Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

RVG Entscheidungen

Gebühren-/Kostenfragen - Auslagen, Nr. 7000 VV

Auslagen, Aktenversendungspauschale, auswärtiger Verteidiger, Ablichtungen auf Gerichtsakten, Notwendigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Tiergarten, Beschl. v. 14.08.2025 - 312 OWi 100/25

Eigener Leitsatz:

1. Hinsichtlich der Erstattung einer Aktenversendungspauschale kann ein auswärtiger Verteidiger nicht darauf verwiesen werden, dass der Betroffene seinen Wohnsitz am Gerichtsort hat und es ihm daher zuzumuten gewesen wäre, einen am Gerichtsort kanzleiansässigen Verteidiger zu mandatieren, der die Akte auf der Geschäftsstelle des Gerichts am Ort hätte einsehen können.
2. Ablichtungen aus Gerichtsakten sind nach § 46 Abs. 1 RVG, Nr. 7000 Nr. 1 lit. a VV-RVG nur dann erstattungsfähig, wenn ihre Herstellung zur sachgemäßen Beurteilung des Sachverhalts und der Rechtssache geboten ist. Das ist bei eigenen Schriftsätzen und Empfangsbekenntnissen des Verteidigers grundsätzlich nicht der Fall, da der Verteidiger diese bereits besitzt.


Amtsgericht Tiergarten
312 OWi 100/25

Beschluss

In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hier Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung

hat das Amtsgericht Tiergarten am 14. August 2025 beschlossen:

1. Auf die Erinnerung des Verteidigers vom 17. Juli 2025 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 01. Juli 2025, Aktenzeichen (312 OWi) 3014 Js-OWi 1063/25 (100/25), wird der Kostenfestsetzungsbeschluss gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 Hs. 1 GKG dahin abgeändert, dass die zu erstattenden notwendigen Auslagen des Rechtsanwalts als Zessionar der Betroffenen auf 650,34 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit 24. April 2025 festgesetzt werden.
2. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist hinsichtlich der zweiten Aktenversendungspauschale in Höhe von 12 € nebst diesbezüglicher Umsatzsteuer begründet, im Übrigen also hinsichtlich der Dokumentenpauschale nebst diesbezüglicher Umsatzsteuer - unbegründet.

Bezüglich der (zweiten) Aktenversendungspauschale in Höhe von 12 € nebst diesbezüglicher Umsatzsteuer kann der in Leipzig kanzleiansässige Verteidiger nicht darauf verwiesen werden, dass die Betroffene ihren Wohnsitz in Berlin hat und es dieser daher zuzumuten gewesen wäre, einen in Berlin kanzleiansässigen Verteidiger zu mandatieren, der die Akte auf der hiesigen Geschäftsstelle hätte einsehen können. Vielmehr hat die Betroffene nach § 46 Abs. 1 OWiG, § 137 Abs. 1 Satz .1 StPO, Art. 6 Abs. 3 lit. c Var. 2 EMRK das Recht auf freie Verteidigerwahl. Bei einem auswärtigen Verteidiger stellt sich die Frage der Notwendigkeit der Aktenversendung und damit der diesbezüglichen Pauschale nicht, da er bei persönlicher Abholung einen Anspruch auf Vergütung der Reisekosten hätte, die in aller Regel höher als die Aktenversendungspauschale wäre (vgl. etwa Gerold/Schmidt/Müller-Raabe-RVG, Vorbemerkung 7 zum VV-RVG Rn. 25).

Bezüglich der Dokumentenpauschale nebst diesbezüglicher Umsatzsteuer gilt hingegen Folgendes: Ablichtungen aus Gerichtsakten sind nach § 46 Abs. 1 RVG, Ziff, 7000 Nr. 1 lit. a VV-RVG nur dann erstattungsfähig, wenn ihre Herstellung zur sachgemäßen Beurteilung des Sachverhalts und der Rechtssache geboten ist. Bei dieser Prüfung besteht ein objektiver Maßstab und ein Ermessensspielraum des Verteidigers. Eine ordnungsgemäße Ausübung des Ermessens ist indes vorliegend nicht erkennbar. Die ungeprüfte Ablichtung genügt den gesetzlichen Anforderungen grundsätzlich nicht, vielmehr sind eigene Schriftsätze und Empfangsbekenntnisse des Verteidigers nicht zu kopieren, da der Verteidiger diese bereits besitzt (vgl. etwa LG Braunschweig, Beschluss vom 05. August 2019 - Az. 9 Qs 158/19; Ahlmann/Kapischke/Pankatz/Rech/Schneider/Schütz-RVG, RVG VV 7000 Rn. 8; Toussaint/Lang-Lendorff-KostenR, RVG VV 7000 Rn. 17). Dies betrifft vorliegend von den 20 geltend gemachten Aktenseiten die Aktenseiten 52 (Empfangsbekenntnis des Verteidigers) und 54 (Schriftsatz des Verteidigers). Es ist daher nicht zu erkennen; dass eine ordnungsgemäße Ausübung des anwaltlichen Ermessens bei der Auswahl der zu kopierenden Aktenbestandteile erfolgt ist. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts im Kostenfestsetzungsverfahren, nunmehr selbst zu prüfen, welche Aktenbestandteile aus Sicht der Verteidigung zwingend zu kopieren waren und welche nicht. Daher wäre die Dokumentenpauschale sogar insgesamt in Abzug zu bringen (vgl. etwa LG Braunschweig, Beschluss vom 05. August 2019 - Az. 9 Qs 158/19; von Seltmann/K. Sommerfeldt/M. Sommerfeldt-RVG, § 46 Rn. 41a). Mangels Anschlusserinnerung des Erinnerungsgegners besteht jedoch ein Verbot der reformatio in peius (vgl. etwa Schneider/Volpert/Fölsch-Gesamtes Kostenrecht, § 66 GKG Rn. 63, 95; Toussaint-Kostenrecht, § 66 GKG Rn. 29), sodass es vorliegend bei der anerkannten Dokumentenpauschale in Höhe von 6,50 € nebst diesbezüglicher Umsatzsteuer verbleibt.

Folglich ergeben sich folgende erstattungsfähige Auslagen:
Grundgebühr (Ziff. 5100 VV-RVG): 80,00 €
Verfahrensgebühr für behördliches Verfahren (Ziff. 5101 VV-RVG): 110,00 €
Verfahrensgebühr für gerichtliches Verfahren (Ziff. 5109 VV-RVG): 110,00 €
Zusätzliche Erledigungsgebühr (Ziff. 5115, 5109 VV-RVG): 176,00 €
Post- und Telekommunikationspauschale (Ziff. 7002 W-RVG): 40,00 €
Dokumentenpauschale (Ziff. 7000 Nr. 1 lit. a VV-RVG): 6,50 €
(Erste) Aktenversendungspauschale (§ 107 Abs. 5 Satz 1 OWiG): 12,00 €
(Zweite) Aktenversendungspauschale (§ 107 Abs. 5 Satz 1 OWiG): 12,00 €
Zwischensumme netto: 546,50 €
19 % Umsatzwertsteuer (Ziff. 7008 W-RVG): 103,84 €
Gesamt brutto: 650,34 €


Einsender: RA C. Schneider, Leipzig

Anmerkung:


den gebührenrechtlichen Newsletter abonnieren


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".