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RVG Entscheidungen

§ 1

Button, Bußgeld abwehren, Rechtsanwaltsvertrag, AGB

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Düsseldorf, Urt. v. 10.01.2023 – 37 C 124/22

Leitsatz des Gerichts:

Ein Rechtsanwalt, der seine Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr anbietet, genügt den Anforderungen gemäß § 312j Abs. Absatz 3 Satz 2 BGB nicht, wenn er den Button (Schaltfläche), über den der Vertragsschluss erfolgt, mit den Worten Bußgeld jetzt abwehren“ beschriftet. Der Ausschluss gemäß § 312j Abs. 5 Satz1 BGB greift nicht, wenn vorhergehende Kommunikation - wie die Übersendung von Unterlagen der Rechtsschutzversicherung - in einem automatisierten Verfahren ohne individuellen auf den jeweiligen Mandanten zugeschnittenen Inhalt erfolgt ist.


In pp.

Die Klage wird unter Aufhebung des Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts B vom 20.06.2022, Geschäftszeichen ... abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der klagenden Partei auferlegt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung einer Selbstbeteiligung wegen Rechtsanwaltshonorar in Anspruch. Der Kläger tritt im Internet unter der Bezeichnung „[…]“ auf.

Der Kläger behauptet, der Beklagte habe am 11.08.2019 einen Rechtsanwaltsvertrag hinsichtlich der Überprüfung des Vorgehens gegen einen Bußgeldbescheid geschlossen, indem er in einer Email des Klägers auf die Schaltfläche „Bußgeld jetzt abwehren“ geklickt habe. Für den Inhalt der Email und der Schaltfläche wird auf Anlage K7 Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,
den Vollstreckungsbescheid aufrechtzuerhalten.

Der anwaltlich nicht vertretene Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Gegen den Beklagten ist am 20.06.2022 Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts B über 150 Euro Rechtsanwaltshonorar ergangen, am 22.06.2022 ist der verspätete Widerspruch gegen den Mahnbescheid beim Mahngericht eingegangen.

Entscheidungsgründe:

A.

Der Einspruch ist zulässig, insbesondere ist der als Einspruch zu behandelnde verspätete Widerspruch gegen den Vollstreckungsbescheid innerhalb der 2-wöchigen Frist des § 700 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 339 Abs. 1 ZPO eingegangen.

B.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Amtsgericht Düsseldorf das zuständige Gericht. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus §§ 12, 13 ZPO, da der Beklagte seinen Wohnsitz in Düsseldorf hat. Die sachliche Zuständigkeit folgt aus § 23 Nr. 1 GVG, da der Streitwert 5.000,00 € nicht übersteigt.

II.

Die Klage ist unbegründet.

1. Der Kläger hat im Rahmen des Klageantrags keinen Anspruch gegen den Beklagten gem. §§ 611 Abs. 1, 675 BGB auf Zahlung von 150,00 €.

a) Zwischen den Parteien ist gem. § 312j Abs. 4 BGB kein Anwaltsvertrag zustande gekommen, indem der Beklagte am 11.08.2019 um 01:17 Uhr die Schaltfläche „Bußgeld jetzt abwehren!“ aus der E-Mail des Klägers vom 10.08.2019 um 12:51 (Anlage K7) anklickte, da der Kläger mit der Beschriftung der Schaltfläche gegen seine Pflichten aus § 312j Abs. 3 BGB verstoßen hat.

Ein Anwaltsvertrag ist als Geschäftsbesorgungsvertrag zu typisieren (vgl. Beck’sches Rechtsanwals-Handbuch/Hamm § 53 Rn. 1; Grüneberg/Sprau BGB § 675 Rn. 23; Jauering/Mansel BGB § 675 Rn. 12), bei dem sich der Anwalt zur Erbringung von anwaltstypischen Leistungen verpflichtet. Der Anwaltsvertrag kommt nach den allgemeinen Vorschriften, Antrag und Annahme, §§ 145 ff. BGB, zustande. Im elektronischen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmer und Verbrauchern kommt ein Vertrag zudem nur zustande, sofern die Verbraucherschutzvorschriften der §§ 312i f. BGB eingehalten werden.

Gem. § 312j Abs. 3 BGB hat der Unternehmer bei einem Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr die Bestellsituation so zu gestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Erfolgt die Bestellung über eine Schaltfläche, ist die Pflicht des Unternehmers nur erfüllt, wenn diese Schaltfläche gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist.

Dieser Pflicht ist der Kläger nicht nachgekommen.

aa) § 312j BGB ist auf Anwaltsverträge anwendbar (BGH NJW 2021, 304). Der in Rede stehende Anwaltsvertrag ist ein Verbrauchervertrag.

Die Norm setzt einen Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr voraus (vgl. MüKoBGB/Wendehorst BGB § 312j Rn. 21; BeckOK BGB/Maume BGB § 312j Rn. 10). Verbraucherverträge sind Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, § 310 Abs. 3 BGB (BeckOK BGB/Martens BGB § 312 Rn. 8).

Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt, § 14 Abs. 1 BGB. Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, § 13 BGB.

Der Kläger handelte als Unternehmer, da er im Rahmen der Bestellsituation als Rechtsanwalt auftrat (Jauernig/Mansel BGB § 14 Rn. 2). Der Beklagte ist Verbraucher, da er bei der Einholung von Informationen über die Bußgeldhöhe nicht gewerblich tätig war und dies auch nicht zu seiner selbstständigen beruflichen Tätigkeit gehörte.

bb) Der in Rede stehende Vertragsabschluss fand im elektronischen Geschäftsverkehr statt.

Ein Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr liegt vor, wenn sich der Unternehmer zum Zwecke des Abschlusses eines Vertrags über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen der Telemedien bedient, § 312i Abs. 1 BGB. Der Begriff Telemedien ist weit auszulegen und umfasst alle Informations- und Kommunikationsdienste, die nicht Telekommunikation im engeren Sinne oder Rundfunk sind, also jeden Online-Auftritt. Telemedien sind damit typischerweise Onlinedienste, wie Internetsuchmaschinen, Websites privater und gewerblicher Anbieter, Online-Shops oder Online-Auktionshäuser (vgl. BeckOK BGB/Maume BGB § 312i Rn. 13).

Das ist hier der Fall. Der Informations- und Kommunikationsaustausch zwischen den Parteien erfolgte über die gewerbliche Website „www....“ des Klägers.

cc) Bei dem Bestellbutton mit der Beschriftung „Bußgeld jetzt abwehren!“ handelt es sich um eine Schaltfläche im Sinne des § 312j Abs. 3 S. 2 BGB.

Der Begriff der Schaltfläche ist weit zu verstehen. Eine Schaltfläche ist jedes grafische Bedienelement, das dem Anwender erlaubt, eine Aktion in Gang zu setzen oder dem System eine Rückmeldung zu geben (MüKoBGB/Wendehorst BGB § 312j Rn.25). Das ist hier der Fall. Der Button in der E-Mail des Klägers vom 10.08.2019 um 12:51 ist durch Absätze von dem vor- und nachstehenden Text abgesetzt. Grafisch ist der Text mit grüner Farbe in einem rechteckigen Kästchen hinterlegt (vgl. Anlage K7). Mit dem Betätigen der Schaltfläche konnte der Beklagte dem Softwaresystem des Klägers eine Rückmeldung geben (vgl. Anlage K8).

dd) Der Kläger hat die Schaltfläche „Bußgeld jetzt abwehren!“ in seiner E-Mail vom 10.08.2019 um 12:51 Uhr nicht mit Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“, oder mit einer entsprechenden gleichwertigen Formulierung beschriftet.

Die Formulierung stellt keine entsprechende eindeutige Formulierung im Sinne des § 312j Abs. 3 S. 2 BGB dar. Eine gleichwertige Formulierung liegt vor, wenn die vertragliche Bindung und die Zahlungspflicht vermittelt werden (vgl. MüKoBGB/Wendehorst BGB § 312j Rn. 27). Die Schaltfläche ist so zu beschriften, dass der Verbraucher im Zeitpunkt der Abgabe seiner vertragsrelevanten Erklärung eindeutig und unmissverständlich darüber informiert wird, dass seine Bestellung eine finanzielle Verpflichtung auslöst. Sie muss in ihrer Eindeutigkeit der Aussage der Formulierung „zahlungspflichtig bestellen“ mindestens ebenbürtig sein (vgl. Begr. RegE, BT-Drs. 17/7745, 11 f.; BeckOK BGB/Maume BGB § 312j Rn. 26). Die Beschriftung der Schaltfläche mit der Formulierung „Bußgeld jetzt abwehren!“ (vgl. Anlage K7) erfüllt diese Anforderungen nicht. Mit dieser Bezeichnung wird dem Verbraucher nicht mitgeteilt, dass durch das Betätigen der Schaltfläche direkt eine vertragliche Bindung zwischen ihm und dem Rechtsanwalt eingegangen wird. Zudem wird mit dieser Formulierung die Zahlungsverpflichtung des Verbrauchers nicht vermittelt, da hierauf nicht hingewiesen wird und insbesondere keine Angaben zu den Kosten mitgeteilt werden, denn das Abwehren des Bußgelds ist jedermann möglich und gerade keine Formulierung, die spezifisch auf eine anwaltliche Dienstleistung schließen lässt. Es kommt nicht darauf an, ob im Zusammenhang mit dem Text oberhalb des Buttons eindeutig erkennbar ist, dass ein zahlungspflichtiger Rechtsanwaltsvertrag geschlossen wird, denn für die Bestimmung des Sinngehalts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 Verbraucherrechte-RL ausschließlich auf den Inhalt der Schaltfläche abzustellen (EuGH NJW 2022, 1439 Rn. 28). Wegen der Beschränkung auf den Inhalt der Schaltfläche ist es auch unerheblich, dass der Beklagte zuvor Unterlagen der Rechtsschutzversicherung übersandt haben soll, zumal sich hieraus gerade kein Hinweis ergibt, dass der Beklagte teilweise auch selbst zahlungspflichtig ist.

Es handelt sich auch nicht um einen Vertragsschluss durch individuelle Kommunikation gemäß § 312j Abs. 5 S.1 BGB, da seitens des Klägers ein automatisiertes Verfahren mit Textbausteinen angewandt wird. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Beklagte zuvor Unterlagen seiner Rechtsschutzversicherung übersandte, denn es ist nicht ersichtlich, dass hierüber auf den Einzelfall bezogen kommuniziert worden ist.

b) Der Anwaltsvertrag ist auch nicht konkludent durch schlüssiges Verhalten des Beklagten zustande gekommen.

Hier kann offenbleiben, ob ein Verstoß gegen die Pflichten aus § 312j Abs. 3 BGB zur Unwirksamkeit des Vertrages oder nur zu dessen schwebender Unwirksamkeit führt (vgl. MüKoBGB/Wendehorst BGB § 312j Rn. 32 f.), da der Beklagte jedenfalls kein Verhalten zu erkennen gegeben hat, das auf die Genehmigung bzw. den Abschluss des Anwaltsvertrags schließen lässt. Insbesondere hat der Beklagte gegenüber dem Kläger kein ausdrückliches Erfüllungsverlangen geäußert, wodurch eine schwebende Unwirksamkeit des Vertrags ex tunc hätte beseitigt werden können (vgl. MüKoBGB/Wendehorst BGB § 312j Rn. 33).

Da der Beklagte nach dem Betätigen der Schaltfläche keine weiteren Äußerungen oder Handlungen gegenüber dem Kläger vornahm, ist auch kein neues (konkludentes) Angebot des Beklagten auf Neuabschluss des Vertrags zu erkennen, das aufgrund einer individuellen Kommunikation nicht unter § 312j Abs. 3, 4 BGB fallen würde (vgl. MüKoBGB/Wendehorst BGB § 312j Rn. 33).

2. Der Kläger hat im Rahmen des Klageantrags keinen Anspruch gegen den Beklagten gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB auf Zahlung von Wertersatz in Höhe von 150,00 €.

Nach dem Schutzgedanken des § 312j Abs. 3 BGB sind Bereicherungsansprüche grundsätzlich ausgeschlossen, da eine Rückabwicklung über das Bereicherungsrecht ansonsten zu einer Umgehung der Schutznorm führen würde, die mit dem Grundgedanken des Verbraucherschutzrechts nicht vereinbar ist (vgl. MüKoBGB/Wendehorst BGB § 312j Rn. 37). Anhaltspunkte, nach denen ein Festhalten an diesem Grundsatz mit Treu und Glauben ausnahmsweise nicht vereinbar wäre, liegen hier nicht vor.

3. Dem Kläger steht im Rahmen des Klageantrags kein Anspruch auf die geltend gemachten Verzugssowie Prozesszinsen gem. §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB zu, da die geltend gemachte Hauptforderung gegen den Beklagten nicht besteht.

C.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Berufung gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, da die Anwendung auf Rechtsanwälte ebenso höchstrichterlich geklärt ist wie das Abstellen allein auf den Inhalt der Schaltfläche.

D.

Streitwert: 150,00 €


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