Gericht / Entscheidungsdatum: LG Zwickau, Beschl. v. 19.07.2024 - 1 Qs 77/24
Eigener Leitsatz:
1. Zur Bemessung der Wahlanwaltsgebühren in einem straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren.
2. Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen sind in der Regel nicht notwendig, weil Ermittlungsbehörden und das Gericht von Amts wegen zur Sachaufklärung und zur Beachtung des Zweifelssatzes verpflichtet sind und die Betroffenen daneben regelmäßig durch Initiativanträge, insbesondere Beweisanträge das Gericht zu der begehrten Beweisaufnahme bestimmen können und werden. Hiervon sind jedoch Ausnahmen zu machen, und zwar ggf. im Bußgeldverfahren, wenn ein standardisiertes Messverfahren zum Einsatz gekommen ist, da dann die Anforderungen an die Darlegung einer Fehlermessung, die eine weitere Beweiserhebung durch das Gericht nach sich ziehen würde, erhöht sind.
1 Qs 77/24
BESCHLUSS
In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
Rechtsanwalt
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
Hier: sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss
ergeht am 19.07.2024
durch das Landgericht Zwickau -1. Strafkammer als Beschwerdekammer -
nachfolgende Entscheidung:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Betroffenen wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Zwickau vom 06.03.2024, Az.: 34 OWi 230 Js 15001/23, wie folgt ab-geändert:
Die von der Staatskasse an die Betroffene zu erstattenden Kosten werden auf weitere 2.778,65 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 05.12.2023 festgesetzt.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die der Beschwerdeführerin entstandenen notwendigen Auslagen.
3. Der Beschwerdewert wird auf 2.778,65 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Gegen die Betroffene wurde mit Bußgeldbescheid vom 26.05.2023 wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 70,00 Euro verhängt. Gegen den dem Verteidiger der Betroffenen am 31.05.2023 zugestellten Bußgeldbescheid legte dieser am 08.06.2023 Einspruch ein. Bereits im Rahmen der Anhörung zur Ordnungswidrigkeit hatte die Betroffene durch ihren Verteidiger beantragt, das Verfahren einzustellen. Gleichzeitig hatte sie Akteneinsicht, insbesondere auch in alle Unterlagen, die mit der Verkehrsmessung im Zusammenhang stehen, wie unter anderem den Eichschein, das Messprotokoll, das Messstellenprotokoll, das Messfoto als Dateikopie oder ausgedruckt in maximaler Auflösung und ähnliches beantragt. Zudem war bereits mitgeteilt worden, dass beabsichtigt ist, die private Begutachtung der Verkehrsmessung in Auftrag zu geben, wofür die geforderten Unterlagen und Daten benötigt würden. Mit Schreiben vom 02.06.2023 bat der Verteidiger die Stadt Zwickau unter Übersendung einer CD-ROM die angeforderten Daten aufzuspielen. Er wies darauf hin, dass die Akteneinsicht unvollständig gewährt worden sei, da der Beschilderungsplan die Gebrauchsanleitung und die Lebensakte des Messgerätes gefehlt hätten. Am 02.08.2023 gelangte die Sachakte an das Amtsgericht Zwickau. Mit Verfügung vom 11.08.2023 wurde Hauptverhandlungstermin auf den 13.10.2023 anberaumt. Es wurde der Zeuge pp. zum Beweisthema Geschwindigkeitsmessung vom 13.03.2023 in Zwickau, Wildenfelser Straße geladen. Mit Schriftsatz vom 24.08.2023 beantragte der Verteidiger Terminsverlegung und wies darauf hin, dass er am 21.08.2023 die Begutachtung der verfahrensgegenständlichen Verkehrsmessung in Auftrag gegeben habe, welche erfahrungsgemäß 2 bis 3 Monate in Anspruch nehme. Darüber hinaus beantragte er Akteneinsicht. Mit Schriftsatz vom 28.08.2023 monierte der Verteidiger, dass wegen Verletzung der Verfahrensgrundrechte der Betroffenen in jedweder Hauptverhandlung gleich zu Beginn Aussetzung der Hauptverhandlung beantragt werden würde, solange nicht der Beschilderungsplan, der Token mit Passwort und alle Unter-lagen über Reparaturen, zusätzliche Wartungen, vorgezogene Neueichungen etc. am Mess-gerät zur Verfügung gestellt werden. Diesem Schriftsatz war das Schreiben vom 18.08.2023 an die Stadt Zwickau beigefügt, in dem der Verteidiger ebenfalls die benannten Unterlagen bzw. Daten angefordert hatte. Mit Verfügung vom 28.08.2023 wurde der Hauptverhandlungstermin auf den 17.11.2023 verlegt. Unter dem 01.09.2023 schrieb das Amtsgericht Zwickau die Stadt Zwickau an und bat unter Bezugnahme auf die Einwände der Verteidigung um Mittei-lungen zu den genannten und vom Verteidiger angeforderten Unterlagen und Daten. Darüber hinaus wurde der Verteidiger darauf hingewiesen, dass es ihm freistehe, Beweisanträge zu stellen, über die eine Entscheidung ergehen wird. Mit Schriftsatz vom 24.10.2023 legte der Verteidiger das Gutachten zur Geschwindigkeitsmessung des Ingenieurbüros pp. vom 20.10.2023 vor und beantragte erneut, das Verfahren einzustellen, zudem den Verhandlungstermin aufzuheben. Für den Fall der Hauptverhandlung beantragte der Verteidiger, die Betroffene freizusprechen. Er kündigte für die Hauptverhandlung folgenden Beweisantrag an:
Zum Beweis der Tatsache, dass der Pkw pp., amtliches Kennzeichen pp. anlässlich der verfahrensgegenständlichen Verkehrsmessung am 13.03.2023 um 16:47 Uhr in Zwickau, Wildenfelser Straße, mit 50 km/h und nicht schneller fuhr, beantrage ich:
Verlesung des in der Anlage beiliegenden Sachverständigengutachtens des
Sachverständigenbüros pp. vom 20.10.2023, dortiges Zeichen: pp., nebst seiner Anlagen.
Der Verteidiger begründete seinen Antrag, nahm Bezug auf das Gutachten vom 20.10.2023 und machte Ausführungen zu Auffälligkeiten, weshalb die Befürchtung von Messfehlern gerechtfertigt sei. Mit Verfügung vom 26.10.2023 wurde der Hauptverhandlungstermin aufgehoben. Mit Verfügung vom 16.11.2023 nahm die Stadt Zwickau - Bußgeldbehörde - gegenüber der Staatsanwaltschaft Zwickau Stellung zum Sachverständigengutachten. Die Stellungnahme gelangte am 28.11.2023 an das Amtsgericht Zwickau. Mit Beschluss des Amtsgerichts Zwickau vom 29.11.2023 wurde das Verfahren gemäß § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Betroffenen wurden der Staatskasse auferlegt.
Mit Schriftsatz vom 04.12.2023 stellte der Verteidiger Kostenfestsetzungsantrag mit folgender Kostenaufstellung:
Geb.Nr. Satz Bezeichnung Gebühr
5100 Grundgebühr 110,00 €
5103 Verfahrensgebühr bei einer Geldbuße von 60,00 bis 5.000,00 € 176,00 €
7002 Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen 20,00 €
7000.1a 17 Ablichtungen und Ausdrucke aus Behördenakten 8,50 €
Akteneinsichtspauschale Behörde v. 12.05.23 8,50 € 12,00 €
5109 Verfahrensgebühr bei einer Geldbuße von 60,00 bis 5.000,00 € 176,00 €
5115 Erledigte oder entbehrliche Hauptverhandlung 176,00 €
7002 Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen 20,00 €
7000.1a 37 Ablichtungen und Ausdrucke aus Gerichtsakten 17,10 €
Aktenversendungspauschale Gericht v. 29.09.2023 12,00 €
Summe 727,60 €
7008 19,00 % Umsatzsteuer aus 727,60 € 138,24 €
Summe 865,84 €
zuzüglich Kosten Gutachten pp. vom 20.10.2023 - Liquidation siehe Anlage 2.552,55 €
Summe 3.418,39 €
Er beantragte, die Verzinsung mit 5 % über dem Basiszinssatz vorzunehmen.
Die Bezirksrevisorin führte in ihrer Stellungnahme vom 31.01.2024 zum Kostenfestsetzungs-antrag vom 04.12.2023 aus, dass die beantragten Gebühren für das vorliegende Verfahren überhöht seien, daher unbillig und für die Staatskasse nicht verbindlich. Seitens der Staats-kasse wurde eine Grundgebühr im unteren Drittel des Gebührenrahmens für angemessen er-achtet. Die Kosten der Betroffenen für das Privatgutachten wurden für nicht erstattungsfähig gehalten. Die Betroffene müsse insoweit auf ihr Beweisantragsrecht verwiesen werden.
Als Vertreterin der Staatskasse hielt sie folgende Kosten für den Verteidiger für erstattungsfähig:
Gebühren des Verteidigers in Bußgeldsachen
VV-RVG Gebühren-/Auslagentatbestand EUR
5100 Grundgebühr (Rahmen: 33 -187 €, Mittelgebühren 110 €) 60,00 €
5103 Verfahrensgebühr (Rahmen: 33 - 319 €, Mittelgebühr 176 €) 106,00 €
5109 Verfahrensgebühr (Rahmen: 33 - 319 €, Mittelgebühr 176 €) 106,00 €
5115, 5109 Zusatzgebühr Hauptverhandlung ist entbehrlich 176,00 e
7002 Postentgeltpauschale 40,00 €
7000 Dokumentenpauschale (erste 50 Seiten) Anzahl der Seiten: 50 25,00 €
7000 Dokumentenpauschale (weitere Seiten) Anzahl der Seiten: 4 0,60 €
verauslagte Aktenversendungspauschale (9003 GKG - 12,00 € 24,00 €
Zwischensumme 537,60 €
7008 Umsatzsteuer (19 %) 102,14 €
Gesamtbetrag 639,74 €
Mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Zwickau vom 06.03.2024 folgte die Rechtspflegerin der Auffassung der Bezirksrevisorin und setzte die von der Staatskasse an die Betroffene aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Zwickau vom 29.11.2023 zu erstattenden Kosten auf 629,74 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 05.12.2023 fest.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Verteidigers vom 15.03.2024. Er beantragt, die Gebühren entsprechend dem gestellten Antrag festzusetzen. Er führt aus, dass kein unterdurchschnittlicher Fall vorgelegen habe, weshalb die Mittelgebühr in Ansatz zu bringen sei. Die Einholung des Privatgutachtens sei erforderlich gewesen, da bei einem standardisierten Messverfahren ein zulässiger Beweisantrag voraussetze, dass bereits konkrete Anhaltspunkte für Messfehler vorgebracht werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Verteidigers vom 15.03.2024 Bezug genommen.
Die Staatskasse wurde hierzu angehört. Sie beantragte, die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückzuverweisen und nahm im Wesentlichen Bezug auf ihre Stellungnahme vom 31.01.2024.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
1. Die von dem Verteidiger geltend gemachten Gebühren entsprechen billigem Ermessen und sind daher verbindlich (§ 14 Abs. 1 Satz 1, 4 RVG).
Die Bemessung von Rahmengebühren hat der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen vorzunehmen. Maßgebliche Kriterien für die Bemessung von Rahmengebühren sind unter anderem Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers. Die sogenannte Mittelgebühr ist anzusetzen, wenn der „Normalfall" vorliegt, also ein Fall, in dem sämtliche vor allem die nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlicher Art sind, es sich also um eine übliche Bedeutung der Angelegenheit, um einen durch-schnittlichen Umfang und eine durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltschaftlichen Tätigkeit und um wirtschaftliche Verhältnisse des Auftraggebers, die dem Durchschnitt der Bevölkerung entsprechen, handelt (Gerold/Schmidt/Meyer, 26. Auflage, 2023, RVG, § 14 Rn. 10). Zwar wird in einfach gelagerten Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten eine Festsetzung der anwaltlichen Vergütungsansprüche im unteren Drittel des zur Verfügung stehenden Gebührenrahmens erfolgen, wenn unter strikter Beachtung der Umstände des Einzelfalls und unter Zugrundelegung der Gebührenbemessungskriterien aus § 14 RVG davon auszugehen ist, dass insgesamt eine Angelegenheit von unterdurchschnittlicher Bedeutung vorliegt. Dies wird in einfach gelagerten Verfahren der Regelfall sein. So liegt der Fall hier aber nicht. Vielmehr entspricht die Schwierigkeit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einem durchschnittlichen Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren betreffend eine Geschwindigkeitsüberschreitung. Der Verteidiger hat bereits im Anhörungsverfahren Akteneinsicht und die Einsicht in Unterlagen beantragt, die nicht bereits Inhalt der Akten sind, wobei er die entsprechenden Unterlagen aufgeführt hat. Somit war bereits für die Grundgebühr nach Nr. 5100 VV-RVG die Mittelgebühr anzusetzen. Hieran ändert auch nichts, dass es sich bei dem entsprechenden Schriftsatz vom 28.04.2023 zumindest überwiegend um einen vorformulierten, aus Textbausteinen bestehenden Schriftsatz handeln dürfte. Nach Erlass des Bußgeldbescheides und Einspruchseinlegung hat der Verteidiger geprüft, ob alle angeforderten Unterlagen eingegangen sind. Er hat zu diesem Zeitpunkt bereits mitgeteilt, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens beabsichtigt sei. Auch in der Folge hat er Feststellungen zu fehlenden Unterlagen getroffen. Nach Vorliegen des privaten Sachverständigengutachtens hat er die dort aufgezeigten Auffälligkeiten im Einzelnen aufgeführt und einen entsprechenden Beweisantrag gestellt. Bereits im Zwischenverfahren hat er die Einstellung des Verfahrens beantragt. Aus diesem Grund ist für die Gebühren nach 5100 VV-RVG, 5103 VV-RVG, 5109 VV-RVG und 5115 VV-RVG, die jeweilige Mittelgebühr zum Ansatz zu bringen, auch wenn kein Fahrverbot oder die Eintragung eines Punktes im Fahreignungsregister drohte.
Selbst wenn davon ausgegangen würde, der Ansatz der Mittelgebühr sei nicht gerechtfertigt, wären aus den genannten Gründen keine Gebühren im unteren Drittel des jeweiligen Gebührenrahmens im gegenständlichen Fall angemessen. Ausgehend vom Urteil des Bundesgerichtshofs vom 31.10.2006, Az.: VI ZR 261/05 - juris -, ist eine Abweichung bis zu 20 % gegenüber dem objektiv Angemessenen vertretbar. Erst wenn diese Toleranzgrenze überschritten ist, liegt ein Ermessensmissbrauch vor. Dann muss das Gericht die Gebühr neu festsetzen. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
2. Der Betroffenen sind die Auslagen für das durch ihren Verteidiger in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten zu erstatten. Es handelt sich dabei im vorliegenden Fall um notwendige Auslagen im Sinne des § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. §§ 467 Abs. 1, 464 a Abs. 2 StPO.
Notwendige Auslagen sind die einem Beteiligten erwachsenen, in Geld messbaren Auf-wendungen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder zur Geltend-machung prozessualer Rechte erforderlich waren (LG Dessau-Roßlau, Beschluss vom 04.05.2023 - 6 Js 394 Js 26340/21 (56/23) - juris m. w. N.). Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen sind in der Regel nicht notwendig, weil Ermittlungsbehörden und das Gericht von Amts wegen zur Sachaufklärung und zur Beachtung des Zweifelssatzes verpflichtet sind und die Betroffenen daneben regelmäßig durch Initiativanträge, insbesondere Beweisanträge das Gericht zu der begehrten Beweisaufnahme bestimmen können und werden (a.a.O.). Hiervon werden jedoch Ausnahmen anerkannt. Abgesehen von der Konstellation, in der das Privatgutachten tatsächlich ursächlich für den Freispruch oder die Einstellung des Verfahrens geworden ist, wird es ausnahmsweise zum Beispiel dann als erstattungsfähig angesehen, wenn es ein abgelegenes und technisch schwieriges Sachgebiet betrifft (LG Wuppertal, Beschluss vom 08.02.2018, DAR 2018, 236; LG Aachen, Beschluss vom 12.07.2018, Az.: 66 Qs 31/18 - juris -; LG Dessau-Roßlau, a.a.O.). Hinzu kommt, dass die Gründe, auf denen die Beschränkung der Erstattungsfähigkeit der Kosten für private Sachverständigengutachten beruhen, nämlich, dass der Betroffene darauf vertrauen kann, dass von Amts wegen alle erforderlichen Ermittlungen erfolgen und er im Übrigen das Recht und die Pflicht hat, Beweisanträge zu stellen, in Fällen wie dem vorliegenden nur eingeschränkt zur Geltung kommen (LG Bielefeld, Beschluss vom 19.12.2019, Az.: 10 Qs 425/19 - juris - m. w. N.). Im Bußgeldverfahren sind nämlich dann, wenn ein standardisiertes Messverfahren zum Einsatz gekommen ist, die Anforderungen an die Darlegung einer Fehlermessung, die eine weitere Beweiserhebung durch das Gericht nach sich ziehen würde, erhöht. Hier müssen von Seiten der Verteidigung konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler vorgebracht werden, um eine weitergehende Aufklärung des Gerichts zu begründen. Insofern ist die Amtsermittlungspflicht eingeschränkt (LG Bielefeld, a.a.O., m. w. N.).
Bei dem gegenständlichen zur Geschwindigkeitsmessung eingesetzten Lasermess-system Vitronic Poli-Scan FM1 handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren. Somit musste die Betroffene davon ausgehen, dass keine Beweiserhebung zur Ordnungsgemäßheit der Messung erfolgen würde, wenn sie keine konkreten Anhaltspunkte für einen Messfehler vorbringt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass solche Anhalts-punkte vor der Beauftragung des Gutachtens vorgelegen hätten. Hieran ändert auch die Ladung des Zeugen pp. zum Beweisthema Geschwindigkeitsmessung vom 13.03.2023 in Zwickau, Wildenfelser Straße, nichts, da aufgrund des technisch schwierigen Sachgebietes nicht ohne Weiteres adäquate Fragen zu möglichen Messfehlern gestellt oder Widersprüche vorgehalten hätten werden können. Zudem hat das Amtsgericht auf den Terminsverlegungsantrag des Verteidigers und dessen Hinweis, dass die Begutachtung der verfahrensgegenständlichen Verkehrsmessung in Auftrag gegeben worden sei, welche zwei bis drei Monate in Anspruch nehme und daher eine neue Terminierung erst für Ende November 2023 erfolgen solle, den Verhandlungstermin entsprechend auf den 17.11.2023 verlegt.
Das Sachverständigengutachten vom 20.10.2023 ging am 26.10.2023 beim Amtsgericht Zwickau ein. Mit Schreiben vom 24.10.2023, das ebenfalls am 26.10.2023 beim Amtsgericht Zwickau eingegangen ist, hat die Betroffene durch ihren Verteidiger diverse Auffälligkeiten bei der Geschwindigkeitsmessung, ergebend aus dem Sachverständigengutachten, aufgeführt. Das Gutachten zeigt diverse Auffälligkeiten auf, die einzeln betrachtet grundsätzlich nicht zu einer Unverwertbarkeit führen müssen. Allerdings würde im Hinblick auf signifikante Auffälligkeiten innerhalb der Messserie eine technische Verwertbarkeit durchaus als diskussionswürdig erscheinen. Auch wird deswegen ein weiterer Toleranzabzug thematisiert, ohne dass ein entsprechender Vorschlag unterbreitet wurde.
Aus den Einwendungen der Betroffenen zur gegenständlichen Geschwindigkeitsmessung und der zeitlichen Abfolge mit der dann folgenden Einstellung des Verfahrens er-gibt sich, dass die privaten Ermittlungen tatsächlich auch zur Entscheidungsfindung beigetragen haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO analog.
Einsender: RA P. Donath-Franke, Zwickau
Anmerkung:
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