Gericht / Entscheidungsdatum: AG Tiergarten, Beschl. v. 17.03.2025 - 288 OWi 1156/24
Eigener Leitsatz:
Die Aktenversendungspauschale ist auch dann zu erstatten, wenn der Betroffene in einer Großstadt (hier: Berlin) einen nicht ortsansässigen Verteidiger beauftragt hat.
Amtsgericht Tiergarten
288 OWi 11 56/24
Beschluss
In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat das Amtsgericht Tiergarten am 17. März 2025 beschlossen:
Auf die Erinnerung des Rechtsanwalts B. vom 04.12.2024 wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 21.11.2024 dahin ergänzt, dass der Erinnerungsführer einen Anspruch auf Erstattung weiterer 14,28 € hat.
Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
Das Amtsgericht Tiergarten hat mit Beschluss vom 20.09.2024 das Verfahren nach § 206a StPO i.V.m. §46 OWiG wegen eines bestehenden Verfahrenshindernisses eingestellt und die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Landeskasse auferlegt.
Im Kostenfestsetzungsantrag vom 08.10.2024 hat der - nicht in Berlin ansässige - Verteidiger zuzüglich zu der Verfahrensgebühr auch die Erstattung der Aktenübersendungspauschale der Justiz in Höhe von 12,00 € zuzüglich 19 % Umsatzsteuer beantragt.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 21.11.2024 hat der zuständige Rechtspfleger die dem Verteidiger aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen antragsgemäß festgesetzt mit Ausnahme der vom Verteidiger beantragten Auslagen für die Aktenübersendungspauschale der Justiz in Höhe von 12,00 € zuzüglich 19 % Umsatzsteuer. Zur Begründung führte der Rechtspfleger an, die Aktenversendungspauschale in Höhe von 12,00 € gehöre nur dann zu den erstattungsfähigen notwendigen Auslagen der Betroffenen, wenn die Hin-zuziehung dieses Rechtsanwaltes zu einer zweckentsprechenden Verteidigung notwendig war. Dies sei hier nicht der Fall gewesen, denn die Betroffene habe ihren Wohnsitz in Berlin und es sei ihr daher zuzumuten und auch naheliegender, einen ortsansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen. Die durch die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwaltes entstandenen Mehrkosten habe sie daher selbst zu tragen. Dazu gehöre auch die Aktenverversendungspauschale, da diese einem Berliner Verteidiger nicht erstattet werde. Die Akteneinsicht sei jederzeit an Behördenstelle möglich und eine Versendung der Akte entsprechend nicht erforderlich. Die Aktenversendung stelle vielmehr einen Service der Behörde dar, so dass Kostenschuldner der Rechtsanwalt sei (§ 28 GKG).
Hiergegen richtet sich die Erinnerung des Verteidigers vom 04.12.2024. Er ist der Auffassung, die Nichterstattung der Aktenversendungspauschale sei rechtswidrig. Die beglichene Aktenversendungspauschale sei Teil der erstattungsfähigen Rechtsverfolgungskosten. Es mache keinen Sinn darauf abzustellen, ob der Rechtsanwalt seinen Sitz im Gerichtsbezirk habe oder nicht. Es werde auch bestritten, dass das Amtsgericht Tiergarten für ortsansässige Rechtsanwälte keine Akten-versendungspauschale erhebe und jeder Rechtsanwalt die Akte selbst abhole. Es bestehe auch keine Pflicht, die Akte selbst abzuholen. Es stehe vielmehr den Gerichten frei, die Akten kostenfrei zur Verfügung zu stellen, etwa durch den elektronischen Aktenversand. Dass die Betroffene zwischenzeitlich nach Berlin gezogen sei, hindere sie auch nicht an der Beauftragung des Verteidigers, zu dem bereits ein seit Jahren ein Vertrauensverhältnis bestehe.
Der Rechtspfleger hat der Erinnerung - nach Einholung der Stellungnahme des Bezirksrevisors -nicht abgeholfen.
Die Erinnerung ist zulässig und begründet. Das Gericht ergänzt die Kostenfestsetzung vom 21.11.2024 auf die Erinnerung des Verteidigers um die begehrten weiteren 12,00 € Aktenversendungspauschale sowie die Umsatzsteuer in Höhe von 2,28 €, mithin 14,28 €.
Die geltend gemachte Aktenversendungspauschale ist als notwendige Auslage der Betroffenen erstattungsfähig.
Nach § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 OWiG fallen bei Verfahrenseinstellung nur die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse zur Last. Nach § 464a Abs. 2 Nr. 2 StGB, welcher über § 46 OWiG auch für das Bußgeldverfahren gilt, gehören zu den notwendigen Auslagen die Gebühren oder Auslagen eines Rechtsanwaltes, soweit sie nach § 91 Abs. 2 ZPO zu erstatten sind. Bei der Aktenversendungspauschale handelt es sich um eine solche Auslage des Verteidigers nach Nr 9003 W RVG.
Bei der Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten notwendig und daher zu erstatten sind, kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen und ist lediglich gehalten, die kostengünstigste Maßnahme auszuwählen (BGH, 16.02.2002, VIII ZB 30/02).
Gemessen daran ist die durch den Verteidiger geltend gemachte Aktenversendungspauschale als Auslage auch notwendig und daher erstattungsfähig.
Denn der auswärtige Verteidiger kann das Recht auf Akteneinsicht vernünftigerweise und sachdienlich nur durch Übersendung der Gerichtsakte ausüben. Bei persönlicher Abholung der Akte entstünde ein Anspruch auf Vergütung der Reisekosten, welche in aller Regel höher als die Akten-versendungspauschale ausfielen. In diesem Fall ist die Aktenübersendung die für den Mandanten kostengünstigste Maßnahme zur Durchführung der Akteneinsicht mit der Folge, dass die Kosten für die Aktenübersendung eine notwendige Auslage darstellen.
Eine Kostenerstattung kann hier auch nicht mit dem Argument ausgeschlossen werden, die Betroffene hätte einen ortsansässigen Verteidiger beauftragen können, der seinerseits in der Lage gewesen wäre, die Akte abzuholen, so dass eine Versendung nicht notwendig und daher nicht erstattungsfähig gewesen wäre. Denn auch bei einem ortsansässigen Rechtsanwalt kann sich die Aktenversendungspauschale als notwendig erweisen, wenn es ihm wegen der Entfernung zum Gericht nicht ohne weiteres zumutbar ist, dieses wegen jeder Akteneinsicht persönlich aufzusuchen oder einen Boten zu schicken (AG Tiergarten, Beschluss vom 13.12.2018, 229 Ds 1 89/15; AG Köln, Beschluss vom ü8.06.2018, 707 Ds 101/15; AG Tiergarten, Beschluss vom 10.12.2024, 350 Gs 464/24). Das Kriterium der Ortsansässigkeit hat in einer Großstadt wie Berlin und angesichts der teilweise erheblichen Entfernungen zum Gericht auch für formal ortsansässige Rechtsanwälte kaum Trennschärfe (vgl. auch AG Tiergarten, Beschl. v. 10.12.2024, a.a.O.). Die Verweisung auf die hypothetische Beauftragung eines ortsansässigen Rechtsanwaltes verfängt daher nicht.
Nach alledem beläuft sich der weiter festzusetzende Erstattungsbetrag auf 12,00 € (Nr 9003 KV GKG) nebst Umsatzsteuer in Höhe von 2,28 € (Nr 7008 W RVG).
III
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 S. 2 RVG.
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