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RVG Entscheidungen

Nr. 5115 VV

zusätzliche Verfahrensgebühr, Rücknahme Zulassungsantrag

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Charlottenburg, Urt. v. 17.01.2020 - 220 C 85/19

Leitsatz: Auch die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG entsteht nur, wenn für die Anberaumung einer Hauptverhandlung im Rechtsbeschwerdeverfahren konkrete Anhaltspunkte bestanden haben.


Amtsgericht Charlottenburg
220 C 85/19

Im Namen des Volkes

Anerkenntnisteil- und Schlussurteil v. 17.01.2020

In dem Rechtsstreit
pp.

hat das Amtsgericht Charlottenburg durch den Richter am Amtsgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2019 für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 214,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.12.2019 zu zahlen.
2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen:
4. Das Urteil Ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Abfassung des Tatbestandes wird gemäß § 313a ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in der Hauptsache begründet, soweit die Beklagte die Klageforderung anerkannt hat. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

Die Verzinsung des anerkannten Betrages rechtfertigt sich ab Rechtshängigkeit des Schriftsatzes des Klägers vom 06.12.2019 mit Übergabe im Termin vom 13.12.2019.

Ein weitergehender Zahlungsanspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten aus der streitgegenständlichen Bußgeldverfahren steht dem Kläger nicht zu.

In Bezug auf die vorgerichtliche und gerichtliche Tätigkeit des jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers ist die von diesem abgerechnete Rahmengebühr unbillig hoch und rechtfertigt über den bereits von der Beklagten vorgerichtlich bezahlten Betrag keine weitere Forderung. Angemessen ist hier vorliegend lediglich eine Gebühr im unteren Bereich des Gebührenrahmens und damit höchstens so viel, wie von der Beklagten bereits bezahlt wurde:

Nach §14 RVG hat der Rechtsanwalt seine Gebühren im Einzelfall nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Umfangs und der Schwierigkeitseiner Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens-. und Vermögensverhältnisse seines Auftraggebers zu bestimmen. Dabei ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung im Verhältnis zu einem zur Zahlung verpflichteten Dritten nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Das ist hier der Fall. Die Tätigkeit des Klägervertreters rechtfertigt nicht die von diesem abgerechnete Mittelgebühr. Die Abweichung des angemessenen Betrages zu dem in Rechnung gestellten liegt bei rund 25 % und ist damit unbillig. Vorliegend führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers für diesen ein standardmäßiges Bußgeldverfahren vor dem Amtsgericht, was keinerlei Schwierigkeiten aufwies. Generell ist nach weitverbreiteter Rechtsprechung der Ansatz einer Mittelgebühr für durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeiten in Abgrenzung zu anderen Ordnungswidrigkeiten nicht gerechtfertigt. Die Mittelgebühr ist der Richtwert für die Abrechnung einer durchschnittlichen anwaltlichen Tätigkeit. Sie ist demnach angemessen für Verfahren mit durchschnittlicher Schwierigkeit und durchschnittlichem Umfang im Bereich der Ordnungswidrigkeiten. Zu beachten ist, dass die Bedeutung, Schwierigkeit und der Umfang der Angelegenheiten im Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten im Vergleich dazu regelmäßig unterdurchschnittlich ist. Dem steht auch nicht entgegen, dass es Fachanwälte für Verkehrsrecht gibt. Zum einen bilden die Verkehrsordnungswidrigkeiten nur einen Teil der fachanwaltlichen Tätigkeit. Ein weiterer, weitaus schwieriger Bereich, sind beispielsweise Verkehrsunfälle. Zum anderen treten Verkehrsordnungswidrigkeiten im Alltag sehr häufig auf und betreffen eine Vielzahl von Menschen. Es handelt sich in der Regel um standardisierte Verfahrensabläufe mit immer gleicher bzw. ähnlichem Ablaufmuster. Die rechtlichen oder tatsächlichen Probleme sind meist ähnlich gelagert und erschöpfen sich in einem bestimmten Problemkreis. Eine neuartige Problemstellung, die eine gesteigerte Eigenleistung des Rechtsanwalts erfordert, ist regelmäßig nicht gegeben, sodass die Mittelgebühr in der Regel nicht angemessen ist (vgl. Landgericht Cottbus, Beschluss vom 29.05.2007, 24 Os 77/07; Landgericht Kassel, Beschluss vom 20.05.2019, 8 Os 18/19 mit weiteren Nachweisen). Die Prüfung des hier vorliegenden Einzelfalls kommt dabei zu keinem, anderen Ergebnis. Der Umfang der rechtsanwaltlichen Tätigkeit beschränkt sich vorliegend auf das Einlegen des Einspruchs: ohne Begründung; die Einsichtnahme in die verfahrensrelevanten Unterlagen, die Wahrnehmung des Gerichtstermins und den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ohne Begründung und dessen Rücknahme. Der Klägervertreter hat keine weiteren Schriftsätze verfasst. Der Umfang der Ermittlungsakten mit 32 Seiten ist durchschnittlich. Die Kontrolle der Funktionsfähigkeit des Messgerätes einschließlich der Bedienungsanleitung und des Ausbildungsnachweises des ausführenden Polizisten ist in solchen Verfahren ein standardisiertes Vorgehen und erfordert eher geringen Aufwand. Auch wenn die einzelnen Unterlagen hierzu mehrere Seiten lang sind, deutet dies nicht auf einen gesteigerten Umfang hin. Die entscheidenden Dokumente entsprechen standardmäßiger Lektüre in solchen Bußgeld-verfahren und allein ihre Bearbeitung rechtfertigt nicht die Annahme eines auch nur durchschnittlichen Aufwandes für den Rechtsanwalt. Auch die mündliche Verhandlung war mit 45 Minuten von durchschnittlicher Länge. Die Ladung eines Zeugen steigert nicht den Umfang und die Schwierigkeit in einem solchen Verfahren. Vielmehr ist auch dies in einem üblichen Bußgeldverfahren regelmäßig der Fall. Das Verfahren wies überdies keinerlei Schwierigkeiten auf. Es gab ein Frontfoto des Klägers, auf dem er einwandfrei erkennbar war. Die Aufgabe bestand demnach in diesem Fall allein darin, die Richtigkeit der Messung anhand der Unterlagen und hinsichtlich typischer Fehlerquellen zu kontrollieren. Die Behauptung des Klägers, er sei im Pulk gefahren, wodurch Messungen besonders fehlerträchtig seien, wird durch das von ihm vorgelegte Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in seiner Bußgeldsache widerlegt Hier führt die Richterin aus, es werde durch das Messbild widerlegt, dass der Betroffene im Pulk gefahren sei. Das Messbild lag dem Rechtsanwalt schon bei Einsichtnahme in die Akte vor. Auch die Höhe des Bußgeldes. mit 100,00 € liegt im untersten Bereich des Bußgeldrahmens. Es stellt für den Kläger, der als IT-Manager tätig ist, keine empfindliche Geldbuße dar. Auch durch die Eintragung des Punktes drohen dem Kläger keine weiteren Folgen wie etwa den Entzug der Fahrerlaubnis. Das schon jetzt jeder Punkt bedeutsam sein soll, weil er "eine Stufe auf der Leiter zum Entzug der Fahrerlaubnis darstelle" und nun höhere Bußgelder im Falle weiterer Geschwindigkeitsüberschreitung verhängt würden, ist nicht überzeugend. Es ist schon nicht zu berücksichtigen, inwieweit der Kläger durch eventuell in der Zukunft begangene Rechtsverstöße dieser Art höher belastet werden wird. Er kann es immerhin selbst vermeiden, weitere Verstöße in der Zukunft zu begehen.

Nach all dem rechtfertigt sich für die vorgenannten Tätigkeiten lediglich ein Vergütungsanspruch des Prozessbevollmächtigten des Klägers in Höhe von 648,55 €, welcher gekürzt um die Selbstbeteiligung von .150,00 € den bereits vorgerichtlich bezahlten Betrag in Höhe von 498,55 € ergibt. Die geltend gemachte Differenz zu dem von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers abgerechneten Betrages in Höhe von 202,30 € ist von der Beklagten nicht zu erstatten.

Hinsichtlich der Rücknahme des Antrages auf Zulassung einer Rechtsbeschwerde steht dem Kläger gegenüber der Beklagten nur der von dieser anerkannte Betrag von 214,20 € zu.

Die von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers abgerechnete zusätzliche Gebühr gemäß Nummer 5115, 5113 VV RVG kann hier nicht abgerechnet werden, da diese nicht angefallen ist.

Eine solche Gebühr fällt nur an, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erledigt oder die Hauptverhandlung entbehrlich wird. Hier käme nur eine Hauptverhandlung in 2. Instanz infrage. Für die Anberaumung einer solchen Hauptverhandlung müssen konkrete Anhaltspunkte bestehen (vgl. für die Revision OLG Hamm, Beschluss vorn 20.06.2006, 4 Ws 144/06). Sinn und Zweck der zusätzlichen Gebühr ist es, die Mithilfe an der Verkürzung und Vereinfachung des gerichtlichen Verfahrens und die damit verbundene Entlastung des Gerichts zu belohnen (Landgericht Cottbus, Beschluss vom 29.05.2007, 24 Os 77/07). Vorliegend war die Rechtsbeschwerde schon nicht nach § 79 QWIG, zulässig, da keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, warum der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde Erfolg haben sollte. Somit war es kaum im Bereich des Möglichen, dass es überhaupt zu einer mündlichen Verhandlung in 2. Instanz gekommen wäre, insbesondere da der Antrag vor der Rücknahme noch nicht einmal begründet wurde. In einem solchen Fall, wo ein kaum erfolgsversprechender Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt und noch vor der Begründung zurückgenommen wird, hat der Rechtsanwalt nicht durch sein Verhalten dazu beigetragen, dass eine Hauptverhandlung. verhindert wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 93 ZPO.

Soweit die Beklagte hier einen Betrag von 214,20 € aus der erstmalig im Schriftsatz vom 06.12.2019 korrekt abgerechneter Rücknahme der Rechtsbeschwerde anerkannt hat, erfolgte dieses Anerkenntnis sofort und führt zur Kostentragungspflicht des Klägers. Denn die Beklagte hat durch ihr Verhalten keinen Anlass zur Klage gegeben. Die zuvor erstellte Rechnung des Rechtsanwalts des Klägers wies eine falsche Gebührenziffer auf, welche in diesem Verfahren eindeutig nicht einschlägig sein konnte. Auch der Gebührenrahmen wurde aus dieser Nummer übernommen, sodass der ausgewiesene Betrag ebenso fehlerhaft war. Die Beklagte war nicht verpflichtet, diesen Betrag auf der Grundlage der falschen Rechnung zu begleichen und konnte auch nicht wissen, welchen Betrag der Anwalt tatsächlich in Rechnung stellen wollte. Erst mit der Vorlage der korrekten Rechnung wurde dies erkennbar, woraufhin unverzüglich das Anerkenntnis erklärt wurde.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarken folgt aus §§ 708 Nr. 1, 11, 711, 713 ZPO.

Trotz der Vielzahl. von unterschiedlichen Entscheidungen über die im 'Bußgeldverfahren gerechtfertigte Vergütungshöhe. kommt die Zulassung der Berufung nicht in Betracht, da es sich hier, wie die Parteien auch übereinstimmend ausführen, um eine Einzelfallentscheidung handelt.


Einsender: ARAG

Anmerkung:


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