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RVG Entscheidungen

Vorbem. 4 Abs. 1 VV, Nr. 4100 VV, Nr. 4102 VV, Nr. 4104 VV

Pflichtverteidiger, Beiordnung für einen Haftprüfungstermin, Gebühren

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Regensburg, Beschl. v. 14.01.2025 - 10 Qs 5/25

Eigener Leitsatz:

Die von einem Rechtsanwalt im Rahmen der Wahrnehmung eines Haftverkündungstermins entfalteten Handlungen sind nicht lediglich als Einzeltätigkeit im Sinne Teil 4 Abschnitt 3 RVG, namentlich nicht als Beistandsleistung bei einer richterlichen Vernehmung nach dessen Nr. 4301 VV RVG, anzusehen, sondern als Tätigkeit eines Verteidigers nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG. Ihm stehen daher Grundgebühr, Verfahrensgebühr und Terminsgebühr zu.


Landgericht Regensburg
10 Qs 5/25

In dem Strafverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte

erlässt das Landgericht Regensburg - 10. Strafkammer - durch den Richter am Landgericht als Einzelrichter am 14. Januar 2025 ohne mündliche Verhandlung folgenden

Beschluss

Auf die Beschwerde der Rechtsanwältin pp. wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Regensburg vom 28.11.2024 dahingehend abgeändert, dass der Beschwerdeführerin aus der Staatskasse 709,24 EUR abzüglich bereits ausbezahlter 285,60 EUR auszuzahlen sind.

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Regensburg führte unter dem Aktenzeichen 209 Js 10333/24 gegen den später Verurteilten pp. ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Regensburg erging am 18.07.2024 ein Haftbefehl des Amtsgerichts Regensburg - Ermittlungsrichter. Am 15.08.2024 wurde der spätere Verurteilte in Trier aufgrund der bestehenden Ausschreibung festgenommen und am Folgetag der Ermittlungsrichterin beim Amtsgericht Trier vorgeführt.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 16.08.2024 wurde die Beschwerdeführerin dem damals Beschuldigten als Pflichtverteidigerin ,,für den heutigen Vorführtermin" beigeordnet.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Regensburg vom 27.08.2024 wurde dem damaligen Beschuldigten mit Beschluss des Amtsgerichts Regensburg am selben Tage ein anderer Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger bestellt.

Ebenfalls. am 27.08.2024 beantragte die Beschwerdeführerin die Festsetzung folgender Gebühren:
Grundgebühr Nr. 4100/4101 VV RVG 216,00 EUR
Verfahrensgebühr Nr. 4104/4105 VV RVG 177,00 EUR€
Terminsgebühr Nr. 4102 Nr. 31, 4103 VV RVG 183,00 EUR
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
596,00 EUR
Umsatzsteuer 113,24 EUR
709,24 EUR

Mit Beschluss vom 28.11.2024 (BI. 176-180 d.A.) hat die Kostenbeamten des Amtsgerichts Regensburg eine Pflichtverteidigervergütung in Höhe von 285,60 EUR festgesetzt, die sich aus einer Verfahrensgebühr Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG in Höhe von 220,00 EUR nebst Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 und Umsatzsteuer in Höhe von 45,60 EUR ergab. Eine Erstattung darüber hinausgehender Gebühren wurde abgelehnt.

Nachdem die Kostenbeamtin der hiergegen gerichteten als "Beschwerde" bezeichneten Erinnerung der Beschwerdeführerin vom 03.12.2024 nicht abgeholfen hat, hat das Amtsgericht diese mit Beschluss vom 28.11.2024 (BI. 188-189 d.A.) als unbegründet zurückgewiesen.

Gegen den ihr am 27.12.2024 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom selben Tage, der am 30.12.2024 eingegangen ist, Beschwerde eingelegt (BJ. 192 d.A.). Unter Bezugnahme auf ihren Schriftsatz vom 20.11.2024 (BI. 174 f. d.A.) hat die Beschwerdeführerin ausgeführt, dass eine Einzeltätigkeit im Sinne des Teils 4 Abschnitt 3 VV RVG nicht vorliege, sondern Gebühren wie bei einem ,,Vollverteidiger" anzusetzen seien und hierbei insbesondere auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 24.01.2024, Az. 3 Ws 50/23, Bezug genommen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 30.12.2024 der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die bereits im Rahmen des Erinnerungsverfahrens angehörte Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Regensburg hat am 11.12.2024 unter Verweis auf dem Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23.01.2023, Az. 4 Ws 13123, beantragt, den Rechtsbehelf der Beschwerdeführerin vom 03.12.2024 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beschwerde der Pflichtverteidigerin ist §§ 56 Abs. 2 Satz 1. 33 Abs. 3 Sätze 1 und 3 RVG zulässig und begründet.

1. Die Beschwerde ist begründet, da Vergütung der Beschwerdeführerin sich mangels Anwendbarkeit nicht nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG richtet, sondern nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG (a) und die Beschwerdeführerin daher Anspruch auf die Vergütung in beantragter Höhe hat (b).

a) Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG ist hier nicht anzuwenden, da durch die Bestellung der Beschwerdeführerin als Pflichtverteidigerin für den Vorführtermin am 16.08.2024 ein Verteidigungsverhältnis im Sinne des Teils 4 Abschnitt 1 VV RVG begründet wurde. Die Vergütungsvorschriften zu "Einzeltätigkeiten" sind gem. der Vorbemerkung 4,3 Abs. 1 in Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG hierzu subsidiär.

Das OLG Köln führt in seinem Beschluss vom 24.01.2024, Az. 3 Ws 50/23, hierzu folgendes aus:

..Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG regelt die Vergütung des Verteidigers. Diese ist dabei unabhängig davon zu bemessen, ob die Verteidigung als Wahl- und Pflichtverteidigung durchgeführt wird. Liegt ein Verteidigungsverhältnis vor, macht es grundsätzlich auch keinen Unterschied, ob sich die Tätigkeit - insbesondere in den Fällen des sog. "Terminsvertreters" - auf die Wahrnehmung eines einzelnen Termins beschränkt. Dies gilt für die Fälle der Pflichtverteidigung auch dann, wenn sich die vorangegangene Bestellung durch das Gericht nur auf einen bestimmten Termin bezogen hat. [...] Auch wenn sich die Wahrnehmung der Pflichtverteidigung auf einen oder mehrere einzelne Termine beschränkt, begründet die Beiordnung ein eigenständiges Beiordnungsverhältnis, in dessen Rahmen der Pflichtverteidiger die Verteidigung umfassend und eigenverantwortlich wahrzunehmen hat. Eine gebührenrechtlich unterschiedliche Behandlung dieses Verteidigers gegenüber dem Hauptverteidiger würde dem nicht gerecht und ließe eine Entwertung des Instituts der Pflichtverteidigung und damit einhergehend des Rechtes des Angeklagten auf eine effektive, rechtsstaatlichen Grundsätzen genügende Verteidigung besorgen [...]

Es besteht kein sachlich gerechtfertigter Anlass, die Verteidigung im Verfahren nach § 115 StPO gebührenrechtlich anders zu beurteilen als eine solche im Rahmen der Haupt-verhandlung. Das Verfahren nach § 115 StPO ist kein formalistischer Selbstzweck. Es trägt dem hohen Rang des von der Haftanordnung betroffenen, grundrechtlich gewährleisteten Freiheitsrechtes Rechnung und stellt sicher, dass der Beschuldigte möglichst schnell von dem Richter über die Grundlagen des Haftbefehls unterrichtet wird und Gelegenheit erhält, sich sowohl gegen den Tatvorwurf als auch die Annahme von Haftgründen zu verteidigen. [...] Der gebührenrechtlichen Gleichbehandlung der Verteidigungstätigkeit im Verfahren nach § 115 StPO mit derjenigen in der Hauptverhandlung steht auch nicht entgegen, dass sich Vorführungen nach § 115 StPO oftmals in der Verkündung des Haftbefehls nebst entsprechender Belehrung erschöpfen und nur von kurzer Dauer sind. Dem hat der Gesetzgeber gebührenrechtlich durch die Ausgestaltung der Voraussetzungen Rechnung getragen, unter denen nur die Terminsgebühr nach Ziff. 4102 Nr. 3 VV RVG anfällt (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 223) [. .]."

Die überzeugende Argumentation des OLG Köln im zitierten Beschluss macht sich das Gericht zu eigen.

Hier ist es zudem so, dass der spätere Verurteilte zum Zeitpunkt der Bestellung der Beschwerdeführerin zur Pflichtverteidigerin nicht anderweitig anwaltlich vertreten war. Der Beschwerdeführerin oblag also insbesondere die rechtliche Einordnung des Sachverhalts, der dem späteren Verurteilten zur Last gelegt wurde, eine Prüfung des im Haftbefehl angenommenen Haftgrundes sowie eine Beratung des damaligen Beschuldigten, ob Angaben zur Sache gemacht werden sollen. Die Tätigkeit eines in diesem Verfahrensstadium für die Vertretung des Beschuldigten lediglich für den Vorführungstermin bestellten Pflichtverteidigers unterscheidet sich damit faktisch nicht von derjenigen eines umfassend bevollmächtigten Wahlverteidigers bzw. zeitlich unbeschränkt bestellten Pflichtverteidigers.

Nichts anderes ergibt sich daraus, dass sich die Pflichtverteidigerbestellung im vorliegenden Fall auf einen Vorführungstermin im Sinne des § 115a StPO bezieht. Zwar ist die Entscheidungsbefugnis des Richters im Sinne des § 115a StPO beschränkt und er darf den Haftbefehl im Regelfall wieder aufheben noch außer Vollzug setzen. Allerdings sieht § 115a Abs. 2 Satz 4 StPO im Falle von nicht offensichtlich unbegründeten Einwendungen des Beschuldigten oder sonstigen Bedenken des Richters gegen die Aufrechterhaltung der Haft die Pflicht zur Rücksprache mit dem zuständigen Gericht oder der zuständigen Staatsanwaltschaft vor, die im Ergebnis zu einer Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls führen kann. Das zeigt, dass die Tätigkeit des Verteidigers auch in einem solchen Termin eine wichtige grundrechtssichernde Funktion erfüllt.

Die von dem Amtsgericht und der Bezirksrevisorin zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23.01.2023, Az. 4 Ws 13/23, in der eine Vertretung durch einen Pflichtverteidiger beschränkt auf einen Anhörungstermin gem. § 115 StPO als Einzeltätigkeit im Sinne von Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG qualifiziert wird, beruht auf einem nicht gänzlich vergleichbaren Sachverhalt: im dortigen Fall war der Beschuldigte bereits durch einen von ihm bevollmächtigten Rechtsanwalt verteidigt, der lediglich zu dem anberaumten Vorführungstermin verhindert war. Dieser Umstand war für das OLG Stuttgart auch entscheidungserheblich: "Jedenfalls in einem solchen Fall handelt es sich bei der Vertretung des Beschuldigten im Rahmen der Haftvorführung nach § 115 StPO um eine Einzeltätigkeit." (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 23. Januar 2023 — 4 Ws 13/23
Unbeschadet der zeitlichen Begrenzung der Beiordnung kommt eine gebührenrechtliche Einstufung der von der Beschwerdeführerin entfalteten Tätigkeit als Einzeltätigkeit im Sinne des Teils 4 Abschnitt 3 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG mithin nicht in Betracht (vgl. auch OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.11.2014 — 2 Ws 553/14 juris).

Dass die Staatskasse im Ergebnis nun doppelt mit einer Verfahrensgebühr belastet wird, beruht auf der unzulässigerweise auf den Termin vom 16.08.2024 beschränkten Beiordnung der Beschwerdeführerin. § 140 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. §§ 141 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 143 StPO sieht eine Pflichtverteidigerbestellung für das gesamte Verfahren vor, die mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens oder durch Aufhebung mit gesonderten Beschluss endet. Gerade für die hier gegenständliche Konstellation einer Vorführung bei dem nächsten Amtsgericht trifft § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StPO eine Regelung zum Verteidigerwechsel, die eine zeitlich beschränkte Beiordnung entbehrlich macht. Da gegen den Beiordnungsbeschluss kein Rechtsmittel eingelegt wurde, ist er rechtskräftig und der Vergütung der Beschwerdeführerin zugrunde zu legen.

b) Der Beschwerdeführerin steht ein Vergütungsanspruch in der von ihr beantragten Höhe zu.

Neben der Grundgebühr samt Haftzuschlag gem. Nr. 4100/4101 VV RVG in Höhe von 216,00 EUR ist auch eine Terminsgebühr Nr. 4102 Nr. 3/4103 VV RVG in Höhe von 183,00 EUR angefallen, da die Beschwerdeführerin im Termin Stellungnahmen abgegeben und Anträge gestellt hat, die eine Invollzugsetzung des Haftbefehls abwenden sollen.
Daneben ist eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 4104 /4105 VV RVG in Höhe von 177,00 EUR anzusetzen.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass ein Teilbetrag in Höhe von 285,60 EUR bereits zur Auszahlung angewiesen wurde.

2. Einer Übertragung der Sache auf die Kammer wegen besonderer Schwierigkeit tatsächlicher oder rechtlicher Art oder wegen grundsätzlicher Bedeutung bedurfte es nicht.

3. Eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist nicht veranlasst, § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG.


Einsender: RAin S. Gallien, Trassem

Anmerkung:


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