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RVG Entscheidungen

§ 48

Pflichtverteidiger, Umbeiordnung, Mehrkosten, Verzicht

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Braunschweig, Beschl. v. 22.12.2022 - 4 Qs 371/22

Eigener Leitsatz:

Der Wechsel des Pflichtverteidigers ist seit Inkrafttreten des Gesetzes vom 10.12.2018 (BGBl. I S. 2128) gesetzlich in § 143 a StPO geregelt. Der einverständliche Pflichtverteidigerwechsels wurde durch das genannte Gesetz zwar nicht explizit geregelt, soll aber nach den von der Rechtsprechung entwickelten Maßgaben weiterhin möglich sein. Danach ist dem Wunsch des Beschuldigten auf Wechsel des Pflichtverteidigers nachzukommen, wenn der bisherige Pflichtverteidiger damit einverstanden ist und durch die Bestellung des neuen Verteidigers weder eine Verfahrensverzögerung noch Mehrkosten für die Staatskasse verursacht werden. Dazu ist der neue Pflichtverteidiger anzuhören.


4 Qs 371/22

LG Braunschweig

Beschluss

4 Qs 371/22

In der Strafsache
gegen pp.

Verteidiger:

Rechtsanwalt Clemens Anger, Georgsplatz 9, 30159 Hannover

wegen Beihilfe zum Verbrechen nach § 29a BtMG

hat die 4. große Strafkammer des Landgerichts Braunschweig durch die unterzeichnenden Richter am 22.12.2022 beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 07.11.2022 (Az. 3 Gs 2559/22) insoweit aufgehoben, als dass das Amtsgericht bestimmt hat, dass durch den Pflichtverteidigerwechsel ein Anspruch auf bereits entstandene Verteidigerkosten nicht besteht.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit notwendigen Auslagen des Beschuldigten fallen der Landeskasse zur Last.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig führt gegen Herrn pp. (im Folgenden: der Beschuldigte) ein Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

Mit Verfügung vom 19.08.2022 übersandte die Staatsanwaltschaft Braunschweig die Akte an das Amtsgericht Braunschweig mit dem Antrag, dem Beschuldigten einen Pflichtverteidiger beizuordnen.

Mit Schreiben vom 31.08.2022 legitimierte sich Rechtsanwalt pp. für den Beschuldigten und beantragte seine Beiordnung als Pflichtverteidiger.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 01.09.2022 (Az. 3 Gs 1974/22) wurde Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger beigeordnet.

Mit Schriftsatz vom 01.11.2022 teilte Rechtsanwalt pp. dem Amtsgericht Braunschweig mit, dass seinerseits eine Interessenkollision bestehe. Er beantragte daher, ihn zu entpflichten und Rechtsanwalt pp. (im Folgenden: der Beschwerdeführer) als Pflichtverteidiger beizuordnen. Der Beschuldigte sei mit der Umbeiordnung einverstanden.

Seitens der Staatsanwaltschaft Braunschweig wurde mit Verfügung vom 04.11.2022 mitgeteilt, dass keine Bedenken gegen die Beiordnung von Rechtsanwalt pp. bestehen würden.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 07.11.2022 (Az. 3 Gs 2559/22) wurde der Beschluss „vom 01.09.2022 dahingehend geändert, dass dem Beschuldigten unter gleichzeitiger Entpflichtung von Rechtsanwalt pp. Rechtsanwalt pp., Hannover als notwendiger Verteidiger beigeordnet wird mit der Maßgabe, dass der Landeskasse durch die Umbeiordnung keine Mehrkosten entstehen".

Mit Schriftsatz vom 08.11.2022 legte der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Braunschweig vom 07.11.2022 ausschließlich bezüglich der Mehrkostenentscheidung ein. Er begründete seine Beschwerde damit, dass es nicht hinnehmbar sei, dass er auf die entstehenden Mehrkosten verzichten solle, zumal der Umstand der Interessenkollision von keiner Seite zu verantworten sei. Zudem habe er auch keinen Mehrkostenverzicht erklärt und sei diesbezüglich nicht angehört worden. Im Übrigen wird auf den Schriftsatz Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 12.12.2022 half das Amtsgericht Braunschweig der Beschwerde nicht ab.

Die sofortige Beschwerde hat Erfolg.

Sie ist gemäß § 143 a Abs.4 StPO statthaft und wurde innerhalb der Frist des § 311 Abs. 2 StPO eingelegt.

Der Beschwerdeführer ist auch beschwerdeberechtigt, da er durch die Maßnahme in seinen Rechten verletzt ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Auflage 2022, § 304 Rn 6 f.).

Die sofortige Beschwerde ist ferner auch begründet.

Die angegriffene gerichtliche Bestimmung, dass für den Beschwerdeführer ein Anspruch auf die bereits entstandenen Verteidigerkosten nicht besteht, findet keine Stütze im Gesetz und ist daher aufzuheben.

Der Wechsel des Pflichtverteidigers ist nunmehr seit Inkrafttreten des Gesetzes vom 10.12.20218 (BGBl. I S. 2128) gesetzlich in § 143 a StPO geregelt. Der hiesige Fall des einverständlichen Pflichtverteidigerwechsels wurde durch das genannte Gesetz zwar nicht explizit geregelt, soll aber nach den von der Rechtsprechung entwickelten Maßgaben weiterhin möglich sein (vgl. BT-Drucks. 19/13829, 47).

Nach diesen Maßgaben ist dem Wunsch des Beschuldigten auf Wechsel des Pflichtverteidigers nachzukommen, wenn der bisherige Pflichtverteidiger damit einverstanden ist und durch die Bestellung des neuen Verteidigers weder eine Verfahrensverzögerung noch Mehrkosten für die Staatskasse verursacht werden (vgl. OLG Stuttgart BeckRS 2017, 130397; KG NStZ 2017,305; 1993, 201; OLG Saarbrücken BeckRS 2016, 18697, OLG Karlsruhe NStZ 2016, 305; OLG Braunschweig BeckRs 2015,15078). Der Begriff der Mehrkosten erfasst nur solche Gebührenpositionen, die durch eine neue Bestellung doppelt entstehen würden (Grund- und Verfahrensgebühr), nicht dagegen Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder (vgl. OLG Celle, BeckRS 2019, 7185). Die erforderliche Kostenneutralität ist gewahrt, wenn der neue Verteidiger auf die bisher für die Pflichtverteidigung angefallenen Gebühren (Grund- und Verfahrensgebühr) verzichtet (vgl. Krawczyk, BeckOK StPO, 37. Edition, Sand 01.07.2020, § 143a StPO, Rn. 33 ff. m.w.N.).

Diesen Voraussetzungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht, sodass sie keinen Bestand haben kann. Einen Verzicht auf die bereits Rechtsanwalt pp. entstandenen Gebühren hat der Beschwerdeführer nicht erklärt. Er wurde diesbezüglich auch nicht durch das Amtsgericht angehört.

Eine gerichtliche Kompetenz, die Gebühren des neuen Pflichtverteidigers nach Pflichtverteidigerwechsel zu begrenzen, besteht nicht. Vorliegend wäre das Amtsgericht gehalten gewesen, vor der Entscheidung über den Pflichtverteidigerwechsel eine Stellungnahme vom Beschwerdeführer im Hinblick auf die Kostenneutralität des Pflichtverteidigerwechsels einzuholen. Dass dies nicht erfolgt ist, kann nicht zu Lasten des Beschwerdeführers gehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs.1 StPO analog.


Einsender: RA C. Anger, Hannover

Anmerkung:


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