Gericht / Entscheidungsdatum: VG Berlin, Beschl. v. 29.06.2021 80 KE 1/21 OL
Leitsatz: Die Grundgebühr gemäß Nr. 6200 VV RVG bezieht sich auf das gesamte Disziplinarverfahren. Die Gebühr kann dagegen nicht - auch nicht gesondert oder zusätzlich - im Rahmen des besonderen gerichtlichen Antragsverfahrens nach § 63 BDG verlangt werden.
In pp.
Der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. Februar 2021 wird geändert. Die dem Erinnerungsgegner zu erstattenden Aufwendungen werden auf 463,42 Euro festgesetzt.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt der Erinnerungsgegner.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 406,- Euro festgesetzt.
Gründe:
Der Erinnerungsführer wendet sich gegen den Inhalt eines Kostenfestsetzungsbeschlusses zugunsten des bevollmächtigten Rechtsanwalts des Erinnerungsgegners in einem disziplinargerichtlichen Suspendierungsverfahren (Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung).
Der Erinnerungsgegner hatte im Verfahren VG 8
durch seinen Prozessbevollmächtigten einen Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung und der Einbehaltung von Bezügen gemäß § 63 BDG (i.V.m. § 41 DiszG) gestellt. Nachdem der Erinnerungsführer die angefochtene Verfügung aufgehoben hat, erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Der Berichterstatter legte daraufhin die Kosten des Verfahrens durch Beschluss vom 21. Dezember 2020 dem Erinnerungsführer auf.
Auf Antrag des Erinnerungsgegners setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die vom Erinnerungsführer zu erstattenden Kosten für das Verfahren VG 8
auf 869,42 Euro fest, wobei auch die vom Erinnerungsgegner angesetzte Grundgebühr in Disziplinarverfahren nach Nr. 6200 VV RVG in Höhe von 350,- Euro nebst 16% Mehrwertsteuer berücksichtigt wurde.
Die fristgemäß eingelegte Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Kostenansatz, §§ 165, 151 VwGO) gegen die Berücksichtigung der Grundgebühr, über die im Rahmen seiner Annexzuständigkeit der Berichterstatter entscheidet, ist begründet.
Das dem Kostenfestsetzungsantrag zu Grunde liegende disziplinargerichtliche Antragsverfahren gemäß § 63 BDG - VG 8
-, um das es hier ausschließlich geht, ist wie das Verfahren gemäß § 62 BDG (Antrag auf Fristsetzung) ein im Rahmen des Disziplinarverfahrens besonderes gerichtliches Verfahren (vgl. die amtliche Überschrift zu Kapitel 2, Abschnitt 2 des BDG - i.V.m. § 41 DiszG -). Es ist daher kostenmäßig richtig, dass hierfür eine gesonderte Verfahrensgebühr gemäß Nr. 6203 VV RVG für das gerichtliche Verfahren anfällt (vgl. zur Parallelkonstellation bei § 62 BDG: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Januar 2021 - OVG 6 K 68/20, juris Rn. 10 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 11. November 2009 - 2 AV 4/09 - juris Rn. 3). Die Grundgebühr gemäß Nr. 6200 VV RVG bezieht sich dagegen auf das Disziplinarverfahren als Ganzes; gemäß der Vorbemerkung 6.2 (1) VV RVG soll durch die jeweiligen Gebühren die gesamte Tätigkeit im Verfahren abgegolten werden. Eine Abrechnung der nur einmalig entstehenden Grundgebühr im gesonderten Antragsverfahren gemäß § 63 BDG kommt deshalb nicht in Betracht. Ihre Verteilung hat vielmehr der abschließenden Kostenentscheidung im Disziplinarverfahren selbst zu folgen (entweder im Rahmen der behördlichen Abschlussentscheidung oder durch das Gericht bei Erhebung einer Disziplinarklage oder Anfechtungsklage gegen die behördliche Abschlussverfügung). Ähnliches gilt im Übrigen für die Verfahrensgebühr im behördlichen Verfahren nach Nr. 6202 VV RVG. Auch mit dieser Gebühr wird die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts im behördlichen Disziplinarverfahren abgegolten. Die Regelungen sollten an die entsprechende Gebührenstruktur in Strafsachen angepasst werden (BTDrs. 15/1971 Bl. 231). Gemäß Nr. 6202 Anmerkung (1) VV RVG kann lediglich für ein - in Berlin nicht vorgesehenes - Widerspruchsverfahren eine zusätzliche gesonderte Verfahrensgebühr erhoben werden; für die Wahrnehmung von Terminen im behördlichen Disziplinarverfahren ist eine gesonderte Terminsgebühr vorgesehen (Nr. 6201 VV RVG). Für Tätigkeiten des Rechtsanwalts im Zusammenhang mit einer vorläufigen Dienstenthebung oder teilweisen Einbehaltung von Dienstbezügen (§ 38 BDG bzw. § 38 DiszG) ist eine solche zusätzliche - behördliche - Verfahrensgebühr nach Nr. 6202 VV RVG dagegen nicht vorgesehen. Die Stellung bzw. Vorbereitung eines Antrags nach §§ 62, 63 BDG gehört daher noch zum Abgeltungsbereich der einheitlichen Verfahrensgebühr Nr. 6202 VV (Volpert in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Nr. 6202 VV Rn. 20 und Nr. 6203 VV Rn. 8). Aus dieser Systematik folgt, dass der Rechtsanwalt auch die Grundgebühr nach Nr. 6200 VV RVG nur einmalig für das gesamte Disziplinarverfahren verlangen kann; sie kann dagegen nicht - auch nicht gesondert oder zusätzlich - im Rahmen des besonderen gerichtlichen Antragsverfahrens nach § 63 BDG geltend gemacht werden.
Im Ergebnis steht dem Erinnerungsgegner daher für die Tätigkeit seines Verfahrensbevollmächtigten im hier allein maßgeblichen Antragsverfahren nach § 63 BDG die geltend gemachte Grundgebühr nach § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 6200 VV RVG nicht zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 DiszG i.V.m. § 77 Abs. 1 BDG, § 154 Abs. 1 VwGO.
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