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Leitsatz: 1) Im Strafverfahren erhält der Rechtsanwalt als Beistand für einen Zeugen oder Sachver-ständigen die gleichen Gebühren wie ein Verteidiger, also neben der Terminsgebühr in der Regel auch die Grund- und Verfahrensgebühr. 2) Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsanwalt in demselben Verfahrenskomplex als Vertei-diger eines als Zeugen vernommenen Beschuldigten tätig war oder ist.
w e g e n Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz hier: Kostenbeschwerde der als Zeugenbeistand beigeordneten Rechtsanwältin St.
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch am 11. April 2006 b e s c h l o s s e n:
Auf Beschwerde der Rechtsanwältin St. wird der Beschluß der 1. Strafkammer des Landgerichts Koblenz vom 20. Februar 2006 aufgehoben.
Die Gebühren und Auslagen der Beschwerdeführerin für ihre Tätigkeit als Beistand des Zeugen K. werden auf 691,36 inkl. MwSt festgesetzt.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Im Juni 2003 begann vor der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Koblenz die Haupt-verhandlung gegen 11 Personen, darunter die Angeklagten S. und K.. Das Verfahren gegen den von der Beschwerdeführerin verteidigten K. wurde nach Abtrennung durch Urteil vom 23. März 2005 rechtskräftig abgeschlossen. Am 22. Dezember 2005 wurde K., der sich mitt-lerweile in Strafhaft befand, in der gegen S. fortgeführten Hauptverhandlung in Anwesenheit der ihm als Beistand (§ 68b StPO) beigeordneten Beschwerdeführerin als Zeuge vernom-men.
Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2005 beantragte die Beschwerdeführerin die Festsetzung ihrer Gebühren und Auslagen als Beistand des Zeugen K. wie folgt:
Mit Bescheid vom 29. Dezember 2005 setzte die Rechtspflegerin des Landgerichts Koblenz die Vergütung auf 328,28 fest, wobei sie die Grund- und Verfahrensgebühr mit der Be-gründung absetzte, diese die Einarbeitung in das Verfahren abgeltenden Gebühren habe die Antragstellerin bereits als Verteidigerin erhalten.
Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Beschwerdeführerin hat der Einzelrichter der Straf-kammer mit Beschluß vom 20. Februar 2006 als unbegründet verworfen: Zwar sei Rechts-anwältin St. als Zeugenbeistand nicht in derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG tätig geworden wie zuvor als Verteidigerin. Allerdings seien die Absetzungen zu Recht er-folgt, weil sie aufgrund ihrer Tätigkeit als Verteidigerin mit dem Verfahrensstoff vertraut ge-wesen sei, somit die von Nrn. 4100, 4101 VV RVG erfaßte erstmalige Einarbeitung nicht noch einmal angefallen sein könne, und sie nicht vorgetragen habe, welche den Ansatz der Verfahrensgebühr nach Nrn. 4112, 4113 VV RVG rechtfertigende Tätigkeit sie entfaltet habe.
II.
Über die hiergegen gerichtete Beschwerde der Rechtsanwältin, der die Kammer nicht abge-holfen hat, hat nach Übertragung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Senat zu entschei-den (§§ 33 Abs. 8 Satz 2, 56 Abs. 2 RVG). Das Rechtsmittel hat Erfolg; die Vergütung ist wie beantragt festzusetzen.
1. Zutreffend ist die Kammer davon ausgegangen, daß die Tätigkeit als Zeugenbeistand nicht dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG ist wie eine vorausgegangene (oder auch zeitlich parallel laufende) Verteidigertätigkeit, so daß eine gesonderte Vergütung anfällt.
2. Nach Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG sind die Vorschriften des 4. Teils auf die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Zeugenbeistand entsprechend anzuwenden. Den Gesetzgebungsmateria-lien ist eindeutig zu entnehmen, daß der Rechtsanwalt im Strafverfahren als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen die gleichen Gebühren wie ein Verteidiger erhalten soll (BT-Drs. 15/1971, S. 219). Es verbietet sich deshalb, die Tätigkeit des Zeugenbeistands generell unter Nr. 4103 Ziff. 4 VV RVG zu subsumieren (a.A. OLG Oldenburg v. 20.12.2005 - 1 Ws 600/05 in www.burhoff.de ). Dieser Gebührentatbestand gilt für einen Rechtsanwalt, der aufgrund eines eng begrenzten Auftrags als Beistand des Beschuldigten in einer bestimmten Verfahrenssituation und gerade nicht als Verteidiger tätig wird. Soweit das OLG Oldenburg argumentiert, die gebührenrechtliche Gleichstellung von Verteidiger und Zeugenbeistand führe häufig zu einem extremen Missverhältnis von Leistung und Vergü-tung, übersieht es die gegenteilige Auffassung des Gesetzgebers: Die Gleichstellung mit dem Verteidiger ist sachgerecht, weil die Gebührenrahmen ausreichenden Spielraum bieten, dem konkreten Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts Rechnung zu tragen (BT-Drs. 15/1971, S. 219). Zu einem Mißverhältnis kann es allenfalls bei der Vergütung des beigeordneten Zeugenbeistands kommen, für den keine Rahmengebühren gelten. Wenn sich der Gesetz-geber aber dafür entscheidet, bestellten oder beigeordneten Rechtsanwälten aufwandsu-nabhängige Festbeträge zuzubilligen, ist ein in Einzelfällen möglicherweise auftretendes Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung als systembedingt hinzunehmen.
Es kann hier offenbleiben, ob ein Ansatz lediglich der Nr. 4103 Ziff. 4 VV RVG ausnahms-weise dann in Betracht kommt, wenn ein Rechtsanwalt vom Gerichtsflur weg einem Zeu-gen beigeordnet wird und sich seine gesamte Tätigkeit auf die Beistandsleistung im Gericht-saal beschränkt. Eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor.
3. Wenn aber die Vergütung des Zeugenbeistands grundsätzlich entsprechend den für den Verteidiger geltenden Regelungen festzusetzen ist, dann kann die Beschwerdeführerin so-wohl die Grundgebühr als auch die Verfahrensgebühr beanspruchen.
a) Für die Absetzung der Grundgebühr nach Nrn. 4100, 4101 VV RVG fehlt eine Rechts-grundlage. Weil die Tätigkeit als Zeugenbeistand nicht dieselbe Angelegenheit ist wie eine vorausgegangene (oder auch zeitlich parallele) Verteidigertätigkeit, tritt gerade keine Gebüh-renbegrenzung nach § 15 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 RVG ein. Diese gesetzgeberische Vorgabe darf nicht indirekt durch ungeschriebene Billigkeitserwägungen umgangen werden. Ohne ausdrückliche Anrechnungsklausel (siehe z.B. Vorbem. 3 Abs. 4 zum 3. Teil der VV RVG) ist der Rechtsanwalt in der anderen Angelegenheit so zu honorieren als wäre er erstmals für den Mandanten tätig geworden.
Genauso wie dem Verteidiger, der beispielsweise den des Prozeßbetrugs Beschuldigten schon im Zivilverfahren vertreten hatte (und deshalb auch mit der nahezu identischen Mate-rie des Strafverfahrens vertraut ist), die Grundgebühr zusteht, steht sie auch dem Zeugen-beistand zu, der in demselben Verfahrenskomplex Verteidiger des Zeugen war oder ist. Daß die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall unter diesen Umständen weniger aufwendig ist völlig entfallen wird sie nicht, weil eine neue Verfahrenssituation regelmäßig auch neue Anforderungen stellt , kann beim Wahlverteidiger oder -beistand gemäß § 14 RVG Berück-sichtigung finden. Da die Festbeträge, die der Gesetzgeber dem bestellten oder beigeordne-ten Rechtsanwalt zubilligt , aber gerade aufwandsunabhängig sind, können sie nicht mit dem Argument abgesetzt werden, die Übernahme der Beistandschaft habe keine - gebühren-rechtlich zu vergütende - nennenswerte Mühe bereitet (so aber OLG Koblenz <2. Strafse-nat> v. 05.01 2005 - 2 Ws 842/04). Es liegt im Wesen pauschaler Festbeträge, daß sie ge-messen an der konkret entfalteten Tätigkeit in dem einen Fall eine vorteilhafte, in dem ande-ren Fall dagegen eine ungünstige, eventuell noch nicht einmal kostendeckende Vergütung darstellen können.
b) Ob der Zeugenbeistand anders als der Verteidiger eine die Verfahrensgebühr (Nr. 4112 VV RVG) auslösende Tätigkeit darlegen muß (so KG v. 04.11.2005 4 Ws 61/05; a. A. wohl OLG Köln v. 06.01.2006 2 Ws 9/06; beide in www.burhoff.de ), ist zweifelhaft, kann hier aber offenbleiben. Die Beschwerdeführerin hat nämlich im Schriftsatz vom 8. März 2006 schlüssig vorgetragen, daß ihre beratende Tätigkeit für den Zeugen K. (zu Umfang und Grenzen des § 55 StPO nach rechtskräftiger Verurteilung) über das hinausging, was mit Grund- und Terminsgebühr abgegolten wird.
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