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RVG Entscheidungen

§ 48

Konsensuale Umbeiordnung, Zulässigkeit, Pflichtverteidigerwechsel

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Mühlhausen, Beschl. v. 19.06.2023 - 3 Qs 92/23

Eigener Leitsatz:

Ein sog. konsensualer Verteidigerwechsel sollte durch die Vorschrift des § 143a StPO nicht ausgeschlossen werden und ist demgemäß zulässig.


Landgericht Mühlhausen

3 Qs 92/23

In dem Strafverfahren
gegen pp.

Verteidiger

wegen versuchten gemeinschaftlichen Diebstahls

hat die 3. Strafkammer des Landgerichts Mühlhausen durch

Vorsitzende Richterin am Landgericht
Richterin am Landgericht und
Richter

am 19.06.2023

beschlossen:

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Nordhausen vorn 05.05.2023 wird aufgehoben. Die Bestellung von Rechtsanwalt B. als Pflichtverteidiger wird aufgehoben und dem Beschwerdeführer stattdessen Rechtsanwalt F.ls Pflichtverteidiger beigeordnet.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers trägt die Staatskasse.

Gründe:

Gegen den Beschwerdeführer ist vor dem Amtsgericht Nordhausen ein Strafverfahren wegen versuchten gemeinschaftlichen Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung anhängig.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Nordhausen vom 10.06.2022 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 140 Abs. 2 StPO i.V.m. § 142 StPO Rechtsanwalt B. als Pflichtverteidiger bestellt.

Mit Schriftsatz vom 02.03.2023 teilte Rechtsanwalt B. gegenüber dem Amtsgericht Nord-hausen mit, das Rechtsanwalt pp. ihn gebeten habe, einer Umbeiordnung als Pflichtverteidiger zuzustimmen. Zugleich erklärte Rechtsanwalt B. in dem genannten Schriftsatz sein Einverständnis mit einer solchen Umbeiordnung.

Ausweislich des Schriftsatzes vom 29.03.2023 zeigte Rechtsanwalt F. gegenüber dem Amtsgericht Nordhausen an, dass er unter Bezugnahme auf eine entsprechende Vollmacht nunmehr den Beschwerdeführer vertrete. Darüber hinaus beantragte er, dem Beschwerdeführer unter Entpflichtung des Rechtsanwalts B. für das weitere Verfahren als Pflichtverteidiger beigeordnet zu werden. Zugleich erklärte er, für den Fall einer Beiordnung sein Wahlmandat niederzulegen. Ebenso habe sich Rechtsanwalt B. mit einer Umbeiordnung einverstanden erklärt. Schließlich erklärte Rechtsanwalt F., dass für die Landeskasse durch die Umbeiordnung keine Mehrkosten entstehen würden.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Mit Beschluss vom 05.05.2023 lehnte das Amtsgericht Nordhausen die Beiordnung von Rechtsanwalt F. als Pflichtverteidiger ab. Zur Begründung führt das Amtsgericht aus, dass die Umbeiordnung gern. § 143 a Abs. 1 S. 2 StPO unzulässig sei. Ferner lägen die Voraussetzungen von § 143 a Abs. 2 StPO nicht vor.

Mit Schreiben vom 11.05.2023 hat der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nordhausen vom 05.05.2023 sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der vom Beschwerdeführer begehrten Umbeiordnung war stattzugeben.

Zu Recht nimmt das Amtsgericht an, dass die Voraussetzungen von § 143 a Abs. 2 StPO nicht vorliegen. Richtigerweise führt das Amtsgericht des Weiteren die Vorschrift des § 143 a Abs. 1 S. 2 StPO an, wonach die Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht aufzuheben ist, wenn zu besorgen ist, dass der neue Verteidiger das Mandat demnächst niederlegen und seine Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragen wird. Eine derartige Übernahme der Pflichtverteidigung ist damit von Gesetzes wegen ausdrücklich unerwünscht. Mithin soll ein Herausdrängen des bisherigen Pflichtverteidigers über den Weg einer Wahlverteidigung verhindert werden. Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich in vorliegender Sache um einen sogenannten konsensualen Verteidigerwechsel, der gerade nicht durch die Vorschrift des § 143 a StPO ausgeschlossen werden sollte (so etwa BGH, Beschluss vom 13.07.2021 - 2 StR 81/21).

Die Voraussetzungen für einen konsensualen Verteidigerwechsel sind vorliegend auch gegeben. Ein solcher Wechsel setzt voraus, dass der Beschuldigte und beide Verteidiger mit einem Verteidigerwechsel einverstanden sind, dadurch keine Verfahrensverzögerung eintritt und auch keine Mehrkosten für die Staatskasse entstehen (vgl. etwa BGH a.a.O.). Der Beschwerdeführer und beide Verteidiger haben jeweils ein entsprechendes Einverständnis erteilt, wie es den Schriftsätzen vom 02.03.2023, 29.03.2023 sowie 20.04.2023 zu entnehmen ist. Anhaltspunkte für eine Verfahrensverzögerung durch den Verteidigerwechsel liegen ebenso nicht vor. Insbesondere ist noch kein Termin zur Hauptverhandlung anberaumt. Schließlich hat Rechtsanwalt F. in seinem Schriftsatz vom 29.03.2023 erklärt, dass durch die Umbeiordnung für die Landeskasse keine Mehrkosten entstehen würden. Letzteres hat er darüber hinaus mit Schriftsatz vorn 09.05.2023 abermals bekräftigt und erklärt, dass er die in der Person des bisherigen Pflichtverteidigers entstandenen Gebühren nicht erneut geltend machen werde. Im Übrigen ist zu bemerken, dass aus dem Schriftsatz des bisherigen Pflichtverteidigers, Rechtsanwalt B., vom 02.03.2023 hervorgeht, dass dieser Kenntnis davon hatte, dass es sich um einen Pflichtverteidigerwechsel handeln soll. Mithin hat Rechtsanwalt B. sein Einverständnis auch nicht lediglich vor dem Hintergrund der Vorschrift des § 143 a Abs. 1 S. 1 StPO erklärt, weil er davon ausging, es habe sich ein Wahlverteidiger gemeldet und demgemäß sei er von Gesetzes wegen ohnehin zu entpflichten (vgl. zu dieser abweichenden Situation KG, Beschluss vom 28.10.2021 - 3 Ws 276/21).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO analog.


Einsender: RA J.-R. Funck, Braunschweig,

Anmerkung:


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