Gericht / Entscheidungsdatum: LG Siegen, Beschl. v. 19.09.2024 - 10 Qs 4/24
Eigener Leitsatz:
Nochmals zum Entstehen von Grundgebühr und Verfahrensgebühr.
10 Qs-66 Js 163/23-4/24
Landgericht Siegen
Beschluss
In dem Ermittlungsverfahren
pp.
Verteidiger:
hat die zweite große Strafkammer des Landgerichts Siegen auf die Gegenvorstellung der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss der Kammer vom 19.02.2024 durch die Vorsitzende Richterin, die Richterin am Landgericht und den Richter am Landgericht
am 19.09.2024 beschlossen:
Der Beschluss der Kammer vom 19.02.2024 wird nicht abgeändert.
Gründe:
Die Gegenvorstellung ist zwar zulässig, gibt jedoch in der Sache keinen Anlass, den angegriffenen Beschluss abzuändern. Denn dessen Gründe treffen nach wie vor zu.
Das Amtsgericht Siegen hatte mit Beschluss vom 23.11.2023 festgestellt, dass sich der Vergütungsanspruch des Verteidigers auch auf die Verfahren 66 Js 308/23, 66 Js 623/23, 66 Js 380/23 und 66 Js 1062/23 erstreckt.
Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Siegen hat die Kammer den Beschluss aufgehoben und den Antrag des Verteidigers zurückgewiesen.
Der Verteidiger hat gegen diese Beschwerdeentscheidung mit Schriftsatz vom 25.03.2024, hier eingegangen am 09.09.2024, Gegenvorstellung erhoben und zur Begründung u.a. ausgeführt, dem Landgericht würden Grundkenntnisse im Gebührenrecht und der Voraussetzung der Erstreckung fehlen.
Die Ansicht verkennt, dass - wie bereits ausgeführt - der Grundgedanke des § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG darin besteht, frühere Tätigkeiten, die als Wahlverteidiger vorgenommen wurden, nach der Bestellung als Pflichtverteidiger zu vergüten, obwohl durch die Verbindung hierüber nicht entschieden wurde. Dabei sind erbrachte Leistungen entscheidend, nicht abstrakt Genannte.
Tatsächlich wurden solche Gebühren auslösende Tätigkeiten in den, dem amtsgerichtlichen Beschluss zugrundeliegenden Verfahren nicht entfaltet.
Die Grundgebühr (4100 VV RVG) soll den Arbeitsaufwand honorieren, der einmalig mit der Übernahme des Mandats entsteht, also das erste Gespräch mit dem Mandanten und die Beschaffung der erforderlichen Informationen. Dazu gehört vor allem auch die erste Akteneinsicht nach § 147 StPO.
Mit der Verfahrensgebühr 4104 VV RVG soll die gesamte Tätigkeit des Pflichtverteidigers im vorbereitenden Verfahren bis zum Eingang der Anklageschrift abgedeckt werden.
Folgende Tätigkeiten des Verteidigers sind in den noch streitgegenständlichen Verfahren aktenkundig:
In den Verfahren 66 Js 308/23 und 66 Js 380/23 der Staatsanwaltschaft Siegen wurde vor der Verbindung jeweils lediglich mit Schriftsatz vom 17.03.2023 ein Antrag auf Beiordnung gestellt. Die Schriftsätze waren an die Polizei gerichtet, wo sich die Akte noch befand. Sobald die Akte erstmals bei der Staatsanwaltschaft einging, erfolgte die Verbindung.
In dem Verfahren 66 Js 623/23 wurde gar kein Antrag auf Beiordnung gestellt. Lediglich in dem Verfahren 66 Js 1062/23 Staatsanwaltschaft Siegen wurde mit Schriftsatz vom 17.07.2023, wiederum gerichtet an die Polizei, nicht nur ein Antrag auf Beiordnung gestellt, sondern auch ein Antrag auf Akteneinsicht gestellt. Wiederum unmittelbar nach Eingang der Akten erfolgte die Verbindung der Verfahren. Das Akteneinsichtsgesuch wurde im letzten Absatz des Schriftsatzes wie folgt formuliert:
"Im Anschluss an die Pflichtverteidigerbestellung wird wiederum um Abgabe der Ermittlungsakte an die Staatsanwaltschaft gebeten, welche hiermit um Akteneinsicht gebeten wird."
Eine Informationsbeschaffung als Wahlverteidiger war damit ersichtlich nicht beabsichtigt. Der Arbeitsaufwand des Wahlverteidigers war hier offensichtlich nur auf die Geltendmachung von Gebühren ausgerichtet und zielte nicht auf die Beschaffung von Informationen über den Ermittlungsstand während des Wahlmandats. Wie ausgeführt wäre dies aber erforderlich um zumindest eine Grundgebühr im Sinne des § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG geltend machen zu können.
Soweit sich der Vortrag des Verteidigers zu seinen Tätigkeiten in den allgemeinen Behauptungen erschöpft, sich in Akten eingearbeitet zu haben und Besprechungen mit der Mandantin geführt zu haben, begründet dies weder die Geltendmachung einer Grundgebühr, noch einer Verfahrensgebühr. Der Vortrag des Verteidigers ist unsubstantiiert und kann nicht nachvollzogen werden. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass Tätigkeiten - abgesehen von Akteneinsichten - nicht aktenkundig sein müssen. Entscheidend ist, ob der Verteidiger die Tätigkeiten erbracht hat. Da er sich tatsächlich vor der Verbindung der Verfahren in die Akten nicht hat einarbeiten können und seine Anträge vorrangig auf eine Beiordnung zielten, hätte es ergänzender Ausführungen auch zu den Besprechungen mit der Mandantin bedurft. Trotz Nachfragen erfolgte dies nicht, so dass Gebührenansprüche nicht festgestellt werden konnten.
Einsender: RA H. Terjung, Köln
Anmerkung: Gegenvorstellungsbeschluss zu LG Siegen, Beschl. v. 19.02.2024 - 10 Qs 4/24
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