs, 2, 33 Abs. 3 5. 1 RVG erreicht.

Das Gericht entscheidet gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 8 8. 1 RVG durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter.

2. Die Beschwerde ist zum Teil begründet.

Zu Unrecht wurde im Rahmen der Erinnerung und Kostenfestsetzung ein weiterer Vergütungsanspruch in Höhe von 709,24 € nicht berücksichtigt. Zu Recht erfolgte aber im Hinblick auf das Verfahren 108 Js 11129/15 eine Absetzung der Verfahrensgebühr Nr. 4131 VV RVG nebst Post- und Telekommunikationspauschale.

Im Einzelnen ist hierzu auszuführen:

a) Vorfahrensgebühr Nr. 4131 VV RVG nebst Post- und Telekommunikationspauschale im Ver-fahren 10a Js 11129/16.

Zu Recht wurde die geltend gemachte Verfahrensgebühr Nr. 4131 VV RVG nebst Post- und Tele-kommunikationspauschale zzgl. MwSt. in Höhe von 741,37 € (603,00 € 20,00 E + 118,37 € im Rahmen der Kostenfestsetzung nicht berücksichtigt. Die hiergegen eingelegte Erinnerung wurde daher zu Recht zurückgewiesen.

Die Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren gemäß Nr. 4130 VV RVG bzw. Nr. 4131 VV RVG entsteht mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts nach seiner Beauftragung für die Revisionsinstanz (Hartung in Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, W4130, 4131 Rn. 11).

Da der Pflichtverteidiger bereits in der Berufungsinstanz als Verteidiger tätig war, gehört die Einlegung der Revision nach § 19 Abs. 1 8. 2 Nr. 10 RVG noch zum gerichtlichen Verfahren der Berufungsinstanz, Jede danach für den Mandanten erbrachte Tätigkeit führt, wenn der Verteidiger den Auftrag zur Verteidigung im Revisionsverfahren erhalten hat, zur Verfahrensgebühr Nr. 4130 VV RVG (Gerold/Schmidt/Burhoff, 24. Aufl. 2019, RVG W 4130 Rn. 7). Eine Beauftragung für die Revisionsinstanz ist daher Voraussetzung für das Entstehen der Verfahrensgebühr Nr. 4131 VV RVG). Vorliegend hat der Pflichtverteidiger die Revision vorsorglich eingelegt, da sein Mandant in der Berufungshauptverhandlung abwesend war. Der Pflichtverteidiger hat in der Folge gerade nicht den Auftrag zur Verteidigung im Revisionsverfahren erhalten, weshalb letztlich die Rücknahme der Revision erfolgte. Somit hat er auch keine Tätigkeiten in Bezug auf die Revisionsinstanz entfaltet. Das Gespräch am 10.04.2019 diente neben der Abklärung eines Wiedereinsetzungsgrundes der Abklärung, ob ein Revisionsauftrag erteilt wird, was - wie bereits ausgeführt - nicht geschehen ist.

Ein Auftrag zur Verteidigung im Revisionsverfahren ergibt sich auch nicht aus der Befugnis zur Rechtsmitteleinlegung gemäß der von Herrn pp. am 23.03.2017 unterzeichneten Vollmacht. Denn mit der Beiordnung von Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger erlosch die Vollmacht (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Auflage 2019, § 142 Rn. 7 unter Verweis auf BGH NStZ 91, 94).

Letztlich waren beratende Tätigkeiten in Bezug auf die Durchführung einer Revision auch nicht notwendig, da der Verteidiger ab 09.04.2019 Kenntnis von einem möglichen Wedereinsetzungs-grund hatte. Zu Beginn des Gesprächs mit dem Verurteilten in der JVA Amberg am 10.04.2018 hatte der Pflichtverteidiger erfahren, dass der Verurteilte sich auch zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung in Haft befunden hatte. Damit lag sicher ein Wiedereinsetzungsgrund vor. Weitere Tätigkeiten in Bezug auf ein Revisionsverfahren waren daher nicht erforderlich. Erstattungsfähig ist die Gebühr nur, wenn die erbrachte Tätigkeit notwendig war. Eine Prüfung der Notwendigkeit sieht das Gesetz bei der Vergütung des Pflichtverteidigers zwar ausdrücklich nur für dessen Auslagen und sonstige Aufwendungen vor (§ 46 RVG). Aus dem durch die Bestellung des Rechtsanwalts begründeten öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis ergibt sich aber die ihm im Interesse der Allgemeinheit obliegende Verpflichtung, keine Gebühren durch unnötiges Verteidigungshandeln auszulösen (KG Berlin, Beschluss vom 19. Mai 2011 — 1 Ws 168/10 —, juris; OLG Koblenz NStZ-RR 2014, 327).

b) Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG in den Verfahren 102 Js 5902/17 und 108 Js 8132/17

Die Verfahrensgebühr für den ersten Rechtszug vor dem Amtsgericht gemäß Nr. 4106 VV RVG wurde in den Verfahren 102 Js 5902/17 und 108 Js 8132/17 jeweils zu Unrecht abgesetzt.

Die Verfahrensgebühr entsteht gem. Vorbemerkung 4 Abs. 2 VV RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Abgegolten wird mit ihr die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts im jeweiligen Verfahrensabschnitt, soweit hierfür keine besonderen Gebühren vorgesehen sind. Durch das 2, Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23.07.2013 ist in Abs. 1 zu Nr. 4100 VV RVG ausdrücklich klargestellt, dass die Grundgebühr neben der Verfahrensgebühr entsteht. Mit der Formulierung soll verdeutlicht werden, dass die Grundgebühr grundsätzlich nicht allein anfällt, sondern regelmäßig neben einer Verfahrensgebühr. Für die Tätigkeit in einem jeden gerichtlichen Verfahren entsteht eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr. Durch sie wird bereits die Information als Bestandteil des „Betreibens des Geschäfts" entgolten (Vorbemerkung 4 Abs. 2 VV RVG). Die Grundgebühr soll den zusätzlichen Aufwand entgelten, der für die erstmalige Einarbeitung anfällt. Sie hat daher den Charakter einer Zusatzgebühr, die den Rahmen der Verfahrensgebühr erweitert (BT-Drucks. 17/11471 S. 281). Hieraus folgt, dass bereits mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts für den Mandanten in jedem (gerichtlichen) Verfahren eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr und daneben auch eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG, die den für die erstmalige Einarbeitung anfallenden zusätzlichen Aufwand honoriert, entsteht (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 10.11.2014, Az.: 1 Ws 148/14 unter Verweis auf Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG-Kommentar, Vorb. 4 VV Rn. 11 und 4100, 4101 VV Rn. 9).
Vorliegend ist die Verfahrensgebühr auch angefallen. Es wurden anwaltliche Tätigkeiten zur Betreibung des Geschäfts einschließlich der Information ausgeführt.

Die Verfahrensgebühr erfasst/honoriert nur die Tätigkeiten, für die keine besonderen Gebühren vorgesehen sind, Eine besondere Gebühr ist zunächst einmal die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, die den zusätzlichen Aufwand, der für die erstmalige Einarbeitung anfällt, erfasst/honoriert. Das ist z.B. der durch die erste, I.d.R. besonders umfangreiche Information des Rechtsanwalts verursachte Aufwand, alle weiteren Informationen honoriert die Verfahrensgebühr, und zwar auch dann, wenn das Gespräch, in dem die Informationen erteilt werden, in zeitlicher Nähe zu den die Grundgebühr auslösenden Tätigkeiten geführt wird (Gerold/Schmidt/Burhoff, 24. Aufl., 2019, RVG VV Vorbemerkung 4 Rn. 13).

Hieraus folgt zusammenfassend, dass bereits mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts für den Mandanten in jedem gerichtlichen Verfahren eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr und da-neben auch eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG, die den für die erstmalige Einarbeitung an-fallenden zusätzlichen Aufwand honoriert, entsteht. Der Pflichtverteidiger hat anwaltlich versichert, dass er im Hinblick auf das Verfahren 8 Ds 102 Ja 6172117 einen Anruf von RiLG pp. erhalten hat. Dieser teilte mit, dass unter den Aktenzeichen 8 Ds 102 Ja 5902/17 und 8 Ds 108 Js 8132/17 je eine weitere Anklage gegen Herrn pp. vorliege. Der Anklagevorwurf wurde mitgeteilt. Es wurde die weitere Verfahrensbehandlung dahingehend besprochen, dass Rechtsanwalt pp. auch in diesen beiden Verfahren als Pflichtverteidiger bestellt werde. Hierüber wurde Herr pp. mit Schreiben vom 08.09.2017 informiert. Die Beiordnung im Verfahren 102 Js 5902/17 erfolgte dann auch am 07.09.2017. Den Beschluss erhielt der Pflichtverteidiger am 12.09.2017. Es wurde dann Akteneinsicht genommen. Mit Schreiben vom 18.09.2017 wurde der Verurteilte über den Gegenstand des Verfahrens 102 Js 5902/17 und die Beweissituation aufgeklärt. Im Verfahren 108 Js 8132117 wurde Herr pp. mit anwaltlichem Schreiben vom 08.09.2017 über das Verfahren und dem weiteren Verfahrensablauf informiert. Die Beiordnung im Verfahren 108 Js 8132/17 erfolgte dann am 29.09.2017. Auch insoweit wurde Akteneinsicht genommen. Der Verteidiger hat damit in beiden Verfahren anwaltliche Tätigkeiten entfaltet, die keine erstmalige Einarbeitung darstellen. Damit ist die Verfahrensgebühr in beiden Verfahren als Ausgangsgebühr (siehe oben) auch entstanden.

Nur ergänzend ist anzumerken, dass nach § 48 Abs. 6 S. 1 RVG der Rechtsanwalt die Vergütung auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung erhält, wenn er in Angelegenheiten nach den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses im ersten Rechtszug bestellt oder beigeordnet wird.

Es besteht daher insoweit ein weiterer Anspruch in Höhe von 2 x 132 € zzgl. MwSt. =

c) Verfahrensgebühr Nr. 4125 VV RVG nebst Post- und Telekommunikationspauschale im Verfahren 108 Js 5657/17

In Übereinstimmung mit dem Bezirksrevisor führen die vorn Verteidiger nunmehr geschilderten und anwaltlich versicherten Tätigkeiten (Zustellung des Ersturteils, Weiterleitung des Ersturteils mit Hinweisen zum Verfahrensablauf, 45-minülige Besprechung mit dem Angeklagten in der JVA Amberg am 22.05.2018, Erörterung der Erfolgsaussichten und der weiteren Verteidigungsstrategie) zum Anfall der Verfahrensgebühr nach Nr. 4125 VV RVG.

Daher ist insoweit ein weiterer Betrag von 395.08 € erstattungsfähig (Verfahrensgebühr Nr. 4125 VV RVG 312,00 €, Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 € zzgl., MwSt. i.H.v. 63,08 €.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 S. 2 und S. 3 RVG.

IV.

Die weitere Beschwerde ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 6 S. 1 RVG liegen nicht vor. Das Verhältnis von Grundgebühr und Verfahrensgebühr ergibt sich ausdrücklich aus dem Gesetz und der Gesetzesbegründung.


Einsender: RA J. Jendricke, Amberg

Anmerkung:


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