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RVG Entscheidungen

§ 48

Verbindung von Verfahren; Berufungsinstanz; gesetzliche Gebühren

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Stuttgart, Beschl. v. 5. 2. 2007, 14 Qs 2/07

Fundstellen:

Leitsatz: Zur Festsetzung von Grundgebühr und Verfahrensgebühr bei Verbindung von Verfahren im Berufungsverfahren.


Geschäftsnummer: 14 Qs 2/07
Landgericht Stuttgart 14. Große Strafkammer
Beschluss
vom 05.02.2007

wegen Diebstahls.
hier: Kostenbeschwerde des Pflichtverteidigers
Auf die sofortige Beschwerde des Pflichtverteidigers vom 30.11.2006 gegen den Beschluss des AG Böblingen vom 27.11.2006 wird über den angefochtenen Beschluss hinaus eine Vergütung in Höhe von € 162 zzgl. 16 % MWSt., d.h. € 187,92, festgesetzt. Im übrigen wird die sofortige Beschwerde als unbegründet verworfen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
1.) Der Beschwerdeführer war zunächst Wahlverteidiger im Verfahren des AG Böblingen, 6 Ds 105 Js 33365/05. Nach Erlass des Urteils am 20.07.2005 und Einlegung der Berufung legte der Beschwerdeführer sein Mandat mit Schreiben vom 21.02.2006 nieder und beantragte beim Landgericht, ihn für das weitere Berufungsverfahren 41 Ns 105 Js 33365/05 als Pflichtverteidiger beizuordnen.
Mit Schriftsatz vom 28.02.2006 legitimierte sich der Beschwerdeführer als Verteidiger für ein weiteres gegen seinen Mandanten beim Landgericht Stuttgart geführtes Berufungsverfahren, und zwar gegen ein Urteil des AG Böblingen vom 17.01.2006, 8 Ds 104 Js 88550105, und beantragte Akteneinsicht.
Mit Beschluss des Landgerichts Stuttgart von 17.03.2006 wurde
1.) das Verfahren über die Berufung gegen das Urteil vom 17.01.2006 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu dem Verfahren über die Berufung gegen das Urteil vom 20.07.2005 verbunden und
2.) dem Angeklagten der Beschwerdeführer als Pflichtverteidiger bestellt.
Mit Schriftsatz vom 03.07.2006 beantragte der Beschwerdeführer nach Abschluss des verbundenen Verfahrens, ihm als Pflichtverteidiger folgende Gebühren und Kosten festzusetzen:
I. Berufungsverfahren vor dem LG Stuttgart 41 Ns 105 Js 33365/05
Verfahrensgebühr, § 14 I RVG, Nr. 4127 W € 263,00
Terminsgebühr, § 14 I RVG, Nr. 4103 W € 263,00
Auslagenpauschale, Nr. 7002 W € 20,00
Zwischensumme € 563,00
(richtig: €546,00]
II. Berufungsverfahren vor dem LG Stuttgart 41 Ns 104 Js 88550/05
Grundgebühr, § 14 I RVG, Nr. 4101 W € 162,00
Verfahrensgebühr, § 14 I RVG, Nr. 4127 W € 263,00
Terminsgebühr, bereits unter I. geltend gemacht
Auslagenpauschale, Nr. 7002 W € 20,00
Kopierkosten, Nr. 7000 Nr. 1 a W € 17,00
Zwischensumme € 445,00
[richtig €462,OO]
Fahrtkosten, Nr. 7003 W € 48,00
Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 W € 60,00
Zwischensumme € 108,00
Zwischensumme I.-III. € 1, 116,00
MWSt 16% € 178,56
Gesamtsumme Brutto € 1.294,56
Parkgebühren € 6;50
Aktenübersendungspauschale € 12,00
€ 1.313,06
Hiervon wurden am 15.09.2006 zunächst € 953,06, und auf die dagegen gerichtete Erinnerung am 13.11.2006 weitere € 42,92 sowie am 04.12.06 weitere € 12,00 festgesetzt. Im übrigen, d.h. in Höhe von € 263 zzgl. 16 % MWSt, insgesamt € 305,08, wurde die Erinnerung mit Beschluss des AG Böblingen vom 27.11.2006 zurückgewiesen, „soweit der Verteidiger noch für das hinzu verbundene Berufungsverfahren 40 Ns 104 Js 88550/05 eine Verfahrensgebühr gem. VV Nr. 4127 RVG in Höhe von 263 € geltend macht".
Mit der Beschwerde verfolgt der Beschwerdeführer nunmehr das Ziel, auch die nicht zuerkannte Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren vor dem LG Stuttgart 41 Ns 104 Js 88550/05 in Höhe von insgesamt € 305,08 festgesetzt zu bekommen.
2.) Die Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet.
a) Durch Beschluss des LG Stuttgart vom 17.03.2006 wurden die beiden Verfahren verbunden und der Beschwerdeführer anschließend in der Berufungsinstanz für das eine, nunmehr verbundene Verfahren unter dem Az. 41 Ns 105 Js 33365/05 zum Pflichtverteidiger bestellt. Für diesen Rechtszug und dieses Verfahren erhält der Verteidiger zunächst die Gebühren etc., und zwar gemäß § 48 Abs. 5 Satz 2 RVG auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt der Bestellung.
Werden mehrere Verfahren miteinander verbunden, erhält der Rechtsanwalt des Weiteren nach §§ 15 Abs. 4, 48 Abs. 5 Satz 2 RVG bis zur Verbindung für jedes Verfahren gesonderte Gebühren, da jedes Verfahren eine eigene Angelegenheit i.S.d. § 15 darstellt. Die Verbindung hat keinen Einfluss auf bis dahin entstandene Gebühren (vgl. Burhoff, RVG, 1. Auflage 2004, W 4100, Rz 18).
b) Eine Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren vor dem LG Stuttgart 41 Ns 104 Js 88550/05 war dabei noch nicht entstanden. Der Beschwerdeführer hatte sich lediglich mit Schriftsatz vom 28.02.2006 als Verteidiger legitimiert und Akteneinsicht beantragt. Eine Verfahrensgebühr fällt deswegen nicht an. Hierfür wurde - zutreffend - (nur) die Grundgebühr festgesetzt, mit der grundsätzlich die erstmalige Einarbeitung und auch die (erste) Beschaffung der erforderlichen Informationen abgegolten wird (BT-Drucks. 15/1971, S. 222 zu Nr. 4100 VV). Unter informationsbeschaffung sind dabei alle Tätigkeiten des Rechtsanwalts zu verstehen, die darauf gerichtet sind, ihm - über das Gespräch mit dem Mandanten hinaus - Informationen zu dem an ihn angetragenen Rechtsfall zu verschaffen. Das ist insbesondere eine erste Akteneinsicht nach § 147 StPO (vgl. Bürhoff, RVG, 1. Auflage 2004, W 4100, Rz 13; Hartmann, Kostengesetzte, 36. Auflage 2006, W 4100, 101, Rz 6).
c) Statt der beantragten Verfahrensgebühr im Verfahren 41 Ns 104 Js 88550/05 in Höhe von € 263,00 zzgl. MWSt war aber gemäß § 48 Abs. 5 RVG auch eine weitere - ausdrücklich nicht beantragte und bisher auch nicht festgesetzte - Grundgebühr für die Tätigkeit des Beschwerdeführers für das nach Verbindung führende Verfahren 41 Ns 105 Js 33365/05 in Höhe von € 162,00 zzgl. MWSt entstanden. Diese Grundgebühr war zum Zeitpunkt der Pflichtverteidigerbestellung bereits entstanden und sie wurde durch die Verbindung nicht berührt.
Diese noch nicht festgesetzte Grundgebühr für das Verfahren 41 Ns 105 Js 33365/05 ist auch im Beschwerdeverfahren trotz Antragszwangs zuzusprechen, da sich das Beschwerdegericht - ähnlich wie bei § 308 Abs. 1 ZPO - nur summenmäßig an die Antragsforderung des Beschwerdeführers, nicht jedoch auch hinsichtlich der Einzelposten, gebunden sieht (vgl. Hartmann, Kostengesetzte, 36. Auflage 2006, § 55, Rz 24).
d) Die Lösung der - vom Beschwerdeführer i.ü. aufgeworfenen - Frage, welcher Steuersatz schließlich anzuwenden ist, richtet sich danach, wann die Leistung in einer gebührenrechtlichen Angelegenheit vollständig erbracht wurde (vgl. §§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Weil die Tätigkeit in 2006 erbracht wurde, unterliegt sie dem alten Steuersatz von 16%.


Einsender: RA Kölmel, Stuttgart

Anmerkung: Die Entscheidung ist nur zum Teil richtig.
1. Zutreffend ist es, wenn das LG darauf abstellt, dass durch die Verbindung von Verfahren bis dahin entstandene Gebühren dem Rechtsanwalt nicht verloren gehen (s. auch Burhoff in Burhoff (Hrsg.) Straf- und Bußgeldsachen, ABC-Teil: Verbindung von Verfahren).

2. Zutreffend ist es zunächst auch, wenn das LG wegen der Festsetzung der gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwalts, der erst in einem späteren Rechtszug als Pflichtverteidiger beigeordnet worden ist, auf die neue Regelung in 3 48 Abs. 5 Satz 2 RVG abstellt. Die regelt nunmehr, welche gesetzlichen Gebühren dem Rechtsanwalt zustehen, der erst in einem späteren Rechtszug zum Pflichtverteidiger bestellt wird. Dieser erhält seine Vergütung in diesem Rechtszug auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung. Dabei wird aber klargestellt, dass die Beiordnung in einem späteren Rechtszug sich nur auf die Tätigkeit „in diesem Rechtszug“ bezieht. Dem erst in einem späteren Rechtszug bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt, wird also über § 48 Abs. 5 Satz 2 RVG kein Vergütungsanspruch für seine Tätigkeit im vorbereitenden Verfahren und vorhergehenden Rechtszügen gewährt. Das bedeutet, dass der Rechtsanwalt, der bereits in früheren Rechtszügen bzw. auch im vorbereitenden Verfahren für den Beschuldigten tätig war, im Rahmen der gesetzlichen Vergütung auch nicht die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG erhält. Die zu deren Entstehen führenden Tätigkeiten sind bereits im vorbereitenden Verfahren bzw. in den vorhergehenden Rechtszügen erbracht. (s. dazu eingehend auch Burhoff, a.a.O., demnächst 2. Aufl., § 48 Abs. 5 Rn. 11). Deshalb hätte hier die Grundgebühr im Verfahren 1 nicht als gesetzliche Gebühr festgesetzt werden dürfen. Die Festsetzung der Grundgebühr im Verfahren 2 ist hingegen nicht zu beanstanden, da der Rechtsanwalt erst im Berufungsverfahren beauftragt wordne ist.

3. Dem Rechtsanwalt stand allerdings auch im Verfahren 2 eine Verfahrensgebühr Nr. 4125 VV RVG zu. Nach den Angaben des Einsenders war er von den Eltern seines Mandanten erfahren, dass gegen diesen das weitere Verfahren anhängig war. Er hatte daraufhin seinen Mandanten in der U-Haft besucht und die Angelegenheit mit ihm besprochen Er erhielt danach dann Akteneinsicht. Nach Akteneinsicht besuchte er seinen Mandanten nochmals in der U-Haft und informierte ihn über das Verfahren. Er erhielt vom Mandanten weitere Informationen zur Fertigung eines Verteidigungsschriftsatzes. Diese vom Rechtsanwalt erbrachten Tätigkeiten gehen weit über den Abgeltungsbereich der Grundgebühr hinaus: Diese erfasst nur die erste Information und die erste Akteneinsicht (Burhoff, a.a.O., Nr. 4100 VV Rn. 13). Alle weiteren Tätigkeiten führen zum Entstehen der jeweiligen Verfahrensgebühr.


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