Gericht / Entscheidungsdatum: LG Potsdam, Beschl. v. 15.08.2024 - 24 Qs 41/24
Eigener Leitsatz:
Eine Hauptverhandlungsdauer von 2 Stunden und 30 Minuten liegt für ein Verfahren beim Strafrichter deutlich über dem Durchschnitt. Dies rechtfertigt (für den Nebenklägervertreter) die Erhöhung der Terminsgebühr um 50 %.
24 Qs 41/24
Landgericht Potsdam
Beschluss
In dem Strafverfahren
gegen pp.
Nebenklägervertreter:
hat das Landgericht Potsdam - 4. Strafkammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht, den Richter am Landgericht und den Richter am Amtsgericht am 15. August 2024 beschlossen:
1. Die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 08.03.2024 wird als unbegründet verworfen.
2. Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Beschwerdewert: 269,-EUR
Gründe:
Die sofortige Beschwerde des Betroffenen pp hat in der Sache keinen Erfolg.
Ergänzend bemerkt die Kammer:
Das zulässige Rechtsmittel ist unbegründet. Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht die anwaltlichen Gebühren für den Nebenklägervertreter oberhalb der Mittelgebühr festgesetzt hat.
Dabei bestimmt sich die Angemessenheit einer Rahmengebühr für eine anwaltliche Tätigkeit gemäß § 14 RVG nach dem Umfang sowie der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie den Einkommensverhältnissen des Auftraggebers.
Ausgehend von diesen Zumessungskriterien ist die Kammer zu dem Ergebnis gelangt, dass die anwaltliche Tätigkeit des Nebenklägervertreters wegen der Bedeutung der Angelegenheit von den Durchschnittsfällen, die regelmäßig vor dem Strafrichter des Amtsgerichtes verhandelt werden, abweicht, während im Übrigen der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Einkommensverhältnisse des Auftraggebers als durchschnittlich anzusehen sind, wie dem Beschwerdeführer zuzugeben ist.
a) Der Umfang einer anwaltlichen Tätigkeit im Sinne des § 14 RVG bemisst sich nach den tatsächlichen zeitlichen Aufwand des Rechtsanwaltes bei der Bearbeitung des konkreten Mandates (vergleiche Mayer/Kroiß/Winkler, RVG, 8. Aufl. 2021, § 14 Rn. 16 mit weiteren Nachweisen). Eine besondere Berücksichtigung sollen dabei dem Aktenumfang, der Auswertung von Beiakten sowie der Anzahl und dem Umfang der gefertigten Schriftsätze zukommen (hier Mayer/Kroiß/Winkler, RVG, a.a.O., § 14 Rn.17).
Von diesen Kriterien ausgehend ist der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit vorliegend als durchschnittlich zu betrachten. Der Aktenumfang umfasst 192 Seiten. Beiakten existieren nicht. Zwar hat der Nebenklägervertreter das Rechtsmittel der Beschwerde eingelegt, um die Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft Potsdam abzuwenden, und hierdurch die Fortführung des Verfahrens und schließlich die Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung auch erreicht. Eine ungewöhnlich aufwendige anwaltliche Tätigkeit ist in der Einlegung des Rechtsmittels jedoch nicht zu erkennen, denn es waren keine schwierigen rechtlichen Fragen zu beurteilen. Letzteres wird auch daran deutlich, dass die
Beschwerdeschrift lediglich anderthalb Seiten umfasst.
b) Die Schwierigkeit einer anwaltlichen Tätigkeit im Sinne des § 14 RVG bestimmt sich demgegenüber nach der Intensität von dessen Arbeit. Schwierig ist eine Tätigkeit dabei dann, wenn erhebliche, im Normalfall nicht auftretende Probleme auftauchen, seien sie rechtlicher oder tatsächlicher Natur (wie hier Mayer/Kroiß/Winkler, RVG, a.a.O., § 14 Rd. 22).
Derartige Probleme sind hier ebenfalls nicht zu erkennen. Zwar ist der Nebenkläger vietnamesischer Staatsangehöriger, er arbeitet aber seit vielen Jahren in Deutschland und kommuniziert mit seinen Kollegen in der deutschen Sprache. Er muss deshalb über Sprachkenntnisse verfügen, die alltagstauglich sind und eine Kommunikation mit ihm erlauben. Aus diesem Grunde vermag das Vorbringen des Nebenklägervertreters nicht zu überzeugen, wonach sprachliche Schwierigkeiten, die in der Hauptverhandlung die Hinzuziehung eines Dolmetschers veranlasst hätten, die Schwierigkeiten der anwaltlichen Tätigkeit erheblich erhöht hätten. Deshalb ist auch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit lediglich als durchschnittlich zu beurteilen.
c) Dagegen ist die Bedeutung der Angelegenheit deutlich erhöht gegenüber den Durchschnittsfällen vor dem Strafrichter des Amtsgerichtes.
Für die Beurteilung der Bedeutung der Angelegenheit im Sinne des § 14 RVG ist es demgegenüber entscheidend, welche tatsächliche, wirtschaftliche oder rechtliche Bedeutung die Sache gerade für den Auftraggeber, hier den Nebenkläger, aufweist (vergleiche BeckOK RVG-v. Seltmann, 64. Edition, § 14 RVG Rn. 37).
Vorliegend war die Bedeutung der Angelegenheit dadurch erhöht, dass die vom Angeklagten begangene Körperverletzung bei ihm zu einem Rippenbruch geführt hatte, die nach Lage der Akten eine erstaunliche lange, 10-monatige Arbeitsunfähigkeit des Nebenklägers zur Folge hatte. Die tatsächlichen wie auch die wirtschaftlichen Folgen der Tat - der Nebenkläger hat aufgrund der Arbeitsunfähigkeit nach der Lebenserfahrung keinen Lohn, sondern Krankengeld erhalten -weichen deshalb erheblich von den durchschnittlichen Fällen, die beim Strafrichter des Amtsgerichtes verhandelt werden, ab.
Dies führt im Ergebnis dazu, dass der Nebenklägervertreter vom Grundsatz her zu Recht eine höhere anwaltliche Vergütung als die Mittelgebühr beansprucht und auch festgesetzt bekommen hat. Dabei gilt hinsichtlich der einzelnen Gebühren jedoch folgendes:
aa) Die Festsetzung der Grund- und Verfahrensgebühr durch das Amtsgericht i.H.v. 30 % über der Mittelgebühr ist vorliegend nicht zu beanstanden.
Denn, wie oben ausgeführt worden ist, ist die Bedeutung der Angelegenheit gegenüber den Durchschnittsfällen hier aufgrund der tatsächlichen und wirtschaftlichen Tatfolgen deutlich erhöht. Da ein Rechtsanwalt nach § 14 RVG bei der Bemessung seiner Gebühren ein Ermessen hat, billigt ihm die Kammer in ständiger Rechtsprechung in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre (vgl. nur BeckOK RVG-v. Seltmann, 64. Edition, § 14 RVG Rn. 13; Hartung/Schon/Enders, RVG, 3. Aufl. 2019, § 14 Rn. 23) insoweit einen Toleranzspielraum von bis zu 20 % zu.
Hiervon ausgehend ist die Geltendmachung von Anwaltsgebühren in Höhe von 30 % über der Mittelgebühr für die Grund- und Verfahrensgebühr vorliegend nicht zu beanstanden.
bb) Soweit sich die Verteidigung des Angeklagten gegen die Festsetzung einer um 50 % erhöhten Terminsgebühr wendet, hat sein Rechtsmittel ebenfalls keinen Erfolg.
Dies ergibt sich aus folgendem:
Bei der Bemessung der Terminsgebühr ist die Dauer der Hauptverhandlung nicht das alleinige Kriterium, jedoch ein wesentlicher Anhaltspunkt. Durch sie soll ausschließlich die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Termin abgegolten werden, während die Vorbereitung des Termines in den Anwendungsbereich der Verfahrensgebühr nach Nr. 5109 VV RVG gehört (vergleiche Landgericht Detmold, Beschluss vom 03.02.2009,4 Qs 171/08; Landgericht Potsdam, Beschluss vom 15.08.2013, 24 Qs 77/13 - BeckRS 2013, 21155).
Nach überwiegender Meinung im Schrifttum soll dabei die Mittelgebühr einer Terminsgebühr für die anwaltliche Tätigkeit beim Strafrichter gerechtfertigt sein, wenn die Hauptverhandlung nicht länger als 1 Stunde betragen hat (wie hier Hartung/Schons/Enders, a.a.O., § 14 Rn. 53 mit weiteren Nachweisen; vgl. die Zusammenstellung von Beispielsfällen bei Enders, RVG für Anfänger, 21. Aufl. 2023 Rn. 99). Die Kammer schließt sich aufgrund eigener Erfahrungen dieser Meinung an, da sie den Realitäten strafgerichtlicher Verfahren weiterhin entspricht.
Hiervon ausgehend liegt die vorliegende Dauer der Hauptverhandlung mit 2 Stunden und 30 Minuten deutlich über dem Durchschnitt. Dies rechtfertigt die dem Nebenklägervertreter durch den angegriffenen Beschluss zugebilligte 50 %-ige Erhöhung der Terminsgebühr.
Insgesamt hat das Rechtsmittel deshalb keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.
Einsender: RA J. Mader, Strausberg
Anmerkung:
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