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RVG Entscheidungen

Gebühren-/Kostenfragen - Sonstiges

Kosten des Verfahrens, Kosten einer Telefonüberwachung, Tatbegriff

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Cottbus, Beschl. v. 08.04.2020 - 22 Qs 203/19

Leitsatz: Zu den von § 464a StPO erfassten Kosten des Verfahrens zählen grundsätzlich auch die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens bei der Staatsanwaltschaft, Polizei, Finanz- und Verwaltungsbehörden angefallenen Kosten. Dazu gehören grundsätzlich unter anderem auch Kosten, welche durch die Überwachung der Telekommunikation entstanden sind.


Landgericht Cottbus

Beschluss

In der Kostensache
hervorgegangen aus der Strafsache
gegen pp - Beschwerdeführer,

Verteidiger:

weiterer Beteiligter: der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Frankfurt (Oder)

wegen Verstoßes gegen das Anti-Doping-Gesetz

hat die 2. Strafkammer des Landgerichts Cottbus als Strafbeschwerdekammer durch die Richterin am Landgericht am 08. April 2020

1. Auf die Beschwerde vom 07. Oktober 2019 wird der Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 30. September 2019 aufgehoben und die Kostenrechnung der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) vom 27. Februar 2019, Rechnungs-Nr.: 857201979719 unter Festsetzung eines Gesamtbetrages von 970,00 € neu gefasst.

2. Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht angezeigt.

Gründe

Im Rahmen eines gegen den Beschwerdeführer und weitere Beschuldigte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geführten Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder), AZ: 220 Js 16130/17, ordnete das Amtsgericht Frankfurt (Oder) mit Beschluss vom 28. Juni 2017 und 22. September 2017 gegen den Beschwerdeführer und die weiteren Mitbeschuldigten gemäß §§ 100 a, 100 b Abs. 1 S. 1 StPO i.V.m. § 7 TKÜV die Überwachung und Aufzeichnung der gesamten Telekommunikation von Telefonanschlüssen sämtlicher Beschuldigter sowie die Mitteilung der zur Standortbestimmung erforderlichen geographischen Daten der betroffenen Funkzellen an. Zur Begründung führte das Amtsgericht unter anderem an, der Mitbeschuldigte B. des Beschwerdeführers habe nach Angaben eines Zeugen etwa ab Dezember 2015 Betäubungsmittel erworben und konsumiert. Im Zeitraum Dezember 2015 bis zum Winter 2016 habe er einmal wöchentlich, immer mittwochs, mit dem Beschwerdeführer Kokain geholt. Es sei immer eine Sammelbestellung erfolgt und der Beschuldigte G. habe mit dem Beschwerdeführer dann einen Einkauf getätigt.

Sodann erfolgte ab 30. Juni 2017 die Überwachung der Telekommunikation des Beschwerdeführers.

Mit Beschluss vom 3. November 2017, AZ: 45 Gs 1422/17, ordnete das Amtsgericht Frankfurt oder sodann die Durchsuchung der Wohn-, Geschäfts- und Nebenräume des Beschwerdeführers an. Zur Begründung führte das Amtsgericht an, dass die überwachten Gespräche des Beschwerdeführers bestätigt hätten, dass dieser Betäubungsmittel beschaffe.

Die am 12. Dezember 2017 bei dem Beschwerdeführer durchgeführte Durchsuchung führte gemäß Durchsuchungs-/Sicherstellungsprotokoll vom selben Tag zur Auffindung von insgesamt 14 Ampullen Testosteron in 3 Packungen verpackt, welche in dem Protokoll als Zufallsfund bezeichnet wurden.

Aufgrund des Testosteronfundes erließ das Amtsgericht Königs Wusterhausen am 17. Januar 2019, AZ: 2 Cs 220 Js 29156/18, auf Antrag der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) gegen den Beschwerdeführer einen Strafbefehl wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 3 i.V.m. § 6 Abs. 1, § 5 Anti-Doping-Gesetz, wobei es gegen ihn eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 € verhängte, weil der Beschwerdeführer am 12. Dezember 2017 Dopingmittel in nicht geringer Menge zum Zweck des Dopings bei Menschen im Sport besessen hatte. Im Rahmen des Strafbefehls wurden als Beweismittel die Zeugin KOKin pp., die sichergestellten Dopingmittel als Augenscheinsobjekte und als Urkunde das Sicherstellungsprotokoll vom 12. Dezember 2019 angeführt.

Am 6. Februar 2019 erwuchs der Strafbefehl in Rechtskraft.

Mit Kostenrechnung vom 27. Februar 2019, AZ: 857201979719, stellte die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) dem Verurteilten neben der Geldstrafe i.H.v. 900,01 € eine Gebühr für das Strafbefehlsverfahren i.H.v. 70,00 € gemäß Nr. 3118 KV GKG sowie die Auslagen für Telefonüberwachung/Verbindungsdaten gemäß Nr. 9005 KV GKG i.H.v. 1024,11 € in Rechnung.

Gegen diese Kostenrechnung legte der Beschwerdeführer am 6. März 2019 Erinnerung ein.

Das Amtsgericht Königs Wusterhausen wies die Erinnerung mit Beschluss vom 20. September 2019 zurück, wobei es zur Begründung anführte, dass das Hauptverfahren mit dem Az. 220 Js 16130/19 insgesamt neun Beschuldigte betroffen habe, unter welchen sich auch der inzwischen rechtskräftig verurteilten Beschwerdeführer befunden habe. Sein Verfahren sei erst am 25. November 2018 abgetrennt worden. Zu den Kosten des Verfahrens nach § 464a StPO würden auch die Kosten des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft, Polizei und Verwaltungsbehörden gehören. Die dabei entstandenen Beträge seien in jedem Fall gegenüber dem Kostenschuldner zu veranschlagen, sodass die durchgeführte Telefonüberwachung auf alle neun Beschuldigte umzulegen gewesen sei.

Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 7. Dezember 2019 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat er angeführt, dass vorliegend nicht nach § 464a StPO, sondern nach § 465 Abs. 2 StPO zu verfahren sei, in demzufolge wegen Unbilligkeit die Kosten ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegt werden könnten. Es sei nämlich zu beachten, dass es sich nicht um die gleiche prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO gehandelt habe. Er sei nicht aufgrund einer Tat, die im Hinblick auf die Telekommunikationsüberwachung festgestellt worden sei, verurteilt worden, sondern vielmehr aufgrund von Zufallserkenntnissen im Zusammenhang mit der durchgeführten Durchsuchung.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landgericht Cottbus zur Beschwerdeentscheidung vorgelegt.

Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Frankfurt (Oder) der hatte die Gelegenheit zur Stellungnahme und hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Die Beschwerde vom 7. Dezember 2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 20. September 2019 ist gemäß § 66 Abs. 2 S. 1 GKG statthaft und zulässig.

Die Beschwerde ist darüber hinaus auch begründet. Entgegen der von dem Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung, ist der Beschwerdeführer nicht verpflichtet, die Kosten der Überwachung seines Telefonanschlusses zu tragen, welche in dem gegen ihn und weitere Beschuldigte wegen des Verdachts des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge geführten Ermittlungsverfahren entstanden sind.

Zwar ist dem Amtsgericht und dem Bezirksrevisor zuzugeben, dass zu den von § 464a StPO erfassten Kosten des Verfahrens, welche dem Beschwerdeführer vorliegend in Strafbefehl vom 17. Januar 2019 unter Bezugnahme auf § 465 StPO auferlegt worden sind, grundsätzlich auch die im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens bei der Staatsanwaltschaft, Polizei, Finanz-
und Verwaltungsbehörden angefallenen Kosten zu zählen sind. Dazu gehören unter anderem auch Kosten, welche durch die Überwachung der Telekommunikation entstanden sind. Zudem werden von dieser Vorschrift, worauf Amtsgericht und Bezirksrevisor ebenfalls zutreffend verwiesen haben, auch solche Auslagen erfasst, welche im Rahmen von Ermittlungen in eine sich letztlich nicht bestätigende Verdachtsrichtung entstanden sind.

Allerdings ergibt sich aus § 465 StPO, dass der Verurteilte eines Strafverfahrens die Verfahrenskosten nur insoweit zu tragen hat, als sie wegen der Tat, aufgrund derer er verurteilt worden ist, entstanden sind. Dabei entspricht der Tatbegriff des § 465 StPO demjenigen des § 264 StPO (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 465 Rn. 3). Dies hat zur Folge, dass der Verurteilte nur dann zur Kostentragung verpflichtet ist, wenn das Delikt, welches Gegenstand des Ermittlungsverfahrens war und dasjenige, hinsichtlich dessen er letztlich verurteilt worden ist, auf ein und demselben Geschehensablauf bzw. einem einheitlichen geschichtlichen Vorgang beruhten (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 264 Rn. 1). Mithin ist der Beschwerdeführer vorliegend nur dann verpflichtet, der Überwachung seiner Telekommunikation zu tragen, wenn die gegen ihn geführten Ermittlungen wegen des erlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie die mit Strafbefehl vom 17. Januar 2019 erfolgte Verurteilung wegen des Verstoßes gegen das AntiDoping-Gesetz auf ein und demselben Lebenssachverhalt beruhten. Weder aus Inhalt der Strafakte noch der Kostenrechnung der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) ergibt sich jedoch, dass dies vorliegend der Fall war.

So wurde der Beschwerdeführer durch den hier gegenständlichen Strafbefehl des Amtsgerichts Königs Wusterhausen nicht wegen des ihm im Beschluss zur Anordnung Überwachung der Telekommunikation vorgeworfenen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Zeitraum vom Dezember 2015 bis Winter 2016, sondern wegen eines am 12. Dezember 2017 erfolgten Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 3 i.V.m. § 6 Abs. 1, § 5 Anti-Doping-Gesetz verurteilt. Damit besteht zwischen der dem Beschwerdeführer bei Anordnung der Telekommunikation vorgeworfenen Straftat und der letztlich zu seiner Verurteilung führenden Tat schon kein zeitlicher Zusammenhang, was bereits gegen das Vorliegen einer einheitlichen Tat im strafprozessualen Sinn spricht. Darüber hinaus spricht gegen die Annahme, die dem Beschwerdeführer im Ermittlungsverfahren und im Strafbefehl vorgeworfenen Straftatbestände beruhten auf einem einheitlichen Lebenssachverhalt die Tatsache, dass die bei der Überwachung der Telekommunikation gewonnenen Erkenntnisse auch nicht als Beweismittel bei der Verurteilung des Beschwerdeführers durch den Strafbefehl herangezogen wurden. Dies beruht auf dem letztlich auch hier maßgeblichen Umstand, dass der dem Beschwerdeführer im Strafbefehl vorgeworfene Verstoß gegen das Anti-Doping-Gesetz in keinem Zusammenhang mit der Überwachung seiner Telekommunikation steht, er auch nicht durch diese Maßnahme aufgedeckt wurde. Vielmehr beruht, wie sich auch aus den im Strafbefehl aufgeführten Beweismitteln ergibt, das Ermittlungsverfahren und die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen dieses Deliktes allein auf den bei der Durchsuchung seiner Wohnung zufällig aufgefundenen Medikamenten. Weder war die Überwachung seiner Telekommunikation wegen des Verdachtes eines Verstoßes gegen das Anti-Doping-Gesetz angeordnet worden noch trat ein Verstoß gegen dieses Gesetz bei der Telekommunikationsüberwachung selbst zutage.

Auch aus der Kostenberechnung selbst lässt sich kein Zusammenhang zwischen der für die Grundlage der Anordnung der Telekommunikationsüberwachung im Ermittlungsverfahren bildenden Straftat und der letztlich zur Verurteilung des Beschwerdeführers führenden Straftat entnehmen, obwohl sowohl die Höhe als auch die Zusammensetzung der dem Beschwerdeführer auferlegten Kosten transparent zu erläutern gewesen wäre. So gelten insbesondere, wenn es - wie hier - dem Kostenschuldner ansonsten nicht einmal ansatzweise möglich wäre, die mit seiner Zahlungspflicht verknüpften Einzelheiten in allen Teilen nachzuprüfen, nach allgemeiner Ansicht besondere Konkretisierungspflichten. Danach sind alle in Ansatz gebrachten Kosten, welche in einem unter § 464a StPO fallenden Zusammenhang mit dem Strafverfahren des Betroffenen stehen, transparent darzulegen (vgl. OLG München, Beschluss vom 17. Oktober 2013, Az: 4 Ws 135/13; Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 100a Rn. 249 m.w.N.).

Die Kostenrechnung lautet daher unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen wie folgt:

Geldstrafe 30 Tagessätze zu je 30,00 € 900,00 €
Gebühr für das Strafbefehlsverfahren gern. 70,00 € Nr. 3118 KV GKG
Gesamtsumme 970,00 €

Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens war gemäß § 66 Abs. 8 GKG nicht veranlasst.


Einsender: RA V. England, Königs Wusterhausen

Anmerkung:


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