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RVG Entscheidungen

§ 51

Auslieferungsverfahren, Wahlanwaltshöchstgebühr

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamburg, Beschl. v. 09.08.2022 - 5 s AR 13/22

Eigener Leitsatz: Zur Zuerkennung einer Pauschgebühr in Höhe der Wahlanwaltshöchstgebühr im Auslieferungsverfahren.


HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT
5. Strafsenat

Beschluss

5 S AR 13/22

In der Auslieferungssache
gegen pp.
hier betreffend den Antrag der Bevollmächtigten des Verfolgten, Rechtsanwältin pp. auf Bewilligung einer Pauschgebühr,

hat der 5. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg am 9. August 2022 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht pp. als Einzelrichter beschlossen:

Rechtsanwältin pp. wird für ihre Tätigkeit als beigeordnete Bevollmächtigte des Verfolgten pp. anstelle der gesetzlichen Regelgebühren eine Pauschgebühr von 1.449,- € bewilligt.. Der weitergehende Antrag wird abgelehnt.

Gründe:

Gegen den lettischen Verfolgten bestand seit dem 9. September 2019 ein Europäischer Haftbefehl der lettischen Behörden zur Strafverfolgung. Nachdem der Verfolgte am 13. November 2020 in Hamburg vorläufig festgenommen wurde und ihm die Antragstellerin am 14. November 2020 als Rechtsbeistand bestellt wurde, ordnete der 1. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg mit Beschluss vom 17. November 2020 die förmliche Auslieferungshaft an. Der Verfolgte war mit einer vereinfachten Auslieferung nicht einverstanden. Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2020 die Auslieferung an die Republik Lettland zur Strafverfolgung wegen drohender menschenrechtswidriger Unterbringung im lettischen Strafvollzug für unzulässig zu erklären. Zur Begründung zitierte sie umfangreich aus der internationalen Rechtsprechung und aus Kommissionsberichten. Vor dem Hintergrund des Vortrags der Antragstellerin veranlasste das Oberlandesgericht die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg sich um eine Zusicherung der lettischen Behörden wegen bestimmter Haftbedingungen zu bemühen. Nach Erhalt einer Auskunft der lettischen Behörden erklärte das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 8. Januar 2021 die. Auslieferung erstmals für zulässig. Mit Schriftsatz vom 14. Januar 2021 erhob die Antragstellerin gegen diese Entscheidung eine Anhörungsrüge und trug unter Hinweis auf entsprechende Nachweise vor, dass die Auskunft der lettischen Behörden unzureichend sei. Mit Beschluss vom 20. Januar 2021 wies das Oberlandesgericht die Anhörungsrüge zurück.

Mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Februar 2021 wurde auf Antrag der Antragstellerin einstweilen die Auslieferung des Verfolgten untersagt, weil die Auskunft der lettischen Behörden als unzureichend erachtet wurde. Dies veranlasste das Oberlandesgericht sich am 12. Mai 2021 um eine ausdrückliche Zusicherung der Einhaltung bestimmter Haftbedingungen bei den lettischen Behörden zu bemühen.

Mit Beschluss vom 22. Juni 2021 erklärte das Oberlandesgericht nach Erhalt einer ergänzenden Auskunft die Auslieferung nach Lettland erneut für zulässig. Hiergegen erhob die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 25. Juni 2021 erneut eine ausführlich begründete Anhörungsrüge. Dies veranlasste das Oberlandesgericht durch Beschluss vom 5. Juli 2021 dem Verfolgten wegen Verletzung rechtlichen Gehörs Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und die Auslieferung bis zu einer erneuten Entscheidung des Oberlandesgerichts aufzuschieben. Mit. Beschluss vom 12. Juli 2021 erklärte das Oberlandesgericht dann die Auslieferung erneut für zulässig, die am 19. Juli 2021 umgesetzt wurde.

Die gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren betragen gemäß VV 6101 a.F. für das erste Auslieferungsverfahren 316,- €, die Höchstwahlverteidigergebühren 690,- €. Für das Auslieferungsverfahren nach Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betragen die Pflichtverteidigergebühren gemäß VV 6101 n.F. 348,- €, die Höchstwahlverteidigergebühren 759,- €.

Die Antragstellerin hält die Pflichtverteidigergebühren für unangemessen und beantragt für ihre Tätigkeit das Dreifache der Pflichtverteidigergebühren im ersten Verfahren und das Vierfache der Pflichtverteidigergebühren im zweiten Verfahren, mithin insgesamt 2.340,- € als Pauschgebühr.

Der Vorsitzende des 1. Strafsenats des Oberlandesgerichts hat in seiner Stellungnahme zu diesem Antrag ausgeführt, dass die mehrfach unzureichenden Auskünfte und Zusicherungen der lettischen Behörden zu einem "erforderlichen Mehraufwand" geführt hätten.

Die Kostenprüfungsbeamtin hat angeregt, den Pauschantrag abzulehnen.

II.

Der Antrag hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt in Strafsachen auf Antrag eine Pauschgebühr für das gesamte Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte zu bewilligen, wenn die gesetzlichen Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar sind. Damit soll der Ausnahmecharakter bei der Bewilligung einer Pauschgebühr zum Ausdruck gebracht werden. Die Vorschrift soll verhindern, dass der Verteidiger im Verhältnis zu seiner Vergütung unzumutbar belastet wird. Die sonst maßgebliche Gebühr muss unzumutbar sein, also augenfällig unzureichend und unbillig_ Diese Situation tritt keineswegs schon bei jeder Strafsache ein, deren Umfang oder Schwierigkeit das Nor-male übersteigt. Das gilt seit der Einführung des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG mit seiner Fülle von Spezialgebühren bei einem größeren Aufwand des Anwalts an Zeit und Mühe erst recht. Die Pauschgebühr soll dem Verteidiger auch keinen zusätzlichen Gewinn bringen, sondern — nur — eine unzumutbare Benachteiligung verhindern.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NStZ-RR 2007, 359 f.), der der Senat folgt, ist die Bestellung zum Pflichtverteidiger eine besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken. Sinn der Pflichtverteidigung ist es nicht, dem Anwalt zu seinem eigenen Nutzen und Vorteil eine zusätzliche Gelegenheit beruflicher Betätigung zu verschaffen. Ihr Zweck besteht vielmehr ausschließlich darin, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass der Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird. Angesichts der umfassenden Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers für die Wahrnehmung dieser im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe hat der Gesetzgeber die Pflichtverteidigung nicht als eine vergütungsfrei zu erbringende Ehrenpflicht angesehen, sondern den Pflichtverteidiger honoriert. Dass sein Vergütungsanspruch unter den als angemessen geltenden Rahmengebühren des Wahlverteidigers liegt, ist durch einen vorn Gesetzgeber im Sinne des Gemeinwohls vorgenommenen Interessenausgleich, der auch das Interesse an einer Einschränkung des Kostenrisikos berücksichtigt, gerechtfertigt, sofern die Grenze der Zumutbarkeit für den Pflichtverteidiger gewahrt ist. In Strafsachen, die die Arbeitskraft des Pflichtverteidigers für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch nehmen, gewinnt die Höhe des Entgelts für den Pflichtverteidiger allerdings existenzielle Bedeutung. Für solche besonderen Fallkonstellationen gebietet das Grundrecht des Pflichtverteidigers auf freie Berufsausübung eine Regelung, die sicherstellt, dass ihm die Verteidigung kein unzumutbares Opfer abverlangt.

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die durch § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG in den Blick genommene besondere Fallkonstellation dem Grunde nach verwirklicht. Die Sache war besonders schwierig. Die Antragstellerin hat das Verfahren nicht lediglich begleitet, sondern durch eigene aufwändige Recherchen den Fortgang des Verfahrens in einer Weise gefördert, die durch die Pflichtverteidigergebühren nur unzureichend abgebildet wird. Bereits der Vorsitzende des 1. Strafsenats hat darauf hingewiesen, dass die Schwierigkeit des Verfahrens durch die unzureichenden Auskünfte der lettischen Behörden geprägt war. Angesichts der aufgeführten Umstände hält der Senat jeweils die Gewährung einer Pauschvergütung in Höhe der Höchstwahlverteidigergebühr für angemessen.

Eine weitergehende Erhöhung der Pflichtverteidigervergütung hält der Senat dagegen für nicht geboten. Insofern hat bereits die Kostenprüfungsbeamtin zutreffend darauf hingewiesen, dass die besondere Konstellation dieses Verfahrens den Gebührentatbestand zweimal ausgelöst hat. Dabei kommt es für die Angemessenheit der Vergütung nicht darauf an, wer die zweifache Befassung mit diesem Verfahren zu verantworten hatte. Entscheidend ist insofern, dass die Antragstellerin bei der zweiten Befassung mit dieser Materie auf Erkenntnisse zurückgreifen und nutzbar machen konnte, die sie bereits bei der ersten Befassung mit diesem konkreten Einzelfall erlangt hatte. Dieser Synergieeffekt liegt auf der Hand und kann auch nicht durch den Hinweis auf den Seitenumfang von Erwiderungen relativiert werden.


Einsender: RAin A.-S. Schmidt, Hamburg

Anmerkung:


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