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RVG Entscheidungen

Nr. 4142 VV

Einziehung, Gegenstandswert, Wert der Anklage, Antrag der Staatsanwaltschaft, Einziehungsbetrag des Urteils, Kostenentscheidung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Braunschweig, Beschl. v. 14.12.2023 - 8 Qs 326/23

Eigener Leitsatz:

1. Entscheidend für die Berechnung des Gegenstandswertes für die Nr. 4142 VV RVG ist nicht, in welcher Höhe die Staatsanwaltschaft am Ende der Beweisaufnahme eine Einziehung für gerechtfertigt hält, sondern vielmehr, welcher Betrag durch die Anklageerhebung zum Verfahrensgegenstand gemacht wird.
2. Zur Anwendung des § 465 Abs. 2 StPO in erstinstanzlichen Verfahren.


Landgericht Braunschweig

Beschluss

8 Qs 326/23

In der Strafsache
gegen pp.

Verteidiger:
wegen gewerbsmäßigem Handeltreibens mit neuen psychoaktiven Stoffen

hat die 8. große Strafkammer des Landgerichts Braunschweig am 14.12.2023 durch die unterzeichnenden Richter beschlossen:

Die Kostenentscheidung des Amtsgerichts Goslar in dessen Urteil vom 01.06.2023 (Az. 25 Ls 802 Js 43211/19) wird aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen; Jedoch hat die Staatskasse 9/10 der im erstinstanzlichen Verfahren hinsichtlich der Einziehung entstandenen Auslagen und insoweit auch der notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.
Im Übrigen wird die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 08.06.2023 als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelte gegen pp. (im Folgenden: der Beschwerdeführer) wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit neuen psychoaktiven Stoffen.

Nach Abschluss der Ermittlungen erhob die Staatsanwaltschaft Braunschweig bei dem Amtsgericht Goslar mit Anklageschrift vom 22.11.2022 Anklage wegen des gewerbsmäßigen Handeltreibens mit neuen psychoaktiven Stoffen. Dem Beschwerdeführer ist vorgeworfen worden, in der Zeit von September 2018 bis April 2019 für den gesondert Verfolgten pp. als sog. „Umverpacker" für synthetische Cannabinoide tätig gewesen zu sein. Der Beschwerdeführer soll anfangs täglich 10 bis 20 und später -bis zu 80 Bestellungen bearbeitet und an nicht mehr zu ermittelnde Abnehmer versandt haben. Der Beschwerdeführer habe für seine Tätigkeit 0,25 € pro verpackter Bestellung sowie anfangs eine Grundentlohnung in Höhe von 1.000 € monatlich, später 1.900 € monatlich erhalten. Insgesamt habe der Beschwerdeführer 39.282,00 € erhalten. In der Anklageschrift vom 22.11.2022 wird Folgendes hinsichtlich einer etwaigen Einziehung ausgeführt:

„1"...1 wobei die sichergestellten, die Tat betreffenden Gegenstände und das sichergestellte Dealgeld der Einziehung unterliegen und hinsichtlich des durch die Tat erlangten Geldbetrages die Einziehung des Wertersatzes anzuordnen ist.

In der Anklageschrift sind 350 Gegenstände als Überführungs- und Einziehungsgegenstände bezeichnet, darunter insbesondere 3.950 € Bargeld, 2 Laptops, 3 Tablets der Firmen Samsung und Apple sowie 5 iPhones. Wegen der Einzelheiten wird auf die Seiten 5 — 19 der Anklageschrift (BI. 117 — 131 d.A.) Bezug genommen.

Der Beschwerdeführer erklärte in der mündlichen Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Goslar am 01.06.2023 auf die Rückgabe der vorgenannten Gegenstände zu verzichten. Der Verzicht wurde durch den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft angenommen. Ferner beantragte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in der mündlichen Verhandlung vom 01.06.2023 lediglich noch die Einziehung eines Betrages in Höhe von 3.950 €.

Mit Urteil vom 01.06.2023 verurteilte das Amtsgericht Goslar den Beschwerdeführer wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens und des tateinheitlich begangenen versuchten gewerbsmäßigen Handeltreibens mit neuen psychoaktiven Stoffen zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Daneben ordnete das Gericht die Einziehung der Bargeldsumme in Höhe von 3.950 € an und legte dem Beschwerdeführer sowohl die Kosten des Verfahrens als auch dessen notwendige Auslagen vollständig auf.

Mit Schriftsatz vom 08.06.2023, eingegangen beim Amtsgericht Goslar am selben Tag, legte der Verteidiger des Beschwerdeführers sowohl Berufung gegen das Urteil vom 01.06.2023 sowie sofortige Beschwerde gegen die dortige Kostenentscheidung ein.

In der schriftlichen Urteilsbegründung führt das Amtsgericht Goslar aus, dass die Kostenentscheidung auf § 465 Abs. 1 StPO beruhe und sich daraus ergebe, dass der Beschwerdeführer vollumfänglich verurteilt worden sei. Zur Einziehung führt das Gericht aus, dass die Einziehung des Bargeldes gern. § 73 Abs. 1 StGB anzuordnen gewesen sei, es komme nicht darauf an, ob der Beschwerdeführer die Summe als Entlohnung, zum Ausgleich oder aber als Vorschuss für Spesen erhalten habe.

Mit Schriftsatz vorn 08.11.2023 hat der Verteidiger des Beschwerdeführers die Berufung gegenüber der inzwischen zuständigen 15. kleinen Strafkammer des Landgerichts Braunschweig zurückgenommen und gleichzeitig erklärt, an der sofortigen Beschwerde hinsichtlich der Kostenentscheidung festhalten zu wollen.

Zur Begründung der Beschwerde führte der Verteidiger des Beschwerdeführers aus, dass die auf die Nichteinziehung entfallenen Kosten sowie die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers im Hinblick auf die erreichte Nichteinziehung gemäß § 465 Abs. 2 StPO analog der Staatskasse aufzuerlegen seien. Die Verteidigergebühr sei anhand eines Verfahrenswertes von 39.282 € zu bestimmen, da mit der Anklageschrift die Einziehung dieses Betrages beantragt worden sei. Im Hinblick auf den deutlich geringeren Einziehungsbetrag sei die Verteidigung in diesem Punkt zu 9/10 erfolgreich gewesen.

Die 15. Strafkammer legte das Verfahren mit Verfügung vom 14.11.2023 nach der Berufungsrücknahme der Eingangsgeschäftsstelle zur Neuerfassung der Beschwerdesache vor, da die 15. Kammer für isolierte Beschwerden nicht zuständig ist. Sodann wurde das Verfahren der 8. Strafkammer als zuständige Beschwerdekammer zugewiesen.

Mit Verfügung vom 06.12.2023 hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig beantragt, die Beschwerde aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen. Der Beschwerdeführer habe die Kosten vollumfänglich zu tragen, da er vollumfänglich verurteilt worden sei. Ein konkret bezifferter Einziehungsantrag sei bis zum Hauptverhandlungstermin nicht gestellt worden, dort sei die Einziehung dann auch lediglich in der Höhe beantragt worden, in der diese auch angeordnet worden ist. § 465 Abs. 2 StPO sei nicht einschlägig, da keinerlei nicht notwendige Untersuchungshandlungen vorgenommen worden seien.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen die Kostenentscheidung des Amtsgerichts Goslar vom 01.06.2023 ist gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO zulässig, insbesondere fristgerecht binnen Wochenfrist eingelegt worden.

Die Beschwerde ist überdies auch teilweise begründet, da bei der Kostentscheidung entgegen § 465 Abs. 2 StPO analog der Teilerfolg der Verteidigung hinsichtlich des ursprünglich verfahrensgegenständlichen Einziehungsbetrages durch das Amtsgericht nicht berücksichtigt worden ist.

1.) Die Beschwerde ist begründet, soweit der Beschwerdeführer eine Quotelung der Auslagen betreffend die Einziehung begehrt.

Zunächst ist festzustellen, dass entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft ein potentieller Einziehungsbetrag von 39.282,00 € verfahrensgegenständlich geworden ist. Entscheidend für die Berechnung ist nicht, in welcher Höhe die Staatsanwaltschaft am Ende der Beweisaufnahme eine Einziehung für gerechtfertigt hält, sondern vielmehr, welcher Betrag durch die Anklageerhebung zum Verfahrensgegenstand gemacht wird. Der Gegenstandswert bestimmt sich dabei nach dem objektiven Gegenstandswert, maßgeblich folglich nach dem Nominalwert einer titulierten Einziehungsforderung (Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 26. Aufl. 2023, RVG W 4142 Rn. 19.). Aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Braunschweig ergibt sich unzweifelhaft, dass die Anordnung der Einziehung des ,,durch die Tat erlangten Geldbetrages" sowie der die Tat betreffenden Gegenstände als auch des „Dealgelds" beabsichtigt wird. Schon aus der Formulierung („Dealgeld" einerseits, erlangter Geldbetrag andererseits) ergibt sich jedenfalls im Zusammenhang mit dem konkreten Anklagevorwurf, dass neben dem „Dealgeld" (3.950 €) auch der „Verdienst" eingezogen werden soll und der Einziehungsbetrag durch die Staatsanwaltschaft mit 39.282 € beziffert worden ist. Daneben sollten auch noch zahlreiche weitere Gegenstände eingezogen werden.

Da mit dem Urteil des Amtsgerichts Goslar vom 01.06.2023 damit nur ein Teilbetrag dessen einzogen worden ist, der ursprünglich Verfahrensgegenstand war, liegt jedenfalls ein Teilerfolg der Verteidigung vor. Zutreffend führt die Staatsanwaltschaft aus, dass es sich dabei um keinen unmittelbaren Anwendungsfall des § 465 Abs. 2 StPO handelt.

Der Grundgedanke des § 465 Abs. 2 StPO ist jedoch im vorliegenden Fall zur Anwendung zu bringen. Denn dem gesamten Kostenrecht ist das Veranlassungsprinzip immanent. Gleichwohl weisen die Kostenregelungen eine unbeabsichtigte Regelungslücke auf. Denn das Kostenrecht sieht insgesamt abtrennbare Gebühren insbesondere für die Einziehungsentscheidung vor, eine gesetzliche Grundlage, um einem Teilerfolg der Verteidigung hinsichtlich der „Nebenentscheidung Einziehung" bei gleichzeitiger (vollumfänglicher) Verurteilung wegen der Tat Geltung zu verschaffen, fehlt indes. Diese sachlich nicht zu rechtfertigende Regelungslücke lässt sich durch die Anwendung des Rechtsgedankens des § 465 Abs. 2 StPO schließen, indem eine Quotelung hinsichtlich der wegen der Einziehungsentscheidung anfallenden Gebühr vorgenommen wird (BGH, Beschluss vom 06.10.2021 —1 StR 311/20 — Rn. 21ff.; zit. nach juris).

Die im Beschluss des BGH vom 06.10.2021 dargelegten Grundsätze lassen sich entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft auch auf erstinstanzliche Verfahren übertragen. Zwar betrifft die Entscheidung allein ein Revisionsverfahren. Gleichsam prüft der Senat selbst auch die Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Die Abänderung wird offenbar auch für zulässig gehalten, denn abgelehnt wird eine Abänderung mit der Begründung, dass die angefochtene Quotelung aus Billigkeitsgründen nicht notwendig sei, da der Erfolg unterhalb von 10 % liege (BGH, a.a.O., Rn. 29.).

Nach diesen Grundsätzen ist die beantrage Quotelung vorzunehmen. Denn der Beschwerdeführer hat im Hinblick auf den Einziehungsbetrag lediglich in Höhe von 1/10 des gegenständlichen Betrages zum Verfahren Anlass gegeben. Dies ergibt sich aus den Feststellungen des Amtsgerichts Goslar in seinem Urteil vom 01.06.2023. Denn das Amtsgericht hat festgestellt, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Tat eine Entlohnung und Spesen erhalten habe, die Höhe sich jedoch nicht mehr feststellen lasse. Das Amtsgericht konnte allein feststellen, dass das eingezogene Bargeld „unzweifelhaft" aus der angeklagten Tätigkeit stamme (S. 3 des Urteils vom 01.06.2023). Die Veranlassung hinsichtlich des weitergehend durch die Staatsanwaltschaft zum Verfahrensgegenstand gemachten Einziehungsbetrages erfolgte folglich nicht durch den Beschwerdeführer, sodass diese Kosten der Staatskasse zur Last fallen.

Auch die Berücksichtigung des Verzichts auf die zahlreichen weiteren Gegenstände vermag eine Abweichung von der beantragten Quotelung nicht zu rechtfertigen. Im Strafprozess ist gewöhnlich keine exakte Quotelung vorzunehmen (BGH a.a.O., Rn. 29.). Die Gegenstände sind jedenfalls gebührenrechtlich überwiegend ohne Wert anzusetzen, der Wert der elektronischen Geräte kann allenfalls geschätzt werden und vermag eine Abweichung von der Quotierung der Nominalbeträge nicht zu begründen.

2.) Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus eine Ermäßigung der Verfahrensgebühr begehrt, ist die Beschwerde unbegründet. Denn eine spezielle Verfahrensgebühr wegen der Einziehung wird im erstinstanzlichen Verfahren nicht erhoben (BGH a.a.O., Rn. 21 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.


Einsender: RA Dr. O. Schröder, Halberstadt

Anmerkung:


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