Gericht / Entscheidungsdatum: LG Meiningen, Beschl. v. 21.03.2023 - 6 Qs 42/23
Eigener Leitsatz:
Zur (verneinten) Auslagenerstattung bei Einstellung des Bußgeldverfahrens wegen Verjährung.
Landgericht Meiningen
6 Qs 42/23
Beschluss
In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat die 6. Strafkammer des Landgerichts Meiningen durch pp. am 21.03.2023 beschlossen:
1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers pp. gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 02.12.2022 wird als unbegründet verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Durch die Stadt pp. wurde am 03.11.2021 unter dem Aktenzeichen pp. ein Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen erlassen, da dieser am 17.09.2021 um 09:08 Uhr als Führer des Kfz, amtl. Kennzeichen pp. in pp., auf der pp. in Fahrtrichtung pp. zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 31 km/h überschritten hatte.
Der Beschwerdeführer wurde am 05.10.2022 zu dem Vorwurf angehört. Daraufhin zeigte sich mit Schriftsatz vom 12.10.2022 Rechtsanwalt pp. als Verteidiger an. Eine schriftliche Vollmacht wurde nicht vorgelegt.
Die Zustellung des oben näher bezeichneten Bußgeldbescheides erfolgte via Postzustellungsurkunde am 08.11.2021 an den Verteidiger. Eine Zustellung an den Betroffenen unterblieb.
Am 10.03.2022 wurde das Verfahren dem Amtsgericht pp. vorgelegt.
Mit dem vorliegend angegriffenen Beschluss vom 02.12.2022 stellte das Amtsgericht schließlich das Verfahren wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung gemäß § 206a StPO, § 31 OWiG ein. Die Kosten des Verfahrens wurden der Staatskasse auferlegt. Die Auslagenentscheidung regelt weiterhin, dass der Betroffene seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen hat.
Auf die weitere Begründung des Beschlusses des Amtsgerichts wird Bezug genommen.
Gegen die Auslagenentscheidung im Beschluss des Amtsgerichts vom 02.12.2022, welcher formlos herausgegeben wurde, wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner sofortigen Beschwerde vom 14.12.2022. Gegen den Betroffenen habe keine Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht stattgefunden. Das Verfahrenshindernis der Verjährung sei vorliegend bereits eingetreten bevor eine Hauptverhandlung stattgefunden habe, sodass eine für die Anwendung des § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO erforderliche Schuldspruchreife sowohl nach der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts als auch des Bundesgerichtshof nicht vorliege.
Mit Verfügung vom 10.02.2023 legte das Amtsgericht pp. die Beschwerde über die Staatsanwaltschaft pp. der Kammer zur Entscheidung vor.
II.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist wegen der grundsätzlichen Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde in der Hauptsache als isolierte Kostenbeschwerde statthaft und im Übrigen auch zulässig, §§ 46 OWiG i.V.m. §§ 464 Abs. 3, 206a Abs. 2, 311, 306 Abs. 1 StPO.
Da der Beschluss des Amtsgerichts pp. datierend auf den 02.12.2022 formlos an den Beschwerdeführer herausgegeben wurde und nicht zugestellt wurde (vgl. BI. 56 RS d.A.), wurde keine Frist in Gang gesetzt. Der Beschwerdeführer war mithin bezüglich der Einlegung der Beschwerde nicht an die Frist gemäß § 311 Abs. 2 StPO gebunden.
In der Sache hat die Beschwerde indes keinen Erfolg.
Die Auferlegung der Auslagen des Betroffenen zum Nachteil der Staatskasse kommt angesichts der kumulativ zu berücksichtigenden Regelung in § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO vorliegend nicht in Betracht.
Demnach kann von der Kostenauferlegung abgesehen werden, wenn das Gericht das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses — hier der Verfolgungsverjährung — einstellt, es aber bei Hinwegdenken dieses Hindernisses mit Sicherheit zu einer Verurteilung gekommen wäre (BGH NStZ 1995, S. 406). Dabei handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die eng auszulegen ist, d.h. es muss ein „erheblicher Tatverdacht" bestehen (OLG Jene-Beschl. v. 11.01.2007 —1 Ws 195/05 = NStZ-RR 2007, S. 254).
Die Prognose ist auf Grund der bisherigen Beweisaufnahme, notfalls auch nach Aktenlage, zu treffen. Sie führt vorliegend zu der Annahme, dass der Betroffene entsprechend dem angefochtenen Bußgeldbescheid verurteilt worden wäre. Sämtliche Unterlagen, die nach der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung eine tragfähige Verurteilung ermöglichen - Annahme der Fahrereigenschaft (Lichtbildvergleich), den Tatvorwurf stützendes Messprotokoll sowie Geschwindigkeitsmessblatt nebst Schulungsnachweis und Eichurkunde - liegen vor (vgl. Bl. 1 - 21 d.A.). Entsprechend erheblich ist der Tatverdacht. Er ist bislang auch nicht erschüttert.
Da das Ermessen (kann davon absehen") erst dann und nur dann eröffnet ist, wenn das Gericht (bereits) davon überzeugt ist, dass der Betroffene ohne das Verfahrenshindernis verurteilt werden würde, müssen zu dem Verfahrenshindernis als alleinigem der Verurteilung entgegenstehendem Umstand weitere besondere Umstände hinzutreten, die es billig erscheinen lassen, dem Betroffenen die Auslagenerstattung zu versagen (BVerfG [3. Kammer des 2. Senats] Beschl. v. 26.05.2017 — 2 BvR 1821/16 = NJW 2017, S. 2459).
Ermessensfehler des Amtsgerichts bei der zu überprüfenden Entscheidung konnten nicht festgestellt werden. Das Amtsgericht hat ermessensfehlerfrei festgestellt, dass der Betroffene seine Auslagen selbst zu tragen hat. An dieser Einschätzung vermögen auch die Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner Beschwerdeschrift nichts zu ändern. Insbesondere soweit er darauf abstellt, dass noch keine Hauptverhandlung stattgefunden habe. Wie bereits oben erörtert ist (notfalls) eine Prognose betreffend der Schuldspruchreife auch anhand der Aktenlage vorzunehmen.
Die Auslagenentscheidung im Beschluss des Amtsgerichts pp. vom 02.12.2022 ist daher nicht zu beanstanden und es verbleibt somit dabei, dass der Betroffene seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen hat.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 467 StPO analog.
Einsender: RA M. Kirchner, Bad Salzungen
Anmerkung:
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