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RVG Entscheidungen

Gebühren-/Kostenfragen - Kosten-/Auslagenentscheidung

Privatgutachten, Erstattungsfähigkeit, Bußgeldverfahren, Auslagenerstattung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Zwickau, Beschl. v. 10.02.2025 - 5 Qs 173123 jug

Eigener Leitsatz:

Grundsätzlich ist bei einer Geschwindigkeitsmessung, wenn sich im Rahmen der Verfolgung der Verkehrsordnungswidrigkeit keine besonderen Anhaltspunkte auf Messfehler oder sonstige Unregelmäßigkeiten ergeben, die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht angebracht. Etwas anderes kann jedoch der Fall sein, wenn es sich um einen erheblichen Verkehrsverstoß gehandelt hat und die Messunterlagen nicht vollständig waren.


5 Qs 173123 jug

Beschluss

In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

Rechtsanwalt

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
ergeht am 10.02.2025

durch das Landgericht Zwickau - Jugendkammer als Beschwerdekammer - nachfolgende Entscheidung:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verteidigers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Plauen vom 21.08.2023 (Az: 4 OWi 403 Js 5008/21 jug) wie folgt abgeändert:
Die von der Staatskasse an den Verteidiger Rechtsanwalt Peter Schlegel aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts Plauen vom 19.01.2023 und der Abtretungserklärung vom 12.02.2023 zu erstattenden Kosten werden auf 3.246,73 € (in Worten: Dreitausendzweihundertsechsundvierzig, dreiundsiebzig Hundertstel €) festgesetzt.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die dem Verteidiger entstandenen not-wendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
3. Beschwerdewert: 1.655,94 €.

Gründe.,

Gegen den Betroffenen erging mit Datum vom 25.01.2021 ein Bußgeldbescheid, durch den ein Bußgeld von 400,00 € verhängt wurde sowie ein einmonatiges Fahrverbot. Ferner wurde die vorgeworfene Tat mit zwei Punkten im Fahreignungsregister bewertet.

Nach Einlegung des Einspruchs durch den Betroffenen wurde am 23.08.2021 ein Hauptverhandlungstermin durchgeführt, infolgedessen durch Beschluss des Amtsgerichts Plauen vom gleichen Tag die Hauptverhandlung ausgesetzt wurde.

Ein weiterer Termin erfolgte mit Datum vom 08.06.2022. Durch Beschluss vom gleichen Tag wurde die Hauptverhandlung abermals ausgesetzt.

Durch Urteil des Amtsgerichts vom 19.01.2023 wurde das Verfahren eingestellt, da wegen Verjährung der Tat ein Verfahrenshindernis eingetreten sei.

Das Urteil wurde am 17.02.2023 rechtskräftig.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 22.02.2023 machte der Verteidiger des Betroffenen unter Vorlage einer Abtretungserklärung vom 12.02.2023 außergerichtliche Kosten von insgesamt 3.421,91 € geltend. Darin enthalten waren auch 1.655,94 € brutto für ein außergerichtliches Sachverständigengutachten.

Mit Schriftsatz vom 24.05.2023 reagierte die Staatskasse, vertreten durch die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Zwickau. Sie hielt die geltend gemachten Gebühren teilweise für unbillig, insbesondere widersprach sie der Festsetzung der genannten Kosten für das Privatgutachten. Insgesamt beantragte sie die Festsetzung von 1.490,93 €.

Durch die angefochtene Entscheidung setzte das Amtsgericht insgesamt 1.590,79 € fest, wobei es den Ersatz der Kosten für das Privatgutachten nicht für erstattungsfähig hielt.

Durch Schriftsatz vom 12.09.2023, eingegangen am gleichen Tage, legte der Verteidiger sofortige Beschwerde ein.

In seinem Rechtsmittel vertritt er die Auffassung, die Sachverständigenkosten seien erstattungsfähig.

Die Staatskasse wurde hierzu angehört und widersprach der sofortigen Beschwerde durch Schriftsatz vom 17.10.2023.
Sie ist der Auffassung, die aufgewendeten Sachverständigenkosten seien nicht notwendig, da die Beweiserhebung im Verwaltungsverfahren bzw. in der Hauptverhandlung habe erfolgen können.

Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache auch vollen Erfolg.

Zu Recht geht der Verteidiger davon aus, dass für eine effektive Verteidigung die Einholung eines privaten Sachverständigengutachtens notwendig war. In erster Instanz hatte er bereits vorgetragen, dass dies verfassungsrechtlich aus Gründen der „Waffengleichheit" auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren notwendig sei.

Nach herrschender Auffassung sind aber eigene private Ermittlungen in der Regel nicht notwendig, das gilt auch für die Kosten von Privatgutachten (OLG Stuttgart, NStZ-RR 2003, Seite 127; Meyer-Goßner/Schmitt, Kommentar zur StPO, 63. Auflage, § 464a Rn. 16 m.w.N.; Karlsruher Kommentar zur StPO/Gieg, 8. Auflage, § 464a, Rn. 7). Dies wird damit begründet, dass die Ermittlungsbehörden und das Gericht von Amts wegen zur Sachaufklärung verpflichtet sind.

Eine Ausnahme gilt unter anderem bei komplizierten technischen Fragen, z. B. wegen eines etwaigen Informationsvorsprungs der Staatsanwaltschaft im Interesse einer effektiven Verteidigung (OLG Hamburg, NStZ 1983, Seite 284; OLG Schleswig, Schleswig-Holstein Archiv 1986, Seite 29, OLG Köln, NJW 1992, Seite 586; OLG Celle, Juristisches Büro 1994, Seite 297; Karlsruher Kommentar a.a.O.).

Nach Ansicht des Beschwerdegerichts darf ein Privatgutachten nicht ohne triftigen Grund in Auftrag gegeben worden sein. Wenn sich bei einer Geschwindigkeitsmessung im Rahmen der Verfolgung einer Verkehrsordnungswidrigkeit keine besonderen Anhaltspunkte auf Messfehler oder sonstige Unregelmäßigkeiten ergeben, ist die Einholung eines solchen Gutachtens nicht angebracht.

Im vorliegenden Fall stellte der Bußgeldbescheid für den Betroffenen aber eine nicht unerhebliche Sanktion dar. Gegen ihn wurde ein für Verkehrsordnungswidrigkeiten relativ hohes Ordnungsgeld in Höhe von 400,00 € verhängt. Außerdem wurde das ihm vorgeworfene Verhalten mit zwei Punkten im Fahreignungsregister bewertet. Am schwersten wog jedoch das verhängte einmonatige Fahrverbot. Er trug hierzu nachvollziehbar vor, dass ein solches für ihn schwerwiegende berufliche Nachteile bringen würde.

Insofern ist es gerechtfertigt, dass er durch seinen Verteidiger eine besonders genaue und eingehende Prüfung der Geschwindigkeitsmessung veranlasst hat.

Da die Messunterlagen nicht vollständig waren, musste er im Rahmen seiner Verteidigung darlegen, welche Unterlagen zur Prüfung einer Messung unbedingt erforderlich waren. Im Verlaufe des Verfahrens ging es auch um die technische Frage der Größe des Messfeldes und der Rohmessdaten. Da weder der Betroffene noch sein Verteidiger die erforderliche Sachkunde hatten, hat er völlig zu Recht ein privates Sachverständigengutachten eingeholt. Im Termin vom 08.06.2022 hat der Verteidiger des Betroffenen die Einholung des Gutachtens bestätigt und dieses im Beschwerdeverfahren auch vorgelegt.

Nach Auffassung des Beschwerdegerichts kommt es nicht darauf an, ob das private Gutachten verwertet werden konnte oder musste. Vorliegend wurde das Verfahren wegen Verjährung durch Urteil vom 19.01.2023 eingestellt. Entscheidend ist, ob der Betroffene bereits im Rahmen des Ermittlungsverfahrens die Einholung eines Privatgutachtens für erforderlich halten durfte. Dies war aus den o. g. Gründen der Fall.

Die Höhe der Kosten ist sachlich und rechnerisch nicht zu beanstanden. Demgemäß waren sie noch zusätzlich festzusetzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 OWiG, 467 StPO analog.

Als Beschwerdewert war der Betrag der streitgegenständlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 1.655,94 € brutto anzusetzen.


Einsender: RA P- Schlegel, Greiz

Anmerkung:


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