Gericht / Entscheidungsdatum: OVG Bremen, Beschl. v. 23.07.2024 – 1 S 93/24
Leitsatz des Gerichts:
1. Wenn im Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss eine Beschränkung im Sinne des § 121 Abs. 3 ZPO nicht vorgenommen wurde, obwohl diese geboten gewesen wäre, ist der Urkundsbeamte im Vergütungsfestsetzungsverfahren gleichwohl an diese vom Gericht getroffene Entscheidung gebunden.
2. Eine Beschränkung der Beiordnung im Sinne des § 121 Abs. 3 ZPO hat aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit grundsätzlich ausdrücklich zu geschehen.
In pp.
Die Beschwerde des Erinnerungsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen - 1. Kammer - vom 20. Februar 2024 wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um den Vergütungsanspruch der nicht im Gerichtsbezirk ansässigen Erinnerungsführerin.
In dem Verfahren pp. hatte das Verwaltungsgericht dem in Bremen wohnenden Kläger mit Beschluss vom 21.12.2020 Prozesskostenhilfe bewilligt und eine in pp. niedergelassene Rechtsanwältin, Erinnerungsführerin und Beschwerdegegnerin des vorliegenden Beschwerdeverfahrens, beigeordnet. Eine Beschränkung der Beiordnung im Sinne des § 121 Abs. 3 ZPO enthält der Beschluss weder im Tenor noch in den Gründen.
Mit Beschluss vom 11.07.2022 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts die der Rechtsanwältin aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 864,54 Euro fest. Die Reisekosten zum Gerichtstermin und das Abwesenheitsgeld seien in dem beantragten Umfang nicht erstattungsfähig, da es sich hierbei anteilig um Kosten handele, die entstanden seien, weil die Rechtsanwältin nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts ansässig sei.
Auf die gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss erhobene Erinnerung der Rechtsanwältin hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 19.02.2024 die ihr aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf 1.155,73 Euro festgesetzt. Hiergegen richtet sich der Erinnerungsgegner mit der vorliegenden Beschwerde, der die Erinnerungsführerin entgegengetreten ist.
II.
Der Senat entscheidet über die Beschwerde des Erinnerungsgegners gemäß § 166 Abs. 1 Satz 2 VwGO, § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin, da die angefochtene Entscheidung ebenfalls von einem Einzelrichter erlassen wurde.
Die zulässige Beschwerde des Erinnerungsgegners hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass eine Beschränkung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung auf die Kosten einer im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwältin im konkreten Fall nicht in Betracht kommt.
Gemäß § 121 Abs. 3 ZPO darf das Gericht einen Anwalt, der nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist, grundsätzlich nur dann beiordnen, wenn dadurch keine weiteren Kosten entstehen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass ein Prozesskostenhilfeberechtigter nicht bessergestellt wird als ein kostenbewusster und vernünftiger Prozessbeteiligter, der seine Prozesskosten selbst zu tragen hat (VGH BW, Beschl. v. 30.04.2015 - 11 S 124/15, juris Rn. 2). Daher ist bei einem auswärtigen Rechtsanwalt zur Vermeidung entbehrlicher Reisekosten eine Beschränkung der Beiordnung auf die für einen im Bezirk des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalt geltenden Bedingungen grundsätzlich geboten (OVG Bremen, Beschl. v. 25.05.2020 - 2 B 66/20, juris Rn. 34; BayVGH, Beschl. v. 19.06.2017 - 10 C 17.1076, juris Rn. 11).
Wenn im Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss, wie vorliegend, eine Beschränkung im Sinne des § 121 Abs. 3 ZPO nicht vorgenommen wurde, obwohl dies geboten gewesen wäre, ist der Urkundsbeamte im Vergütungsfestsetzungsverfahren gleichwohl an diese vom Gericht getroffene Entscheidung gebunden (Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 26. Aufl. 2023, § 46 Rn. 7). Der Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren einer materiell-rechtlichen Überprüfung entzogen. Selbst eine fehlerhafte Beiordnung ist deshalb im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu beachten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.01.2014 - II-10 WF 1/14, juris Rn. 3; OLG Dresden, Beschl. v. 01.10.2008 - 8 W 958/08, juris Rn. 9; OLG Celle, Beschl. v. 20.03.2007 - 23 W 31/07, juris Rn. 7; VG München, Beschl. v. 21.05.2024 - M 3 M 20.50423, juris Rn. 16 f.; VG Würzburg, Beschl. v. 18.03.2021 - W 8 M 20.31222, juris Rn. 20; Schultzky, in: Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 121 Rn. 27; Reichling, in: Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, 54. Ed. Stand: 01.03.2024, § 121 Rn. 34; a.A. LAG München, Beschl. v. 10.02.2022 - 6 Ta 244/21, juris Rn. 18 sowie v. 12.06.2007 - 10 Ta 229/05, juris m.w.N.; OLG Celle, Beschl. v. 14.04.2000 - 18 WF 90/00, juris Rn. 7).
Es kommt auch keine Auslegung oder Umdeutung des Beschlusses vom 21.12.2020 dergestalt in Betracht, dass die Erinnerungsführerin vorliegend trotz der uneingeschränkten Tenorierung nur eingeschränkt beigeordnet worden wäre. Denn eine Beschränkung der Beiordnung hat aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit grundsätzlich ausdrücklich zu geschehen (OLG Dresden, Beschl. v. 01.10.2008 - 8 W 958/08, juris Rn. 9). Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass das in § 121 Abs. 3 ZPO normierte Mehrkostenverbot den ihre Beiordnung beantragenden Rechtsanwälten bekannt ist bzw. bekannt sein muss. Nur ausnahmsweise kann einem Beiordnungsbeschluss daher eine Beschränkung auch ohne ausdrückliche Tenorierung entnommen werden, etwa wenn sich die Beschränkung zwar nicht aus dem Tenor, wohl aber aus den Entscheidungsgründen ergibt oder wenn der Prozesskostenhilfe- und Beiordnungsantrag bereits beschränkt gestellt wurde (vgl. OLG Dresden, Beschl. v. 01.10.2008 a.a.O.). In dem vorliegenden Verfahren bestehen jedoch keinerlei Anhaltspunkte für eine solche Ausnahmekonstellation.
III.
Das Verfahren ist gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet, § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es daher nicht.
Hinweis:
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 6 RVG sowie § 152 Abs. 1 VwGO).
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