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RVG Entscheidungen

Gebühren-/Kostenfragen - Auslagen, § 14 – Bußgeldverfahren, Nr. 5115 VV

Bußgeldverfahren, Rahmengebühren, zusätzliche Verfahrensgebühr, Einstellung von Amts wegen, Kosten des Privatgutachtens

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Münster, Beschl. v. 14.06.2024 – 12 Qs 16/24

Leitsatz des Gerichts mit Ergänzungen/Änderungen:

1. Bei durchschnittlichen Verkehrsordnungswidrigkeiten können im Regelfall nur unter den Mittelgebühren liegende Verteidigergebühren als angemessen angesehen werden.
2. Für das Entstehen der Gebühr Nr. 5115 VV RVG ist es nicht ausreichend, wenn das Verfahren ausschließlich von Amts wegen eingestellt wird.
3. Zur Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens.
4. Kosten für die Einholung eines Privatgutachtens sind– ausnahmsweise – als notwendige Kosten anzuerkennen, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind oder wenn aus Sicht des Betroffenen ex-ante ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre. Es müssen aber von Seiten des Betroffenen entweder zum Zeitpunkt der Gutachtenbeauftragung oder später Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit der Messung vorgetragen werden, die ihn ex ante dazu veranlasst haben könnten, ein solches Gutachten einzuholen. Das gilt auch bei einem standardisierten Messverfahren.


In pp.

Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Warendorf vom 02.05.2024 und unter Verwerfung der weitergehenden Beschwerde als unbegründet werden über den dort bereits festgesetzten Betrag von 474,09 EUR hinaus die von der Landeskasse dem früheren Betroffenen zu erstattenden Kosten festgesetzt auf weitere 5,95 EUR.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der ihm entstandenen Auslagen trägt der Betroffene.

Gründe:

I.

Mit Schreiben des Kreises Warendorf vom 12.12.2022 wurde der Betroffene zu dem Vorwurf der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften am 20.11.2022 angehört. Daraufhin bestellte sich für den Betroffenen sein Verteidiger und bat um Akteneinsicht und Übersendung weiterer Unterlagen. Mit E-Mail vom 16.02.2023 bat das von dem Betroffenen beauftragte Sachverständigenbüro den Kreis Warendorf um die Übersendung näher bezeichneter Beweismittel.

Durch Bußgeldbescheid vom 06.03.2023, zugestellt am 08.03.2023, verhängte der Kreis Warendorf gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße von 115 EUR nebst Gebühren und Auslagen und wies auf die Eintragung eines Punktes im Fahreignungsregister hin. Gegen den Bußgeldbescheid vom 06.03.2023 legte der Betroffene Einspruch ein. Im Folgenden stellte der Verteidiger unter Hinweis auf eine gerügte Aktenunvollständigkeit einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Dabei führte er unter dem 15.05.2023 aus, dass sich der Akte nicht der Nachweis entnehmen lasse, dass auch Ortsunkundige ohne Weiteres die Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h oder den Umstand, dass die Messstelle innerorts gelegen sei, erkennen könnten. Unter dem 09.06.2023 machte er weitere Ausführungen zur gerügten Aktenunvollständigkeit. Der Betroffene bestreite, so schnell gefahren zu sein, wie ihm vorgeworfen werde.

Die Bußgeldbehörde übersandte den Vorgang sodann unter dem 25.07.2023 an die Staatsanwaltschaft zum Zwecke der Weiterleitung an das Amtsgericht Warendorf zur Entscheidung über das Akteneinsichtsgesuch und zugleich aufgrund Verfügung vom 01.08.2023 gemäß § 69 OWiG. Der Vorgang ging am 03.08.2023 bei der Staatsanwaltschaft ein. Mit Verfügung vom 11.10.2023 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren unter Hinweis auf die zwischenzeitlich eingetretene Verfolgungsverjährung ein. Nach einem Kostenantrag des Verteidigers legte die Staatsanwaltschaft den Vorgang unter dem 07.12.2023 dem Amtsgericht unter Hinweis darauf vor, dass die Einstellung (vom 11.10.2023) nicht möglich gewesen sei. Durch Beschluss vom 15.12.2023 stellte das Amtsgericht das Verfahren gemäß § 206a StPO unter Hinweis auf die eingetretene Verfolgungsverjährung auf Kosten der Staatskasse ein und erlegte die dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auf.

Mit Schriftsatz vom 08.01.2024 beantragte der Verteidiger die Festsetzung von Kosten in Höhe von insgesamt 2.370,92 EUR. Darin machte er unter anderem folgende Kosten geltend:

- Verfahrensgebühr Amtsgericht gem. Nr. 5109 VV RVG: 176 EUR
- Gebühr Mitwirkung Entbehrlichkeit Hauptverhandlung gem. Nr. 5115, 5109 VV RVG: 176 EUR
- Sonstige Auslagen (2 Datenträger) vom 08.01.2024 gem. Nr. 7006 VV RVG
- Sonstige Auslagen (Sachverständigenkosten gem. beiliegender Rechnung) vom 08.01.2024 gem. Nr. 7006 VV RVG

Die Rechtspflegerin holte daraufhin eine Stellungnahme der Bezirksrevisorin ein (Bl. 155 d.A.), die die dargestellten Kosten nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe für berechtigt hielt. Nach Anhörung des Betroffenen – der unter dem 14.03.2024 Stellung nahm (Bl. 157 d.A.) – setzte die Rechtspflegerin beim Amtsgericht die aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen durch Beschluss vom 02.05.2024 auf 474,09 EUR fest und wies den Antrag im Übrigen kostenpflichtig zurück. Hinsichtlich der Absetzung nahm es Bezug auf die Stellungnahme der Bezirksrevisorin. Die beantragten Kosten setzte die Rechtspflegerin dabei nur zum Teil (Verfahrensgebühr Nr. 5109 zu 33 EUR) und im Übrigen nicht fest.

Gegen den am 07.05.2024 zugestellten Beschluss legte der Betroffene durch Verteidigerschriftsatz vom 13.05.2024, bei Gericht eingegangen am 15.05.2024, mit näherer Begründung sofortige Beschwerde ein.

Die Rechtspflegerin hat den Vorgang dem Landgericht zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde vom 13.05.2024 vorgelegt.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache nur zu einem geringen Teil, wie aus dem Tenor ersichtlich, Erfolg.

1. Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde folgt aus den §§ 464b, 304, 311 StPO, § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG. Sie ist gemäß form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 464b S. 4, 306 Abs. 1 StPO), der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 200 EUR (§ 304 Abs. 3). Ein Abhilfeverfahren war nicht durchzuführen (§ 311 Abs. 3 S. 1 StPO).

Die sofortige Beschwerde ist überwiegend unbegründet.

a) Verfahrensgebühr gemäß Nr. 5109 VV RVG

Die Verfahrensgebühr ist – wie bereits festgesetzt – lediglich in Höhe von 33 EUR entstanden.
Gemäß Nr. 5109 VV RVG – betreffend Gebühren des Verteidigers im gerichtlichen Verfahren im ersten Rechtszug in Bußgeldsachen – beträgt die Verfahrensgebühr bei einer Geldbuße von – wie hier – 60 bis 5.000 EUR von 33 bis 319 EUR. Bei einer solchen Rahmengebühr bestimmt gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. In seinem Kostenfestsetzungsantrag hat der Verteidiger eine solche Gebührenbestimmung vorgenommen, indem er die Festsetzung einer Verfahrensgebühr von 176 EUR beantragt hat. Zu Unrecht macht der Verteidiger in diesem Zusammenhang geltend, dass bei allen abzurechenden Gebühren mindestens von der Mittelgebühr auszugehen sei. Diese Auffassung widerspricht dem Gesetz und findet auch in den von dem Verteidiger zitierten Entscheidungen – soweit veröffentlicht – keine Stütze.

Allerdings ist gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 RVG die von dem Rechtsanwalt getroffene Gebührenbestimmung für die erstattungspflichtige Staatskasse nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. In der Regel werden Abweichungen von bis zu 20% von der angemessenen Gebühr nicht als unbillig angesehen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 24. Juli 2014 – III-1 Ws 305/14, Rn. 18, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 7. Mai 2009 – 4 Ws 56/09, Rn. 18, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 24. Januar 2008 – 4 Ws 528/07 –, Rn. 10, juris; Kammerbeschlüsse vom 19.04.2021 – 12 Qs 9/21, 30.01.2018 – 12 Qs 30/17, 24.01.2018 – 12 Qs 32/17).

Die anwaltliche Gebührenbestimmung ist hier unbillig: Es handelte sich bei dem Fall um eine einfache Bußgeldangelegenheit des Tagesgeschäfts mit einem eher unterdurchschnittlichen Umfang und ohne besondere Schwierigkeiten. Sie war für den Betroffenen schon angesichts der Bußgeldhöhe – auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass bei rechtskräftiger Verurteilung hiermit die Eintragung eines Punktes im Fahreignungsregister einhergegangen wäre – von untergeordneter Bedeutung. Dass ihm konkret etwa ein Fahrverbot gedroht hätte, lässt sich dem Verteidigervorbringen nicht entnehmen. Ungeachtet dessen sind durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeiten mit einfachen Sach- und Rechtsfragen, niedrigen Geldbußen und wenigen Punkten im Fahreignungsregister grundsätzlich als unterdurchschnittliche Bußgeldsachen anzusehen (vgl. etwa LG Dresden, Beschluss vom 14. September 2023 – 5 Qs 56/23 –, Rn. 9, juris m.w.N.). Bei derartigen Ordnungswidrigkeitenverfahren können daher im Regelfall nur unter den Mittelgebühren liegende Verteidigergebühren als angemessen angesehen werden (LG Koblenz, Beschluss vom 22. August 2023 – 6 Qs 38/23 –, Rn. 28, juris).

Hinzu kommt als wesentlicher weiterer Aspekt im hiesigen Verfahren die Besonderheit, dass der Verteidiger im gerichtlichen Verfahren tatsächlich keine weitere Tätigkeit mehr entfaltete, zumal klar ersichtlich war, dass aufgrund der eingetretenen Verfolgungsverjährung von Seiten des Amtsgerichts allein noch eine Einstellungs- und Kostenentscheidung zu treffen war. Vor diesem Hintergrund ist auch die rhetorische Frage des Verteidigers unerheblich, von welcher Gebührenhöhe auszugehen sein sollte, wenn eine noch niedrigere Geldbuße ohne Punkteeintragung drohe.

Die Kammer hält angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles den Ansatz der Mindestgebühr von 33 EUR für angemessen. Soweit die von dem Verteidiger vorgenommene Gebührenbestimmung unbillig und daher nicht verbindlich ist, gilt dies auch insoweit, als die geltend gemachten Gebühren die Toleranzgrenze von 20% (hier: in Bezug auf die Mindestgebühr) nicht überschreiten (vgl. etwa auch LG Dresden, Beschluss vom 14. September 2023 – 5 Qs 56/23 –, Rn. 13, juris).

b) Mitwirkung an der Entbehrlichkeit der Hauptverhandlung gemäß Nr. 5115 VV RVG

Die Gebühr wurde zutreffend nicht festgesetzt.

Gemäß Nr. 5115 VV RVG fällt eine zusätzliche Gebühr in Höhe der jeweiligen Verfahrensgebühr an, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung das Verfahren vor der Verwaltung erledigt oder die Hauptverhandlung entbehrlich wird. Unter Bezugnahme hierauf hat der Verteidiger wegen der Mitwirkung an der Entbehrlichkeit der Hauptverhandlung eine Gebühr von 176 EUR angesetzt. Die Gebühr könnte sich hier allein auf 33 EUR belaufen (s. oben unter a)), ist aber insgesamt nicht geschuldet.

Sinn und Zweck der Gebühr gemäß Nr. 5115 VV RVG als zusätzliche Verfahrensgebühr für das Bußgeldverfahren ist es, im Bußgeldverfahren intensive und zeitaufwendige Tätigkeiten des Verteidigers, die zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung und damit beim Verteidiger zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr geführt haben, gebührenrechtlich zu honorieren. Es soll demnach ein Anreiz geschaffen werden, sich trotz der Gebühreneinbuße dennoch um eine möglichst frühzeitige Erledigung des Verfahrens ohne Hauptverhandlung zu bemühen. Erforderlich für das Entstehen ist jedoch die anwaltliche Mitwirkung. Gemäß Nummer 5115 Abs. 2 VV RVG entsteht die Gebühr nicht, wenn eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit nicht ersichtlich ist. Eine anwaltliche Mitwirkung im Sinne von Nummer 5115 VV RVG setzt voraus, dass der im Verfahren tätige Verteidiger die endgültige Verfahrenseinstellung zumindest gefördert haben muss, ohne dass es allerdings eines konkreten Beitrags zur Sachaufklärung bedarf. Ausreichend für eine fördernde Tätigkeit ist vielmehr jede hierzu geeignete Tätigkeit. Die anwaltliche Tätigkeit muss jedoch im Sinne eines Ursächlichkeitszusammenhangs geeignet gewesen sein, das Verfahren in Richtung einer Erledigung bzw. Einstellung lenkend zu beeinflussen.

Eine auf die Förderung der Einstellung gerichtete Tätigkeit ist jedoch nicht ersichtlich. Nicht ausreichend ist es, wenn das Verfahren – wie hier – ausschließlich von Amts wegen eingestellt wird Der Verteidiger des Betroffenen macht diesbezüglich geltend, dass er mehrfach – was zutreffend ist – die Aktenunvollständigkeit gerügt und die Einstellung des Verfahrens beantragt hatte, wobei die Einstellungsanträge nicht auf die (zu den entsprechenden Zeitpunkten ohnehin noch nicht eingetretene) Verjährung abzielten. Aufgrund der Aktenunvollständigkeitsrügen habe die Behörde zunächst geprüft, ob sie dem Verteidiger die angeforderten Daten und Informationen zur Verfügung stelle und hierbei zugleich versäumt, die Sache rechtzeitig abzugeben, die Aktenunvollständigkeitsrügen seien insofern ursächlich für den Eintritt der Verjährung.

Letzteres ist jedoch unzutreffend. Der Vorgang wurde vielmehr noch vor Ablauf der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist an die Staatsanwaltschaft zum Zwecke der Weitergabe an das Amtsgericht übersandt, jedoch auf Seiten der Staatsanwaltschaft aus unbekannten Gründen zunächst nicht weiter gefördert und dann schließlich von Amts wegen und ohne vorhergehenden Hinweis des Betroffenen auf den Eintritt der Verjährung eingestellt. Vor diesem Hintergrund kann es dahinstehen, ob die Gebühr nach Nr. 5115 RVG in dem hier nicht gegebenen Fall gerechtfertigt wäre, dass der Eintritt der Verjährung auf die Verteidigungsbemühungen des Betroffenen zurückzuführen ist. Hieran werden freilich Zweifel angemeldet, weil eine Honorierung dieser Vorgehensweise den Sinn und Zweck der Befriedigungsgebühr in sein Gegenteil verkehren würde und der Verteidiger für eine Mitwirkung an einer Vereinfachung und Verkürzung des Verfahrens gesondert honoriert werden soll, nicht aber für eine dem Betroffenen besonders günstige Verteidigungsstrategie (vgl. LG Bayreuth, Beschluss vom 13. Oktober 2020 – 3 Qs 84/20 –, Rn. 39 – 42, juris; LG Dresden, Beschluss vom 5. Oktober 2020 – 5 Qs 77/20 –, Rn. 28, juris; aber auch BGH, Urteil vom 20. Januar 2011 – IX ZR 123/10 –, juris).

c) Auslagen gemäß Nr. 7006 VV RVG

Gerechtfertigt ist hier allein der Ansatz von Auslagen in Höhe von 5 EUR nach Nr. 7000 Nr. 2 VV RVG zuzüglich der Umsatzsteuer, insgesamt 5,95 EUR.

Der Verteidiger macht Auslagen in Höhe von 10 EUR für die Übersendung zweier Datenträger am 08.01.2024 geltend und begründet dies in der Beschwerdeschrift damit, dass – anders als die Bezirksrevisorin meint – nicht er der Bußgeldstelle, sondern die Bußgeldstelle ihm Datenträger zur Verfügung gestellt habe. Diese hätten digitale Dateien beinhaltet, welche bei dem Verteidiger kopiert und abgespeichert worden seien. Eine Übersendung von digitalen Datenträgern im Januar 2024 ist der Akte jedoch nicht zu entnehmen, hat aber der Akte zufolge auch am 08.01.2023 nicht stattgefunden. Nach Aktenlage übersandte der Verteidiger dem Kreis Warendorf mit Schreiben vom 10.01.2023 – nach entsprechender Aufforderung durch den Kreis Warendorf – eine DVD. Mit Schreiben vom 27.01.2023 übersandte der Kreis Warendorf dem Verteidiger eine CD mit den angeforderten Rohmessdaten. Eine weitere Übersendung eines Datenträgers an den Verteidiger lässt sich der Akte nicht entnehmen, sondern allein die Übersendung eines Datenträgers an das von dem Betroffenen beauftragte Sachverständigenbüro.

Zugunsten des Verteidigers geht die Kammer davon aus, dass sich sein Kostenfestsetzungsantrag auf den Überlassungsvorgang vom 27.01.2023 bezieht. Eine Übersendung von zwei CDs lässt sich für diesen Vorgang jedoch nicht nachvollziehen. Die Kammer legt dabei zugrunde, dass sich auf der dem Verteidiger übersandten CD mit den Rohmessdaten mindestens vier Dateien befanden.

d) Sonstige Auslagen (Sachverständigenkosten)

Im vorliegenden Fall sind die entstandenen Kosten für die Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens nicht als notwendige Auslagen im Sinne der §§ 46 Abs. 1 OWiG, 464a Abs. 2 StPO anzusehen und waren somit auch nicht festzusetzen.

Der Verteidiger macht hier Kosten für die Tätigkeit eines Privatsachverständigen in Höhe von 1.264,97 EUR geltend unter Verweis auf eine entsprechende Rechnung vom 14.04.2023.

Notwendige Auslagen sind die einem Beteiligten erwachsenen, in Geld messbaren Aufwendungen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder zur Geltendmachung prozessualer Rechte erforderlich waren. Aufwendungen für private Ermittlungen oder Beweiserhebungen sind in der Regel nicht notwendig, weil Ermittlungsbehörden (§ 160 Abs. 1 u. 2 StPO) und Gericht (S. 244 Abs. 2 StPO) von Amts wegen zur Sachaufklärung und zur Beachtung des Zweifelssatzes verpflichtet sind und die Betroffenen daneben regelmäßig durch Initiativanträge, insbesondere Beweisanträge, das Gericht zu der begehrten Beweisaufnahme bestimmen können und werden.

Kosten für die Einholung eines Privatgutachtens sind dagegen – ausnahmsweise – als notwendige Kosten anzuerkennen, wenn schwierige technische Fragestellungen zu beurteilen sind oder wenn aus Sicht des Betroffenen ex-ante ein privates Sachverständigengutachten erforderlich ist, da ansonsten eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage zu befürchten wäre. Unabhängig von der subjektiven Bewertung der Prozesslage durch den Betroffenen sind die Kosten eines durch ihn in dem Bußgeldverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens nach einem Freispruch von dem Vorwurf einer Ordnungswidrigkeit aber jedenfalls dann erstattungsfähig, wenn das eingeholte Privatgutachten zu dem Freispruch beigetragen hat (statt vieler LG Dessau-Roßlau, Beschluss vom 4. Mai 2023 – 6 Qs 394 Js 26340/21 (56/23) –, Rn. 23, juris m.w.N.; LG Bielefeld, Beschluss vom 19. Dezember 2019 – 10 Qs 425/19 –, Rn. 18, juris).

Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Kosten für das Gutachten eines Privatsachverständigen vorliegend nicht erstattungsfähig.

Von Seiten des Betroffenen wurden weder zum Zeitpunkt der Gutachtenbeauftragung noch später Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit der Messung vorgetragen, die ihn ex ante dazu veranlasst haben könnten, ein solches Gutachten einzuholen. Aus seinem schriftlichen Vorbringen lässt sich lediglich ersehen, dass der Angeklagte die Geschwindigkeitsüberschreitung bestritt, ohne dass konkrete Gründe für die Zweifel an dem Messergebnis benannt worden wären. Auch sonst ist nicht erkennbar, warum sich der Betroffene veranlasst gesehen hat, das eingeholte Gutachten zu benötigen.

Es ist aber einem Betroffenen nach der Rechtsprechung der Kammer (Kammerbeschluss vom 05.06.2023 – 12 Qs 19/23) unter kostenrechtlichen Aspekten zuzumuten, im Falle der beabsichtigten Einholung und Einführung eines Privatgutachtens konkrete Zweifel am technischen Ablauf der Messung darzulegen, was dann ggf. auch zur Einholung eines Gutachtens von Amts wegen hätte führen können. Eine erhebliche Verschlechterung der Prozesslage, die die Einholung eines Privatgutachtens kostenrechtlich rechtfertigen könnte, kommt in dieser Konstellation erst dann in Betracht, wenn die Ermittlungsbehörde bzw. das Gericht einem Beweisantrag nicht nachkommt und ein Zuwarten bis zur Hauptverhandlung nicht zumutbar ist. Im Bußgeldverfahren ist es insoweit dem Betroffenen stets zumutbar, auch ex-ante notwendig erscheinende Ermittlungen erst dann selbst zu veranlassen, wenn das in der Hauptsache zuständige Gericht diese abgelehnt hat (vgl. LG Essen, Beschluss vom 19. Juli 2021 – 27 Qs 35/21 –, Rn. 19, juris; LG Aachen, Beschluss vom 12. Juli 2018 – 66 Qs 31/18 –, Rn. 7, juris; auch LG Cottbus, Beschluss vom 22. Juni 2017 – 22 Qs 85/17 –, Rn. 12, juris; LG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 28. März 2022 – 5 Qs 108/20 –, Rn. 6, juris). Anderenfalls würde schließlich ungeprüft und anlasslos im Fall einer späteren Einstellung oder freisprechenden Entscheidung, aus – wie hier geschehen – anderen Gründen eine Kostenlast entstehen, die nicht mehr mit einer nachvollziehbaren Befürchtung einer Verschlechterung der Prozesslage durch den Betroffenen einhergeht. Gerade bei einem standardisierten Messverfahren ist die Einholung eines Privatgutachtens in der bloßen, nicht näher begründeten Hoffnung, Einwendungen gegen die Messung finden und vorbringen zu können, kostenrechtlich unbeachtlich, wenn sich solche Einwendungen, wie hier der Fall, nicht ergeben bzw. nicht vorgebracht werden.

Soweit der Verteidiger unter Hinweis auf verschiedene Entscheidungen die Auffassung vertreten hat, dass dann, wenn im Bußgeldverfahren ein standardisiertes Messverfahren zum Einsatz komme, die Anforderungen an die Darlegung einer Fehlmessung erhöht seien, infolgedessen die Amtsermittlungspflicht also eingeschränkt und der Betroffene ohne Einholung eines Privatgutachtens in seinen Verteidigungsmöglichkeiten deutlich eingeschränkt sei, und daher die Einholung eines Privatgutachtens (im Ergebnis: immer) ex ante notwendig sei (in diesem Sinne etwa auch LG Bielefeld, Beschluss vom 19. Dezember 2019 – 10 Qs 425/19 –, Rn. 19 ff, juris; LG Wuppertal, Beschluss vom 6. November 2018 – 26 Qs 210/18 –, Rn. 23, juris; LG Stade, Beschluss vom 21. Juli 2021 – 101 Qs 2510 Js 47343/18 (2/21) –, Rn. 6, juris), folgt die Kammer dem nicht (vgl. etwa auch LG Aachen, Beschluss vom 12. Juli 2018 – 66 Qs 31/18 –, Rn. 11, juris; LG Aachen, Beschluss vom 30. September 2019 – 66 Qs 58/19 –, Rn. 15, juris; Krenberger, jurisPR-VerkR 23/2020 Anm. 5; BeckOK StPO/Niesler, 51. Ed. 1.4.2024, StPO § 464a Rn. 24).

Die Einholung des Privatgutachtens hat sich im Übrigen auch nicht ex post als erforderlich herausgestellt (vgl. hierzu etwa auch LG Detmold, Beschluss vom 14. Mai 2019 – 23 Qs 45/19 –, Rn. 16, juris). Entgegen der Stellungnahme des Verteidigers vom 14.03.2024 waren die vermeintlich „festgestellten Mängel“ gerade nicht Gegenstand des Sachvortrags und konnten schon deshalb nicht dazu beitragen, dass das Verfahren verjährt.

Auf die weitergehende Frage, ob die angesetzten Kosten für das Privatgutachten der Höhe nach angemessen sind, kommt es nach alledem nicht mehr an. Angesichts eines angesetzten Stundensatzes von 180 EUR bestehen freilich auch insoweit Bedenken. Weicht nämlich der Stundensatz um 20% oder mehr vom Stundensatz der entsprechenden Honorargruppe des JVEG – hier 135 EUR für Gutachten im Bereich der Verkehrsregelungs- und Verkehrsüberwachungstechnik – ab, bedarf es für die Plausibilitätsprüfung besonderer Darlegungen durch den Anspruchsteller (Kammerbeschluss vom 09.03.2017 – 12 Qs 3/17; KG Berlin, Beschluss vom 20. Februar 2012 – 1 Ws 72/09 –, Rn. 13, juris; LG Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 28. März 2022 – 5 Qs 108/20 –, Rn. 7, juris), die hier aber nicht erfolgt sind.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 StPO. Angesichts des geringfügigen Erfolgs der Beschwerde hat die Kammer es nicht als unbillig angesehen, dem Betroffenen die Kosten des Beschwerdeverfahrens insgesamt a


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