Gericht / Entscheidungsdatum: AG Nürnberg, Beschl. v. 02.05.2024 - 401 Ds 207 Js 8267/22
Eigener Leitsatz:
Wenn der Verteidiger nach (Teil)Aufhebung und Zurückverweisung eines Verfahrens durch das Revisionsgericht an das Berufungsgericht dem Mandanten den weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens erläutert, entsteht durch diese Tätigkeit die Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren. Die Tätigkeit wird nicht mehr von der Verfahrensgebühr für die Revision erfasst.
Amtsgericht Nürnberg
401 Ds 207 Js 8267/22
In dem Strafverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
wegen Vergehens nach dem Gewaltschutzgesetz
erlässt das Amtsgericht Nürnberg durch die Richterin am Amtsgericht am 2. Mai 2024 folgenden
Beschluss
Auf die Erinnerung des Verteidigers vom 24.02.2024 wird der Festsetzungsbeschluss des Amts-gerichts Nürnberg vom 14.02.2024 aufgehoben.
Die Gebühr für das 2. Berufungsverfahren wird auf 359,38 € festgesetzt.
Gründe:
Der Erinnerung des Verteidigers vom 24.02.2024 war stattzugeben, da die beantragten Gebühren entstanden sind.
I.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 20.05.2022 wurde Rechtsanwalt pp. dem Angeklagten Pflichtverteidiger beigeordnet. Am 31.10.2022 wurde der Angeklagte durch das Amtsgericht Nürnberg zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Am 05.05.2023 wurde der Angeklagte nach Berufungseinlegung durch das Landgericht Nürnberg-Fürth zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt, die weitergehende Berufung wurde als unbegründet verworfen. Auf die Revision des Angeklagten wurde das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth durch das Bayerische Oberste Landesgericht am 23.11.2023 insofern aufgehoben, als der Angeklagte wegen des Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz in 3 Fällen samt der Gesamtstrafenbildung verurteilt wurde. Die Sache wurde im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth verwiesen. Im Übrigen wurde die Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen. Die Akte ging am 21.12.2023 beim Landgericht Nürnberg-Fürth ein. Mit Verfügung vom 03.01.2024 wurden die Akten der 15. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vorgelegt. Mit Beschluss vom 10.01.2024 wurde die Bestellung von Rechtsanwalt Loyens zum Pflichtverteidiger des Angeklagten gemäß § 143 Abs. 2 StPO aufgehoben.
Mit Schriftsatz vom 13.01.2024 beantragte der Verteidiger Kostenfestsetzung für das Berufungsverfahren. Geltend gemacht wurde Nummer 4124 VV RVG für das 2. Berufungsverfahren sowie die Post und Telekommunikationspauschale zuzüglich Umsatzsteuer, insgesamt 359,38 €. Mit Beschluss vom 14.02.2024 wurde der Kostenfestsetzungsantrag durch das Amtsgericht Nürnberg zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Rechtspflegerin aus, die geltend gemachten Kosten seien nicht entstanden. Nach Verweisung an ein Gericht des niedrigeren Rechtszugs handele es sich bei dem weiteren Verfahren nach Verweisung um eine neue Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG (§ 20 Satz 2 RVG). Damit die Gebühr entstehe, müsse auch eine entsprechende, die Gebühr auslösende Tätigkeit des Anwalts erfolgt sein. Soweit der Verteidiger angegeben habe, er habe seinem Mandanten mit Schreiben vom 13.01.2024 die Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Erfolgsaussichten einer etwaigen sofortigen Beschwerde gegen die Entpflichtungsentscheidung erläutert und er habe mit Schreiben vom 27.11.2023 den Mandanten über das Ergebnis der erfolgreichen Revision und den weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens informiert, so habe dies die geltend gemachte Gebühr nicht ausgelöst. Die Einlegung einer Berufung und die Besprechung der erstinstanzlichen Entscheidung sei noch durch die Verfahrensgebühr der 1. Instanz abgedeckt. Analog sei die im Schreiben vom 27.11.2023 entfaltete Tätigkeit noch von der festgesetzten Verfahrensgebühr der 3. Instanz abgedeckt. Eine allgemeine Information über den grundsätzlichen weiteren Verlauf der neuen Berufungsinstanz vor der eigentlichen Anhängigkeit bei der 15. Strafkammer löse ebenfalls noch keine neue Verfahrensgebühr aus. Die Erläuterung der Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Erfolgsaussichten einer etwaigen sofortigen Beschwerde gegen die erfolgte Entpflichtung sei zeitlich nach der Entpflichtungsentschei-dung erfolgt und könne daher bereits deshalb keine Grundlage mehr für eine Festsetzung gegenüber der Staatskasse sein. Die von Rechtsanwalt pp. zitierte Fundstelle Burhoff Nr. 4124 VV Rn 13 liste zwar unter den erfassten Tätigkeiten unter anderem „Pflichtverteidigerbestellung und damit ggf. zusammenhängende Rechtsmittel“ auf, meine damit aber lediglich Tätigkeiten in Bezug auf eine Bestellungs- und eben gerade nicht auf eine Entpflichtungsentscheidung.
Die Bezirksrevisorin hat gemäß ihrer Stellungnahme vom 02.04.2024 keine Einwendungen gegen eine Abhilfe des Kostenfestsetzungsbeschlusses aufgrund Erinnerung des Verteidigers und gegen die Auszahlung der beantragten Vergütung in Höhe von 359,38 €.
II.
Der Gebührenanspruch des Verteidigers besteht in beantragter Höhe. Die Kosten sind daher wie tenoriert festzusetzen.
Der Verteidiger war bis zur Entpflichtungsentscheidung des Landgerichts vom 10.01.2024 als Pflichtverteidiger beigeordnet. Das 2. Berufungsverfahren ist gemäß § 21 RVG gegenüber dem Revisionsverfahren, dem 1. Berufungsverfahren und der 1. Instanz eine eigene Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG. Das 2. Berufungsverfahren begann gemäß § 34a StPO mit Ablauf des Tages der Beschlussfassung über die Zurückverweisung an das Landgericht Nürnberg-Fürth, vorliegend mit Ablauf des 23.11.2023.
Voraussetzung für das Anfallen einer Gebühr im 2. Berufungsverfahren ist eine kostenauslösende Tätigkeit des Verteidigers in diesem Berufungsverfahren. Der Verteidiger schildert hierzu, er habe seinen Mandanten mit Schreiben vom 27.11.2023 über das Ergebnis der erfolgreichen Revision und den weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens informiert. Außerdem habe er seinem Mandanten mit Schreiben vom 13.01.2024 die Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Erfolgsaus-sichten einer etwaigen sofortigen Beschwerde gegen die Entpflichtungsentscheidung des Landgerichts erklärt. Das Schreiben des Verteidigers vom 27.11.2023 ist zeitlich dem 2. Berufungsverfahren zuzuordnen, da es nach Ablauf des 23.11.2023 erfolgte. Soweit der Verteidiger erklärt, hierin dem Mandanten den weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens erklärt zu haben, so ist dies als kostenauslösende Tätigkeit zu werten. Die Information des Mandanten zum 2. Berufungsverfahren ist Betreiben des Geschäfts und nicht durch vorherige Gebühren erfasst. Die Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG zuzüglich Pauschale ist somit angefallen.
Der Erinnerung war stattzugeben.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.
Einsender: RA G. Loyens, Nürnberg
Anmerkung: Aufhebung von AG Nürnberg, Beschl. v. 14.02.2024 - 401 Ds 207 Js 8267/22
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