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RVG Entscheidungen

§ 14 – Bußgeldverfahren

Rahmengebühren, Bußgeldverfahren, durchschnittliche Bußgeldsache

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Delbrück, Urteil v. 21.08.2020 - 2 C 285/19

Leitsatz des Gerichts:

1. Bei einer durchschnittlichen Bußgeldsache besteht der anwaltliche Vergütungsanspruch in Höhe der Mittelgebühr.
2. Neben dem wirtschaftlichen Interesse des Betroffenen ist auch sein ideelles Interesse zu berücksichtigen. Der Verwurf einer aus seiner Sicht ungerechtfertigten Ordnungswidrigkeit – und sei diese auch nur mit einer Geldbuße von 25,- EUR belegt – kann einen durchschnittlichen gesetzestreuen Bürger durchaus belasten. Er muss sich gegen den aus seiner Sicht unberechtigten Vorwurf zur Wehr setzen können, so dass der Bußgeldsache eine durchschnittliche Bedeutung zukommt.


In pp.

1. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten durch unmittelbare Zahlung an diesen von anwaltlichen Kosten in Höhe von 77,35 Euro freizustellen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet, lediglich in Bezug auf die Nebenforderung ist sie unbegründet.

Zwischen den Parteien ist dem Grunde nach unstreitig, dass die Beklagte aus dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag zur Übernahme der dem Kläger im Zusammenhang mit dem gegen ihn bei der Bußgeldbehörde der Stadt E geführten Bußgeldverfahren entstandenen Rechtsanwaltskosten verpflichtet ist.

Neben dem bereits reguliertem Betrag in Höhe von 349,27 Euro hat die Beklagte einen weiteren Betrag in Höhe von 77,35 Euro zu zahlen, weil insgesamt Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 426,62 Euro entstanden sind. Die Abrechnung der Rechtsanwaltskosten durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers ist nicht zu beanstanden. Dazu wird verwiesen auf das vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer I erstellte Gebührengutachten, auf welches das Gericht nach eigener Prüfung seine Entscheidung zu stützen vermochte. Die Ausführungen, welche vollumfänglich in Bezug genommen werden, sind schlüssig und nachvollziehbar.

Insbesondere der Vorwurf der Beklagten, das Gutachten genüge nicht den Anforderungen des § 14 Abs. 2 RVG, weil die Rechtsanwaltskammer durch die Schlussfolgerung, dass die Sache bereits deshalb, weil der Auftraggeber bußgeldrechtlich in Anspruch genommen werde und er sich dagegen wehren müsse, weil er nicht der Fahrer gewesen sei, bei der Bewertung der Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber als "durchschnittlich" einzustufen sei, gezeigt habe, dass sie nicht über eine gutachterliche Unparteilichkeit verfüge, ist nicht im Ansatz begründet und angesichts des Renommees, welches die Beklagte als Rechtsschutzversicherungsunternehmen für sich in Anspruch nimmt, durchaus befremdlich. Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer hat in der entsprechenden Passage des Gutachtens dezidiert dargelegt, was Maßstab für die Bestimmung dieses Merkmales ist. Beispielsweise ist neben dem wirtschaftlichen Interesse des Auftraggebers (auf welches die Beklagte ausschließlich abzustellen scheint, indem sie immer wieder auf die Höhe der Geldbuße von "nur" 25 Euro abstellt) auch dessen ideelles Interesse maßgeblich. Wenn der Vorstand der Rechtsanwaltskammer sodann ausführt, dass vor diesem Hintergrund auch allein der aus Sicht des Auftraggebers ungerechtfertigte Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit durchaus eine durchschnittliche Bedeutung haben kann, ist dies in keiner Art und Weise zu beanstanden. Der Vorwurf des Begehens einer Ordnungswidrigkeit - und sei sie auch nur mit einer Geldbuße von 25 Euro belegt - kann einen durchschnittlichen - gesetzestreuen - Bürger durchaus belasten. Er wird dadurch in seinem Anstands- und Ehrgefühl verletzt, sofern er meint, die Ordnungswidrigkeit nicht begangen zu haben. Er muss sich gegen einen aus seiner Sicht unberechtigten Vorwurf zur Wehr setzen können. Wenn seine diesbezüglichen Sorgen nicht ernst genommen werden, führt dies dazu, dass er den Glauben an und das Vertrauen in den Rechtsstaat verliert. Ob die vorgenannten Erwägungen auf den streitgegenständlichen Fall zutrafen, hat der Anwalt bei Bestimmung der Gebühr nach einer pflichtgemäßen Gesamtabwägung zu beurteilen, worauf der Vorstand der Rechtsanwaltskammer in seinem Gutachten ebenfalls hinweist. Der Rechtsanwalt kennt die Umstände der Mandatsbearbeitung, die nicht sämtlich aktenkundig sein müssen, besser als ein Außenstehender, weshalb ihm auch ein großzügiger Beurteilungsrahmen zuzubilligen ist. Weshalb die Beklagte meint, gerade in diesem Fall die konkreten Umstände des Falles besser zu kennen als der sachbearbeitende Rechtsanwalt und deshalb "von oben herab" feststellen zu können, dass es dem Auftraggeber nur um dessen wirtschaftliche Interessen gegangen sei, welche in Anbetracht eines Bußgeldes von nur 25 Euro als unterdurchschnittlich zu beurteilen seien, ist nicht im Ansatz nachvollziehbar.

Soweit der Kläger auch die Verzinsung des Anspruches auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten aus Verzugsgesichtspunkten begehrt, war die Klage abzuweisen. Verzugszinsen auf den Freistellungsanspruch können nicht gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB zuerkannt werden. Dass bei dem Kläger ein konkreter Schaden durch die bisherige Nichtzahlung der Anwaltsgebühren eingetreten wäre, ist nicht vorgetragen. Verzugszinsen auf einen Freistellungsanspruch können mangels Rechtsgrundlage auch nicht entsprechend der Regelung beim Zahlungsanspruch verlangt werden, da § 288 BGB auf einen Freistellungsanspruch nicht anwendbar ist (vgl. Staudinger/Manfred Löwisch/Cornelia Feldmann (2014), § 288, Rn. 8 m.w.N.).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Klageabweisung in Bezug auf die geltend gemachte Verzinsung des Freistellungsanspruchs rechtfertigte keine von § 91 Abs. 1 ZPO abweichende Kostenentscheidung. Die Zuvielforderung war verhältnismäßig gering und hat keine höheren Kosten verursacht, auch weil sie lediglich eine Nebenforderung betraf.

III.

Die Regelung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

IV.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 77,35 Euro festgesetzt.


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